Nachdem ich mit einem 68 Princeton sehr zufrieden bin (bei Thomann vor einigen Monaten gekauft) und mir die "Silverface" Verstärker von Fender auch optisch gut gefallen, habe ich jetzt auch einen 68 Custom Deluxe Reverb gekauft. Die nachfolgende Bewertung stellt einen chronolgischen Ablauf meiner Eindrücke dar. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich mich inzwischen mit dem 68 Custom Deluxe angefreundet habe. Er sieht super aus, klingt toll und etwas anders als die 65er Fender-Ausgaben, ist ausreichend laut, noch gut zu transportieren und verwirrt bei Session alle Musiker, die ein Master-Volume suchen.
Doch zu den Beobachtungen:
Nach dem Einschalten kam die erste Ernüchterung - der Amp rauscht und spratzelt, auch ohne eingestecktes Instrument und mit völlig geschlossenen Volume-Reglern in beiden Kanälen. Das ist erst einmal enttäuschend.
Der zweite Schreck kam nach der Betätigung des Standby-Schalters zum Ausschalten. Einen so lauten Knall habe ich noch nie bei einem Amp gehört.
Die folgende Ratlosigkeit hing aber mit meiner Angewohnheit alles sofort auszuprobieren zusammen - das Vibrato/Tremolo funktioniert nur mit dem Fußsschalter, man kann es nicht wie bei anderen Verstärkern mit dem Poti einschalten. Und - es macht höllisch viel Lärm, der Verstärker blubbert wie ein Small Block V8 im Leerlauf. Kenne ich vom 68 Princeton nicht so extrem, allerdings schon von Tremolo-Bodentretern im Hammerschlaggehäuse, original aus den späten 1970ern.
Die Hallspirale ist mit Cinch-Steckern am Gehäuse angeschlossen. Die Stecker unbedingt prüfen, bei meinem Exemplar ist die Federkraft so gering, dass sie fast von der Buchse fallen. Kann man aber nachbiegen und somit beheben, nur ein Wink in Richtung Fender Qualitätskontrolle.
Eine sofortige Recherche ergab, dass diese Themen bekannt sind - der Standby-Schalter sollte ignoriert werden (der Knall kommt aber auch beim Ausschalten direkt mit dem Netzschalter), viele Käufer beklagen sich über die Geräuschentwicklung des Vibrato/Tremolo-Effekts und über das Grundgeräusch.
Das Anspielen des Verstärkers relativert diese Beobachtung aber schnell - meine Enttäuschung ist nach den ersten Tönen mit einer Tele sofort verflogen. Das Grundgeräusch tritt in den Hintergrund und es klingt an beiden Kanälen sehr gut - immer nach Fender (ich mag 6V6 Endstufen), aber etwas unterschiedlich. Der Hall kann für Fender-Verhältnisse weit aufgedreht werden, bei Einstellungen um "7" würde der 68 Princeton schon abheben, der 68 Deluxe klingt dann erst richtig nach Fender-Hall. Das Tremolo klingt auch sehr gut und sehr typisch, das "Klopfen" im Leerlauf tritt beim Spielen in den Hintergrund. Ein echtes Röhrentremolo ist halt eine feine Sache.
Der 68 Deluxe klingt voluminös, der Einsatz mit Tele- und Stratocastern mit Singlecoils oder mit einer Gretsch funktioniert sehr gut, Humbucker stärkeren Outputs habe ich noch nicht probiert und auch nicht auf meinen Gitarren. Der erste Einsatz bei einer Bandprobe war überzeugend, ein typischer "Fender Sound", wie er sein muß, nur nicht ganz so schneidend. Der Einsatz bei Sessions verlief ebenfalls positiv, mit einem unverstäkten Schlagzeug im Zusammenhang mit Rock-Oldies, Blues, Country-Rock oder Jazz kann man natürlich locker mithalten. Einige Musiker sind aber durch die zwei Eingangs-Sektionen und die bei erträglichen Lautstärken nicht vorhandene Verzerrung verwirrt, aber dafür wurde der Verstärker extra "pedal-freundlich" ausgelegt, das stimmt auch wirklich.
Der Versuch mit einer WBS Pedal Steel in E9 Stimmung verlief ebenfalls sehr gut. Am linken Eingang angeschlossen, wie üblich bei Pedal Steels die Höhen weit zurück und die Bässe voll auf und schön viel Hall drauf. Und da ist der Sound, wie Pedal Steels in den 60er Jahren geklungen haben. Gut zum Beispiel für alte Neil Young Stücke. Ein moderner, noch klarerer Steel-Sound wird in Bandlautstärke nicht zu erreichen sein, aber das für meinen Einsatzzweck bei kleineren Locations egal. Und - der 68 Deluxe Reverb spart einen Amp - die Steel in einen Kanal, die Tele in den anderen und ab gehts.
Jazzer sollten den 68 Custom Deluxe auch anspielen, falls sie mal von Transistorwürfeln genug haben - bedingt durch die Auslegung des Verstärkers kann man schöne, jazzige Klänge zum Beispiel mit Gitarren der Bauart "ES335" oder mit "richtigen" Jazzgitarren entlocken.
Fazit: Nach anfänglicher Enttäuschung und Angst, einen Fehlkauf gemacht zu haben bin ich von dem Verstärker begeistert. Zu Recording-Zwecken würde ich ihn nicht verwenden, für den Probenraum und natürlich auch für den Einsatz bei Sessions und Gigs in kleinen Kneipen auf jeden Fall. Klingt super und ist noch gut zu transportieren. Nicht umsonst sind Fender Deluxe Reverbs mit "nur" 22 Watt so viel im Einsatz. Vielleicht findet man nach Ablauf der Garantiezeit ja noch Hinweise, welche Kabel man wie verlegen muß um die Störeinstrahlung des Tremolos abzuschwächen.