Kleine Gitarrenkunde E-Gitarre

Kleine Gitarrenkunde E-Gitarre

Wer sich eine E-Gitarre zulegen möchte, der findet sich ganz schnell vor einem schier unüberschaubaren Angebot an Instrumenten und Marken, in dem nicht selten auch fortgeschrittene Musiker den Überblick verlieren.

Aber kein Grund zur Kapitulation: Diese kleine Gitarrenkunde versorgt euch mit den wichtigsten Fakten und mit Basiswissen rund um die E-Gitarre und soll euch als Navigationshilfe durch den Gitarrendschungel helfen. Dabei sollen uns zu Beginn zwei Klassiker begleiten, die quasi als „Urmütter“ nahezu aller moderner E-Gitarren gelten und bis heute das Bild dieser Instrumente prägen, die Fender Stratocaster und die Gibson Les Paul.

Aber zuallererst sollten wir klären, was eigentlich eine E-Gitarre ist, warum es sie gibt und was sie von akustischen Gitarren unterscheidet. Letztere erzeugen ihren Klang akustisch, wie ihr Name schon sagt, und das erfordert normalerweise einen mehr oder weniger großen Klang- oder Resonanzkörper. Der ist bei einer typischen E-Gitarre eher hinderlich oder sogar überflüssig, weil bei ihr die Saitenschwingungen von Tonabnehmern abgenommen werden. Ursprünglich stand dahinter der Wunsch, sich mit der Gitarre in einem Ensemble behaupten zu können.

Fender Mustang III V.2Und so sorgt abhängig von der eigenen Lautstärke bei der E-Gitarre ein Verstärker dafür, dass man gehört wird. Wie laut das ist, bestimmt allein die Leistung des Verstärkers. Aber mit einer E-Gitarre hat man nicht nur die Möglichkeit, lauter zu spielen. Mit Effektgeräten, die entweder zwischen der Gitarre und dem Verstärker positioniert oder in den Amp eingeschleift werden, kann man seinen Gitarrenton auf unterschiedlichste Weise beeinflussen und verändern.


Aufbau und Konstruktion der E-Gitarre           

Nur die vor allem im Jazz eingesetzten Vollresonanz– oder Jazzgitarren – englisch Hollow Body – wie beispielsweise die Gretsch G2420T GD Streamliner haben noch ein ähnliches Korpusvolumen wie eine akustische Gitarre. Aber je lauter die Musik, desto größer wird bei Gitarren mit großem Resonanzkörper die Gefahr von Rückkopplungen.

gibson-es-335-satin-fcDeshalb werden nicht nur im Jazz sogenannte Semiakustik-, Halbresonanz– oder englisch „SemiHollow Gitarren eingesetzt, die zwar auch einen hohlen Korpus besitzen, der aber erheblich dünner ist. Eines der bekanntesten Exemplare ist die Gibson ES-335, die BB King während seiner Karriere spielte. Allerdings verfügte seine „Lucille“ nicht über die üblichen F-Löcher, die für die meisten Voll- und Halbresonanzgitarren typisch sind.

EpiSemi-Hollow-Gitarre Epiphone BB King Lucille Ebony E-GitarreWährend diese beiden Gitarrenarten in bestimmten Stilen eingesetzt werden, hat sich die reduzierteste Form der Gitarre in nahezu allen Musikrichtungen an die Spitze gespielt: Die Solidbody– oder Massivkorpus-Gitarre – volkstümlich auch Brettgitarre genannt – ist die unumstrittene Nummer Eins unter den E-Gitarren und zumindest mit zwei Formen den meisten Musikern bekannt: Die Fender Stratocaster und die Gibson Les Paul erblickten schon Anfang der Fünfziger Jahre das Licht der Welt und sind bis heute die beiden bekanntesten und meist kopierten E-Gitarren überhaupt.

Das erste charakteristische und unverkennbare Unterscheidungsmerkmal der beiden ist ihre Form. Während die Les Paul über einen Korpusausschnitt verfügt, der die Bespielbarkeit des Halses bis in die hohen Lagen erlaubt, besitzt die Stratocaster zwei davon. Die englische Bezeichnung Cutaway findet sich denn auch in vielen Katalogbeschreibungen von Gitarren wieder, die nach der Anzahl der Korpusausschnitte in die Kategorien Single-Cut oder Double-Cut Gitarren eingeteilt werden. Allerdings sagt das lediglich etwas über ihre Form aus und nichts über ihre Ausstattung und sonstige Eigenschaften.

Die beiden Klassiker werden auch aktuell noch in nahezu unveränderter Form gebaut, auch die verwendeten Tonhölzer sind die gleichen und gelten als Standard im E-Gitarrenbau. Während der Korpus der Stratocaster aus Erle oder Esche besteht, nutzt die Les Paul Mahagoni und eine Decke aus Ahorn.

Die Hälse der beiden unterscheiden sich nicht nur in ihrer Zusammensetzung, denn der Hals der Strat besteht in der Regel aus Ahorn mit Palisander- oder Ahorngriffbrett und der der Les Paul aus Mahagoni mit einem Palisandergriffbrett. Sie sind auch unterschiedlich am Korpus befestigt. Während bei der Stratocaster der Hals am Korpus angeschraubt wird, ist er bei der Les Paul fest verleimt. Und last, but not least sind die sechs Stimm-Mechaniken bei der charakteristischen Strat-Kopfplatte in einer Reihe angeordnet, bei der Les Paul sitzen jeweils drei an jeder Seite.

Ein weiteres wichtiges Merkmal, das unsere beiden Protagonisten schon auf den ersten Blick unterscheidet,  ist die Steg-Konstruktion. Bei der Les Paul werden die Saiten in einen separaten, massiven Saitenhalter aus Metall eingefädelt, der in Beschreibungen oft mit dem englischen Begriff Tailpiece bezeichnet wird und vom Saitenzug an zwei im Korpus befestigten Bolzen gehalten wird. Von dort laufen die Saiten zum Steg – auch hier hat sich vielfach die englische Bezeichnung Bridge eingebürgert – wo sie über sechs horizontal verschiebbare Saitenauflagen (Saitenreiter oder Saddles) geführt werden.

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Tune-o-matic

So ist gewährleistet, dass jede einzelne Saite bei Bedarf in ihrer Länge feinjustiert werden kann, um ihre Bundreinheit oder Oktavreinheit, also die saubere Stimmung über das gesamte Griffbrett, zu gewährleisten. Dieser Gibson-typische Steg, der ebenfalls an zwei in der Höhe verstellbaren Bolzen befestigt ist, trägt den Namen Tune-o-matic Bridge und wurde schon 1955 bei der Les Paul eingesetzt und im Laufe der Zeit bei fast allen Modellen der Marke mit feststehendem Steg.

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Tremolo-System

Die Stratocaster dagegen besitzt eine bewegliche Brücke, die aus sechs einzelnen, in der justierbaren Saddles auf einer kleinen Metallplatte besteht, die nur im vorderen Bereich befestigt ist. Damit ist es möglich, mithilfe eines Hebels die Saitenspannung und damit auch die Tonhöhe zu verändern. Bei diesem ausbalancierten System werden die Saiten von der Korpusrückseite her durch einen massiven Metallblock eingefädelt, der quasi als Gegengewicht an Federn hängt, die den Saitenzug ausgleichen. Die gebräuchliche Bezeichnung Tremolo für diese Konstruktion ist eigentlich falsch, denn hier wird nicht die Lautstärke verändert, sondern die Tonhöhe. Daher handelt es sich in Wirklichkeit um ein Vibratosystem.

So haben diese beiden Klassiker mit ihren unterschiedlichen Steg-Konstruktionen, ihren Korpusformen, der Auswahl der Tonabnehmer und den unterschiedlichen Tonhölzern die Konstruktion nahezu aller E-Gitarren der verschiedenen Hersteller geprägt. Das reicht bis zur Mensur, also der Länge der schwingenden Saiten zwischen Steg und Sattel. Auch dort haben sich die 648 mm der Strat und die 628 mm der Les Paul als Standard etabliert.


Tonabnehmer

Während die Original-Stratocaster mit drei Singlecoil-Tonabnehmern bestückt ist, sind es bei der Les Paul zwei Humbucker. Üblicherweise bietet bei E-Gitarren ein Schalter die Möglichkeit, zwischen den Tonabnehmern umzuschalten – der am Hals klingt normalerweise wärmer und voller, der am Steg knackiger und höhenreicher. Volume- oder Lautstärkeregler sowie Tone- bzw. Klangregler gehören ebenfalls zur üblichen Ausstattung.

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Single Coils von Fender

Singlecoil-Pickups sind – wie der Name schon sagt – Einzelspulen-Tonabnehmer. Ihren Klang kann man als brillant und transparent beschreiben, bei der Strat spricht man lautmalerisch vom „Twang“. Einspulige Pickups reagieren in der Regel empfindlicher auf Einstreuungen und Störgeräusche als Humbucker. Wie bei den Humbuckern gibt es auch hier spezielle Modelle für bestimmte Einsatzgebiete von Country bis Rock. Weniger heimisch sind Singlecoils im Jazz oder in Genres, bei denen es auf große Ausgangsleistung und Druck ankommt, beispielsweise im High-Gain-Bereich.

Humbucker
bestehen aus zwei Spulen, ihr Klang ist mittenreicher und kräftiger und ohne die crispen Höhen der Singlecoils. Es gibt sie in den unterschiedlichsten Ausführungen und Leistungsvarianten, ihr Einsatzgebiet reicht von Jazz über Blues bis zu High-Gain-Metal, Stilistiken wie Country oder Funk gehören nicht unbedingt dazu. Konstruktionsbedingt sind sie relativ unempfindlich gegenüber Störungen und Einstreuungen.

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Humbucker von Seymour Duncan

Aktive Tonabnehmer: Beide, also Singlecoil– wie Humbucker-Pickups gibt es auch in aktiver Ausführung. Dort bereitet ein Vorverstärker das Signal auf, bevor es an den Verstärker geschickt wird. Die Vorteile bestehen zum Beispiel darin, dass Störgeräusche eliminiert und Verlusten durch lange Kabel vorgebeugt wird.


E-Gitarren – die Klassiker

Die folgenden vier Gitarrenklassiker gelten als Blaupause für die E-Gitarren aller Hersteller und können als Orientierungshilfe auf dem Weg zur eigenen E-Gitarre sehr hilfreich sein. Die Entscheidung über Strat- oder Les Paul-Style, Singlecoil oder Humbucker, Vibratosystem oder feste Brücke, die verwendeten Tonhölzer und ein Blick auf eure großen Vorbilder sind die wichtigen Wegweiser zu eurer Wunschgitarre.

EpiSemi-Hollow-Gitarre Epiphone BB King Lucille Ebony E-GitarreZwar haben sich spezielle Gitarren in bestimmten Musik- und Spielstilen etabliert und gelten dort als typisch. Aber wie man weiß, bestätigen Ausnahmen die Regel: So tauchen auch Semiakustik-Gitarren bei Rockbands auf – siehe Foo Fighters, oder die Telecaster als Singlecoil-Gitarre im Jazz, siehe John Scofield.

Es kann sich also durchaus lohnen, bei der Suche nach der „richtigen“ Gitarre auch einmal abseits von Klischees zu stöbern.

Fender Stratocaster

Die Stratocaster ist die typische Singlecoilgitarre und Legenden wie Jimi Hendrix, Jeff Beck, Eric Clapton, Yngwie Malmsteen oder Ritchie Blackmore sind ohne Strat vor der Brust nicht vorstellbar.

Der Klassiker ist Vorbild für viele Marken und Instrumente in allen Preislagen, von der Harley Benton ST-62 MN bis zur wertvollen Fender Flamed Mahogany Strat aus dem Custom Shop. Varianten mit unterschiedlicher Pickupbestückung, beispielsweise zwei Humbuckern wie die Fender Standard Strat HH oder einer Kombination aus Humbucker- und Singlecoil-Tonabnehmer wie bei der Ibanez RG350ZB-WK erweitern das Einsatzgebiet einer Strat-Style-Gitarre auch auf Musikrichtungen, die nicht unbedingt dem Strat-Klischee entsprechen.

Fender Flamed Mahogany Strat CC MBDWAllen Strat-Style-Gitarren gemeinsam ist ein obertonreicher, transparenter Klang, ein knackiger Anschlag und der typische „Twang“-Sound. Singlecoil-Gitarren sind in der Regel universell einsetzbar und haben ihre Heimat bevorzugt in Country, Funk, Pop, Blues und Rock. Musikrichtungen, die Druck und einen vollen, runden Ton benötigen wie klassischer Jazz, Heavy Metal oder High-Gain-Rock gehören nicht unbedingt zur Kernkompetenz einer Stratocaster. Aber auch hier gilt: Probieren geht über Studieren und Ausnahmen bestätigen die Regel.

Gibson Les Paul

Epiphone Les Paul Standard Ebony E-GitarreWas die Strat für Singlecoil-Spieler, ist die Les Paul für die Liebhaber von Humbuckergitarren. Sie wird in Blues und im Rock eingesetzt, bis hin zu High-Gain-Metal. Berühmte „Paula“-Spieler wie Slash, Jimmy Page, Zakk Wylde, Pete Townshend, Gary Moore und viele andere haben mit der legendären Gitarre ihren Sound geprägt. Auch die Les Paul ist Vorbild für Generationen von Humbuckergitarren. Ob preiswert als Epiphone Les Paul Standard Ebony oder edel und teuer wie die Gibson Les Paul Collectors Choice – den Klassiker gibt es in nahezu jeder Ausstattung und Preislage.

Gibson Les Paul Collectors Choice #45Humbucker-Gitarren im Les-Paul-Style bieten im Allgemeinen im Vergleich zur Strat einen kräftigen, warmen Ton mit durchsetzungsstarken, druckvollen Mitten. Ihre Stärken spielt sie in Blues und Rock aus, und dort von clean bis High-Gain. Weniger zuhause sind Humbucker-Gitarren in Stilistiken, die einen offenen, höhenreichen und knackigen Ton benötigen wie beispielsweise Country oder Funk. Aber auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel.

Fender Telecaster

Fender Squier Affinity Tele MN BBEin weiterer Klassiker ist die Fender Telecaster, eine Single-Cut Gitarre und keineswegs die kleinere Schwester der Strat. Im Gegenteil, sie war die erste, und aus ihr hat sich die Stratocaster erst entwickelt. Die Tele gilt mit ihren zwei Singlecoil-Tonabnehmer als die Country-Gitarre schlechthin, aber Spieler wie Muddy Waters oder Albert Collins spielten mit ihr den Blues, und Bruce Springsteen, Ron Wood oder David Gilmour zeigen, dass auch Rock mit ihr funktioniert.

Auch hier spannt sich der Bogen von preiswert bis edel, von der Fender Squier Affinity Tele bis zur Fender Archtop Tele Orange. Der Klang von Gitarren im Telecaster-Style ist in der Regel eher höhenbetont und setzt sich im Bandgefüge sehr gut durch. Die Telecaster ist die typischen Country-Gitarre, aber auch drahtige Funksounds oder angezerrte Blues-Klänge gehören zu ihrer Stärke.

Gibson SG

Gibson SG Standard 2015 TBKWie die Tele zur Strat steht die SG als Double-Cut Gitarre zur Les Paul, allerdings ist sie nicht die ältere Schwester, sondern die jüngere. Im Gegensatz zur Les Paul fehlt ihr die Ahorndecke und sie besteht nahezu komplett aus Mahagoni, auch der Hals. Lediglich für das Griffbrett kommt Palisander zum Einsatz. Angus Young von AC/DC hat mit der SG den Sound der Band geprägt, und denkt man an Frank Zappa, Tony Iommi von Black Sabbath oder Ritchie Sambora, dann ist die SG unweigerlich mit im Bild. SG-Style Gitarren gibt es in vielen Variationen, sogar mit Tremolo wie bei der Ur-SG, die in der Gibson Sg Standard Reissue Vos Trem wieder auflebt. Aber auch wer es preiswert mag, muss auf das Besondere nicht verzichten, wie die Epiphone LP Black Beauty beweist, die sogar mit drei Humbuckern bestückt ist.

Der Klang von SG-Style Gitarren ist im allgemeinen Humbucker-typisch druckvoll und warm, aber die reine Mahagoni-Konstruktion sorgt für einen etwas schlankeren Ton und eine direktere Ansprache. SG-Gitarren sind damit sehr durchsetzungsstark und überwiegend im Rock und dort im verzerrten Metier zu Hause. Nicht nur für viele SG-Spieler ist sie die klassische Rock-Gitarre überhaupt.

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Meon ist Gitarrist und Blogger. Er arbeitet seit 7 Jahren bei Thomann und ist permanent von Musik, Musikern und Instrumenten umgeben.

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