Shredding-History: E-Gitarre

Shredding-History: E-Gitarre

Willkommen zu unseren #ThomannShredDays. Eine Woche dreht sich alles um – na klar – das Shredden. Nicht nur hier auf unserem t.blog, auch auf unserer Facebookseite findet ihr fette Shredding-Inhalte und Deals. Schaut doch mal vorbei! ???

Shredding nennt sich eine Spieltechnik auf der Gitarre, die seit ihrem Aufkommen die Geister immer wieder spaltet. Sie äußert sich recht spektakulär in sehr schnellen Sololäufen und bietet damit dem einen oder anderen auch die willkommene Gelegenheit, die eigenen technischen Fähigkeiten entsprechend in Szene zu setzen. Solange die Show nicht zum Selbstzweck verkommt, ist das eine schöne Sache. Denn das, was wir heute als Shredding bezeichnen, hat eine lange Geschichte und ist seit Jahrhunderten etabliert. Schaut man sich allein die Gilde der Gitarristen an, die sich in den vergangenen Dekaden diesem Thema widmeten, dann fehlt kaum einer der großen Namen der Rock’n’Roll-History.

Einen kurzen geschichtlichen Abriss über diesen Trend im Gitarrenspiel soll der heutige Blog liefern und man möge mir verzeihen, dass ich den einen oder anderen Hero unerwähnt lassen muss, um den Rahmen nicht zu sprengen.



Ursprung

Was heute die „Shredder“ sind, war besonders in der Romantik noch der erlesene Kreis der Virtuosen, und die gab es auf diversen Instrumenten. Nehmen wir beispielsweise Franz Liszt auf dem Klavier oder Niccolò Paganini auf der Geige, um nur zwei Namen dieser Epoche zu nennen. Extrem hohe technische Finesse hatte schon immer eine besondere Anziehungskraft auf das Publikum und war sie für den Zuhörer nicht mehr nachvollziehbar, unterstellte man den Künstlern auch gerne mal einen Pakt mit dem Teufel. Und das galt nicht nur für die klassische Musik, auch im Blues sagte man z. B. dem Gitarristen Robert Johnson aufgrund seiner herausragenden Fähigkeiten nach, seine Seele an den Teufel verkauft zu haben – bis heute ein sehr beliebtes Bild in Film und Literatur.

Robert Johnson

Robert Johnson

Und eine weitere Gitarristen-Legende sorgte vor allem in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts für Furore: Django Reinhardt. Der Erfinder des Gypsy Swing setzte schon damals perfekt und ganz selbstverständlich auf Spieltechniken, die heute als Sweeping oder Speed Picking zum unverzichtbaren Arsenal jedes Shredders gehören.

Einen ganz besonderen Stellenwert sollte das Virtuosentum jedoch erst wesentlich später in der Entwicklung der E-Gitarre nehmen.

 

Die Guitar Heroes in Epochen

Die 50er:

Angesichts der Tatsache, dass die E-Gitarre eigentlich erst in den 50er Jahren richtig populär wurde und die Rockmusik noch in den Kinderschuhen steckte, wundert es nicht, dass die erste Gilde der Shredder sich damals primär aus Jazzgitarristen rekrutierte, darunter solche Namen wie Charlie Christian, Joe Pass oder Lester Polsfuss (alias Les Paul). Sie waren an Virtuosität und Musikalität ihren Zeitgenossen weit überlegen, insbesondere den Instrumentenkollegen im Rock- und Popbereich, wo wir auf Namen wie Chuck Berry oder Buddy Holly treffen.

 

Die 60er:

Erst in den 60er Jahren erlebte die E-Gitarre einen deutlichen Aufschwung, als Eric Clapton, Jeff Beck und Jimi Hendrix auf der Bildfläche auftauchten und das Instrument in ein sehr starkes persönliches Ausdrucksmittel verwandelten. Auch technische Entwicklungen gewannen immer mehr Einfluss auf den Musiksound, nicht zuletzt durch die Entwicklung von Röhrenamps, Boostern und Fuzz, die einige Spieltechniken deutlich erleichterten.

Doch selbst hier sind wir noch weit davon entfernt, von „Shredding“ zu reden. Das sollte sich aber schon zu Beginn der nächsten Dekade ändern!

 

Die 70er:

Die 70er Jahre waren in vielerlei Hinsicht ein Jahrzehnt, in dem sich Genres überlagerten, diverse Musikstile miteinander vermischten und sich beispielsweise durch die Verknüpfung von Klassik und Rock eine Rückbesinnung auf das klassische Virtuosentum ergab.

Am deutlichsten ist das bei Ritchie Blackmore zu hören, dessen Arpeggio-Eskapaden und schnell gepickten Läufe seiner Zeit weit voraus waren und der wohl als erster im Sinne dessen, was man heute unter einem Shredder versteht, in die Gitarrengeschichte eingehen darf.

Auch kam eine Musikrichtung auf, die Jazz und Rock elegant miteinander verband und die Bezeichnung Fusion erhielt. Sie brachte diverse technische Virtuosen wie Al Di Meola, John McLaughlin oder natürlich den jüngst verstorbenen Allan Holdsworth hervor.

Den stärksten Shredding-Boom und das erste Auftreten des Begriffs „Shredding“ kombiniert mit weitreichenden technischen Neuerungen auf der Gitarre sollte jedoch Eddie van Halen Ende der 70er und Anfang der 80er auslösen.

Eddie war nicht nur ein Pionier hinsichtlich der Spieltechnik, die Tapping, Legatoläufe und irrwitzige Sound-Stunts vereinte, sondern genau genommen auch ein Revolutionär in Sachen Sound-Entwicklung. So kam er als erster auf den Gedanken, einen Humbucker in einen Stratkorpus zu bauen, experimentierte mit der Spannung seines Amps, um mehr Gain herauszukitzeln, und war maßgeblich an der Popularität des Floyd-Rose-Tremolos beteiligt.


Die technische Entwicklung erlaubte nun den Einsatz diverser Effektpedale, und da die Amps mehr Verzerrung lieferten, prägten diese Innovationen den Musikstil enorm.  Und wie bereits erwähnt erlaubt ein höheres Gainsetting und die damit verbundene Kompression auch, dass Spielweisen wie Legato, Sweeping und Tapping im wahrsten Sinne des Wortes leichter von der Hand gehen.

 

Die 80er

Boomzeit: Im Fahrwasser von Eddie Van Halen, sprossen Shredder wie Pilze aus dem Boden!

Zu nennen wären hier Randy Rhoads und Yngwie Malmsteen, die das neoklassizistische Erbe Blackmores weitertrugen und dabei einen ganz eigenen Sound prägten. Insbesondere Malmsteen, der mit seiner unfassbaren Pickingtechnik bis dato wohl unerreicht ist, machte die Musikwelt auf ein Label aufmerksam, das untrennbar mit dem Begriff  Shredding in den 80er Jahren verbunden war, nämlich „Shrapnel“.

Labelchef Mike Varney nahm es sich zum Ziel, die virtuosesten Gitarristen des Planeten unter Vertag zu nehmen und stellte diese auch in seiner monatlichen Kolumne im „Guitar Player“-Magazin vor. Zu seinen Zöglingen gehörten neben Yngwie auch Paul Gilbert, Ritchie Kotzen, Tony Mc Alpine, Jason Becker, Frank Gambale und viele mehr.


Viele Musiker empfanden diesen Shredder-Boom jedoch als sehr langweilig und austauschbar. Umso erfrischender wurden Gitarristen wie Steve Vai und Joe Satriani wahrgenommen, die neben ihrer Virtuosität auch noch eine hohe Sensibilität für melodiöses Spiel, interessante Kompositionen und Spielwitz bewiesen.

 

Die 90er:

Zu Beginn der 90er schien die Vorherrschaft der „Fuddel“-Gitarristen zu Ende zu gehen, denn mit „Smells like teen spirit“ und dem sogenannten „Grunge“ wurde eine neue Epoche des Rock eingeläutet. Hier ging es wieder um die pure, energetische Gitarre und gutes Songwriting und nicht mehr um hochglanzpolierte, schnelle Skalenläufe.

Doch selbst im Zuge der „Seattle-Dominanz“ hielt eine Band die Shredding-Fahne hoch: Dream Theater mit dem Gitarristen John Petrucci, der durch seine unfassbar präzisen und schnellen Pickingläufe die Gitarrenwelt aufhorchen ließ.

 

2000er bis heute:

Viele dachten damals, dass nun das Ende der Fahnenstange erreicht ist und die technischen Möglichkeiten des „Shreddings“ ausgeschöpft seien. Das änderte sich allerdings, als mit Guthrie Govan der jüngste Vertreter der Virtuosengilde auf den Plan trat. Das Besondere an Govans Spiel ist neben seiner technischen Finesse vor allem sein hohes Maß an Geschmack und tiefem Verständnis für die musikalische Gesamtsituation, gepaart mit einer unglaublichen Flexibilität, was ihn deutlich von vielen Shredgitarristen unterscheidet.

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Mehr Informationen

Es bleibt abzuwarten, was dieser neue „Game-Changer“ noch hervorbringen wird und welche Gitarristengemeinde er hinter sich vereinen kann, denn allen Shreddern ist gemein, dass sie zu ihrer Zeit einen sehr großen Einfluss auf die jüngere Generation ausübten und viele Kids zum Gitarrenspiel bewegen konnten, was unter dem Strich ein durchaus begrüßenswerter Effekt ist – man darf also gespannt sein!

Shred-Werkzeuge findet ihr unter diesem Link im Shop. 😉


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Meon ist Gitarrist und Blogger. Er arbeitet seit 7 Jahren bei Thomann und ist permanent von Musik, Musikern und Instrumenten umgeben.

3 Kommentare

    Django Reingardt ist für Shredding-Fans ebenso sehr empfehlenswert. Für die 1930er und 1940er Jahre war er seiner Zeit wirklich voraus.

    Toller Artikel. Dass Les Paul und Co. Chuck Berry und Co. aber in Musikalität übertrafen dürfte bei so subjektiven Begriffen allerdings zu eher hitzigen Debatten führen :D…
    Glaube mit „technischer Finesse“ könnten da alle besser leben.

    Trotzdem, schöner und toll geschriebener Überblick!

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