Zusammenfassung:
Ich habe mir das YDS-120 zum leisen Üben (Fingertechnik) auf einer möglichst authentischen Sax-Mechanik gekauft. Diesen Zweck erfüllt das Instrument hervorragend!
Wenn man sich mit dem Instrument und der App vertraut gemacht hat, macht das Spielen richtig Spaß!
Einschränkungen:
-Mir ist (schmerzhaft) bewußt, dass hier die Klanggestaltungsmöglichkeiten (z.B.: Vibrato) und die Intonation (z.B.: reines Intonieren der großen Terz) wegfallen, die normalerweise mit dem Ansatz möglich sind.
Man bläst in eine Art Sopransax-Mundstück (von der Größe her), es gibt aber kein Blatt und keinen Drucksensor für den Lippendruck.
Das wußte ich vorher und habe daher längere Zeit einen Bogen um das Instrument gemacht. Durch eine Hörproblematik kann ich aber ein "echtes" Sax nur noch sehr kurz von der Lautstärke her "ertragen". Daher habe ich mir dieses Sax dann doch zugelegt und freue mich sehr darüber!
-Das Instrument wirkt etwas zerbrechlich, man sollte es sorgsam behandeln. Zum Transport empfiehlt sich die passende Thomann-Tasche, die ich im Bundle bekommen habe.
- Nach einer Zeit des Spielens und einer kleinen Pause reagiert das Instrument manchmal etwas seltsam, es werden kurzfristig falsche Töne ausgegeben. Hier hilft es, das Mundstück von Feuchtigkeit zu befreien (abmachen und austupfen mit Küchentuch). Man sollte dann auch ganz bewußt und präzise greifen. Nach kurzer Zeit geht es wieder wie gewohnt.
Sounds:
Die Klänge sind vorprogrammiert, einige mit geradem Ton, einige mit Vibrato, das nach einer Zeit eingeblendet wird. Man kann weder die Zeit bis zum Einblenden noch die Frequenz des Vibratos ändern. Ab dem Moment des Einblendens des Vibratos klingt es dann schon sehr künstlich.
Aber das Anblasen klingt insbesondere mit dem Bariton-Sax und Sopran-Sax erstaunlich gut und reagiert auch gut auf den Ablasdruck und die Dynamik. Da ich mit diesem Instrument keine langen Töne aushalte (das mache ich mit dem echten Sax, um den Ansatz zu trainieren), stört mich das aber nicht. Bei Läufen, Arpeggios etc. fällt das nicht auf.
Es lassen sich verschiedene Hall-Programme dazuschalten, die das Ganze räumlicher wirken lassen.
Mechanik:
Pro:
Die Mechanik ist schnell und leise und fühlt sich authentisch an. Alle Klappen sind da, wo man sie erwartet.
Con:
Die Seitenklappen für die linke Hand sind leicht gewöhnungsbedürftig, sie liegen mir etwas zu tief, zu dicht am Korpus. Aber ich konnte mich daran gewöhnen.
Die Oktavklappe ist ein Ein-Aus-Schalter, der etwas weiter oben rechts unter der Taste liegt. Man muss schon ganz bewußt draufdrücken und den Daumen dafür gefühlt etwas weiter schieben als gewohnt. Daher tauchen beim Oktavwechsel bei mir gerne mal falsche Töne auf, wenn ich nicht ganz präzise gegriffen habe.
Lautstärke:
Die Lautstärke der Klänge ist regelbar, selbst mit dem eingebauten Lautsprecher kann man gut (alleine) üben. Über Kopfhörer oder Stereoanlage wird der Klang dann noch voller.
App:
Man sollte unbedingt die App verwenden! Hier lassen sich viele Dinge einstellen, so dass man das Spielgefühl vom echten Sax nachbauen oder ganz bewußt alles viel leichter machen kann. Das kann für Leute mit Atemproblemen interessant sein, da man dann mit viel weniger Luft spielen kann.
Es lässt sich auch die "Fehlertoleranz" beim Greifen einstellen, so dass es für Einsteiger nicht so viele "falsche" Töne gibt. Das Ganze bremst naturgemäß die Reaktionsgeschwindigkeit aus. Wer Saxophon spielen kann, setzt diesen Parameter auf 0 und kann dann auch ganz schnelle Läufe ohne Latenz spielen. Sauberes Greifen wird in dieser Einstellung belohnt, leichte Unsauberkeiten werden hörbar = gutes Techniktraining.
Transponierungen:
Die Transponierungen erfolgen automatisch, d.h. bei Auswahl von Tenor oder Sopran erklingt es in Bb-Stimmung, bei Alt oder Bariton in Eb. Die Synthesizerklänge sind in C programmiert.
Es lassen sich auf den User-Speicherplätzen über die App aber auch die Saxophone in der Transposition ändern. So kann man die Saxophone z.B. auch auf C stellen und aus klingend notierten Noten spielen.
Weitere Klangbearbeitungsmöglichkeiten in der App:
Im Bereich der User-Presets lassen sich die Klänge auch noch weiter anpassen. Mir gefällt gut das Tiefpass-Filter, da ich die Klänge etwas obertonreich / schrill finde. Mit dem Filter kann man das schnell beheben.
Das lässt sich dann als User-Preset direkt aufs YDS übertragen und in der App speichern. Super! Es gibt auch Hochpass-Filter und andere Effekte wie z.B. Flanger, Phaser etc
MIDI-Controller:
Hier wird es richt spannend. Man kann das YDS-120 als reinen MIDI-Controller nutzen und es macht super Spaß, darüber virtuelle Instrumente zu spielen.
Tipp: Schaut Euch mal die SWAM-Instrumente an. Ich habe mir die Flöte und Trompete für iOS gekauft, das läuft sogar noch auf einem alten iPhone 7. Mit einem Kamera-Adapter lässt sich das YDS an das iPhone anschließen und beide Geräte können über den Adapter mit Strom versorgt werden. So kann man die YDS-App verwenden und parallel ein SWAM-Instrument nutzen. Diese Modelling-Klänge sind dann schon viel realistischer und erweitern das Klangspektrum nach Belieben.
Es empfiehlt sich, vor dem Spielen den Mund zu spülen und die Zähne zu putzen, da man das Instrument nicht von innen reinigen kann. Das Mundstück kann man abnehmen und mit klarem Wasser spülen.
Fazit:
Ich habe in den letzten 4 Wochen so viel gespielt, wie fast im gesamten Jahr davor nicht. Wenn man Saxophon spielen kann, kann man sofort loslegen, man gewöhnt sich schnell an die Mechanik. Mir macht das Spielen mit dem YDS-120 richtig Spaß!
Wenn es jetzt noch einen Lippendrucksensor mit Blatt hätte, wäre es perfekt. Für den Preis von 375,- € finde ich es aber ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis!