Um meiner neuen Rolle als Keyboarder in einer Classic Rock-Band gerecht zu werden habe ich mir gleich eines der ersten Modelle der Legend One gekauft, dass bei Thomann feilgeboten wurde. Und ich muss sagen: enttäuscht wurde ich keinesfalls!
Der Fokus liegt ganz klar auf der Reproduktion von Hammond-Sounds. Für die authentische Klangregelung stellt uns Viscout 2 Sets Zugriegel zur Verfügung. Zwischen denen können wir entweder mittels Knopfdruck wechseln oder die Klaviatur in "Upper" und "Lower" splitten, wobei hier zu beachten ist, dass die Zugriegel auf der linken Seite für "Upper" und auf der rechten Seite für "Lower" zuständig sind. Luxuriöserweise können wir zwischen verschiedenen Orgel-Modellen wechseln, nebst einigen Modellen aus dem Hause Hammond gibt es hier auch Farfisa und einige Pfeigenorgeln.
Die weitere Klangregelung der Orgelsounds entspricht dem hauseigenen Standard von Viscount (Chorus/Vibrato, Drive (sofern man die Leslie-Emulation aktiviert), Crosstalk, Keyclick, 3-Band-EQ). Ein bisschen irritierend finde ich, dass die Leslie-Emulation standardmäßig deaktiviert ist, dafür hat man bei Auswahl eines Orgelmodells standardmäßig den Chorus aktiviert - auch bei den Pfeigenorgeln, die daraufhin doch eher gewöhnungsbedürftige Klänge erzeugen. Aber ganz klar - wer großen Wert auf Sakralorgelklänge legt, sollte zu einem anderen Modell greifen.
Chorus/Vibrato, die Rotationsgeschwindigkeit des Leslie-Kabinetts und die Hammond-typische Percussion-Einheit für das obere Manual werden über ausreichend groß dimensionierte Tasten gesteuert, die ihre Einstellung über gut sichtbare rote LEDs anzeigen.
Auch die Auswahl des Zugriegel-Sets, die Aktivierung der Leslie-Emulation, die Auswahl der FX-Sektion und die Auswahl der Sounds erfolgt über Tasten mit integrierten roten LEDs, die Tasten und insbesondere die LEDs fallen hier aber doch recht klein aus und sind - je nach Bühnenbeleuchtung - bisweilen schwierig abzulesen. Hier hätte ich mir größere Tasten mit größeren Lämpchen gewünscht.
Speaking of Sounds: neben den Orgel-Klängen gibt es eine großzügige Auswahl an Piano- und E-Piano-Sounds, auch Streicher und Synthies finden sich hier im Bouquet. Die "Non-Orgel-Sounds" liegen auf 2 Bänken, man kann also 2 davon parallel auswählen. Die Auswahl erfolgt über Auswahlpotis, die in jeder Position gut spürbar einrasten. Außerdem besitzt jede Bank eine umabhängige Lautstärkeregelung. Beide Bänke können auch unabhängig voneinander auch nur auf die "Upper" oder die "Lower" Sektion der Klaviatur gelegt werden.
Ein bisschen ungewohnt ist für mich (der bisher hauptsächlich E-Pianos von Kawai, Yamaha und Korg unter den Fingern hatte), dass man einen Sound, den man ausgewählt hat, erst noch aktivieren muss, bevor man ihn beim Druck auf die Klaviaturtaste hört. Wenn ich also von Orgel auf Piano schalten möchte, sieht das ungefähr so aus: Orgel deaktivieren - Piano-Sound auswählen (das kann ich übrigens auch schon im Voraus erledigen) - Piano aktivieren. Wenn ich vergesse, den Orgel zu deaktivieren, dann spielen Orgel und Piano simultan. Das kommt bei mir leider im Eifer des Gefechts hin und wieder unbeabsichtigterweise vor. Auf der anderen Seite lädt diese Art der Soundgestaltung zum Mischen ein, da hierfür eben keine gesonderte "Dual"-Funktion aufgerufen werden muss und alle Klänge wie oben bereits erwähnt eine eigene gut erreichbare Lautstärkeregelung besitzen.
Die Knöpfe zur Auswahl der Sound-Bänke und insbesondere deren Status-LEDs fallen wie oben bereits erwähnt leider eher klein aus und sind deshalb bisweilen on stage schlecht lesbar.
Gespielt wird auf einer anschlagsdynamischen Waterfall-Tastatur, die Druckpunkte der Tasten sind gut definiert, die Tasten klappern nicht, sie wackeln nicht zur Seite, das Spielgefühl ist wirklich super! Der Rückstellmechanismus funktioniert auch super, die ganzen tollen Hammond-Techniken wie Glissando und Sputtering machen hierauf große Freude. Natürlich entspricht das Spielgefühl keinem Grand Piano mit Hammermechanik - man kauft hier ganz klar einen Hammond-Klon mit ein paar Piano-Sounds an Bord.
Kommen wir zum Wichtigsten: dem Klang! Die Sounds der Hammond-Modelle aus verschiedenen Epochen sind über jeden Zweifel erhaben und klingen wirklich authentisch. Auch die Leslie-Emulation finde ich sehr gelungen. Ein paar kleinere Abstriche gegenüber einem richtigem Leslie-Kabinett muss man eben hinnehmen - dafür spart man sich die Schlepperei ;-)
Auch schöne Rhoades-Sounds findet man auf dem Board. Die Piano-Sounds sind auch völlig OK, können aber ehrlicherweise mit meinem Kawai MP-7 dann doch nicht ganz mithalten.
Über Synths und Streicher lasse ich mich hier nicht weiter aus - da bin ich einfach zu wenig im Game. Die wenigen Sounds aus dieser Kategorie, die ich bisher genutzt habe, fand ich für meine Zwecke vollkommen ausreichend.
Das Keyboard bietet viele Anschlussmöglichkeiten, bis hin zu einem originalen Leslie-Kabinett.
Die Polarität von angeschlossenen Damper-/Rotary Switch-Pedalen kann im Menü der Orgel angepasst werden. Ein bisschen irritiert war ich, dass das Volume Pedal aus dem Hause Viscount überhaupt nicht mit dem Instrument harmoniert - im Prinzip erledigt das Pedal die gesamte Arbeit auf den ersten Millimetern des Regelweges, selbst in komplett geschlossenem Zustand hat die Orgel immer noch eine Lautstärke von ca. 10%. Leider habe ich weder am Instrument noch am Pedal Möglichkeiten zur Anpassung gefunden. So nutze ich ein Uralt-EXP-Pedal, was mit dem Instrument relativ OK harmoniert. Hier sollte der Hersteller evtl. noch einmal nachjustieren.
Erfreulicherweise ist mittlerweile auch ein passendes Notenpult für das Instrument verfügbar, das habe ich beim Kauf Anfang 2025 noch vermisst.
Fazit:
Für mich als Keyboarder in einer Classic-Rock-Band genau das richtige! Ich habe alle Möglichkeiten, mich mit einer Hammond-Orgel auszutoben, für die Intros zu Locomotive Breath und Rockin all over the World habe ich auf dem Board aber auch die passenden Klavier-Sounds im Gepäck. Auch Rhoades/Clavinet +- Streicher sind mit dabei, damit kann ich komplett auf Sounds von extern verzichten.
Lediglich ein kleines Minus für das etwas unintuitive Soundauswahlverfahren und die zu kleinen Status-LEDs.