5 Bläserklischees …

5 Bläserklischees …

Unser Gastautor Philipp ist leidenschaftlicher Posaunist und hat uns die fünf größten Klischees von Bläsern verraten:


Gestern Abend noch im Orchester bei Dvoraks 9., heute im Bierzelt beim böhmischen Traum, morgen in der Jazzcombo – wir Bläser sind in vielen Genres daheim, aber würden uns niemals für die Anzugfraktion verstellen. Wir sind eben, was wir sind – what you see is what you get – und vielleicht gibt es genau deswegen auch so viele Klischees über uns. 

1. „Diese Stelle bitte etwas lauter spielen!“ sollte niemals zu einem Posaunensatz gesagt werden
Die älteste überlieferte Geschichte stammt wohl aus dem alten Jericho (siehe Bibel) – schon dort wurden mit Posaunen Mauern eingerissen. Und ja, auch über 2000 Jahre später hat sich daran nicht viel geändert: Die Posaunen lieben es, mal richtig Gas zu geben. Wo die Balance bei zu wenigen Streichern im Orchester gerne bei der angegebenen Dynamik schon nicht mehr passt, ist der Hinweis vom Dirigenten etwas lauter zu spielen auch mal tödlich. Der Schalltrichter zeigt nach vorne, der komplette Strahl kann direkt in Richtung Publikum raus. Und wenn dann tatsächlich in Jericho-Forte gespielt wird, kann es gut sein, dass es neben den Posaunen selbst nur noch die Schlagwerker auf den Stühlen gehalten hat. Warum? Weil sie das Glück haben, im Orchester dahinter zu sitzen. ?

2. Saxophonisten sind alle verkannte Jazzer
Blanker Unsinn und trotzdem ist ein (im positiven Sinne) Fünkchen Wahrheit dran. Erstmal sind die Genres, in denen du dich mit deinem Tenor, Es-Alt oder Bariton bewegst, mittlerweile dermaßen unterschiedlich, dass diese Behauptung nicht mehr stimmen kann. Klar, dein Instrument wurde als allerletztes der aktuell üblichen Bläserfamilie 1842 „erfunden“ und zunächst in Militärkapellen eingesetzt. Als die GIs swingten, waren es eben zunächst die Jazz- und Swing-Kapellen, die diesem Instrument seinen unvergleichlichen Charakterstempel aufsetzten. Doch mittlerweile reicht die Literatur von besagtem Jazz über Blasmusik bis hin zu orchestralen Solostücken. Und du lieferst wie jeder andere exakt das, was im jeweiligen Genre gefordert wird. Wenn Jazz als Vielseitigkeit verstanden wird, dann bekennst du dich gerne dazu. Und wenn ein Fünkchen Swing erlaubt ist, spielst du deine Achtel auch gerne so.

3. Trompeter sind die Saubermänner des Orchesters
Du denkst so lange, dass die Holzbläser ihre Instrumente am intensivsten pflegen, bis du in einer Orchesterprobe mal auf die Trompeter achtest. 100 Takte Pause? Grund genug für die Jungs und Mädels ihre Instrumente so kleinteilig zu zerlegen, wie du es bisher noch nicht mal beim Instrumentenbauer gesehen hast. Hier ein Tropfen Öl, da ein bisschen Polieren – schließlich soll die Trompete beim Konzert am Wochenende richtig gut laufen und glänzen! Bleibt nur zu hoffen, dass bis zum nächsten Einsatz in der Probe wieder alle Schrauben und Züge an der richtigen Stelle sind. ? Hier geht’s zu den Pflege- und Reinigungsmitteln.

4. Bläser sind die treusten K&M-Kunden
Mit Noten- und Instrumentenständer ist es noch lange nicht getan. Der geneigte Bläser benötigt mindestens noch einen Getränkehalter, eine Notenpultleuchte und einen zusätzlichen Mappenhalter am Ständer. Manchmal schaut ihr auch zu zweit in ein Pult und doppelt das Zubehör auf. Im Orchester oder der Bigband sind Dämpferhalter und Ablagen beliebt – es ist halt einfach schön, alles im Blick und im Griff zu haben. Bei so manchen tummelt sich im Notenständer-Zubehörwald sogar Aschenbecher, Handy- oder Tablethalter – der Phantasie sind (fast) keine Grenzen gesetzt.

5. Wer übt, fällt den anderen in den Rücken
Eine Portion Selbstbewusstsein gehört einfach mit dazu. Ohne das würdet ihr euer Instrument vermutlich auch deutlich leiser spielen. Aber man kann’s auch übertreiben. So mancher Orchestermusiker mag keine Proben, weil er oder sie ja angeblich ohnehin schon alle Passagen kann. Und wenn’s nicht klappt, liegt es automatisch an den anderen. Oder am Dirigenten, der mit den beiden Stöcken wild durch die Gegend fuchtelt. Insgeheim weiß aber jeder, dass die Gesamtproben unumgänglich sind. Mag sein, jeder einzelne hat seinen Teil der Partitur perfekt drauf. Aber eben nur nach ganz eigenem Empfinden und individueller Interpretation. Und das bedeutet zugleich, dass unterschiedliche Empfindungen auf einander treffen und punktgenau aufeinander abgestimmt werden müssen. Erst in der Gemeinschaft entsteht das große Ganze. Wie groß oder klein auch immer das Orchester oder die Band ist. Wenn ihr alle an einem Strang zieht, werdet ihr dieses unvergleichliche Gefühl erleben, dass sich plötzlich alles in Harmonie und Geschwindigkeit im Gleichklang befindet. Sind doch die tollen Augenblicke, für die wir Musiker leben. Also: Kantine und Pizzeria können warten, bis nach der Probe alles rund ist. Umso besser wird’s euch schmecken, umso einfacher könnt ihr euch von diesem selbstgesteckten Klischee verabschieden.

Fazit:
Wie so oft bei Klischees, steckt überall auch ein bisschen Wahrheit drin. Aber natürlich ist der vorbildliche Trompeter auch in der Probe pünktlich bereit, seinen Einsatz nach x Takten Pause perfekt abzuliefern – in Profiorchestern sowieso, sonst ist man weg vom Fenster. Und natürlich kann ein guter Posaunensatz mit entsprechendem Ansatz auch leise spielen. Ein Funken Jazz unserer Saxofonisten hat uns noch nie gestört und vor allem, wenn es um ein anspruchsvolles Programm geht, setzt sich jeder von uns gerne daheim ein paar Stunden hin – weil es sich einfach viel befreiter spielen lässt, wenn man nicht erst in der Gesamtprobe oder gar Generalprobe vom Blatt lesen muss. In dem Sinne: Bläser, bleibt wie ihr seid und habt weiterhin so viel Spaß am gemeinsamen Musizieren! Hat die letzten Jahrhunderte ja auch schon ganz gut geklappt! 😉

Trompeten-Workshop mit Wayne Bergeron

Danke für diesen Beitrag, Phil! Allen Blechbläsern möchten wir hier noch unseren Workshop mit dem Weltklasse-Trompeter Wayne Bergeron ans Herz legen: Am 07. März um 19:00 Uhr im Thomann-Amphitheater, Anmeldungen an workshop@thomann.de. Eintritt frei!

–> Alle Informationen finden Interessierte in unserem Eventkalender unter diesem Link!
–> Hier geht es zu allen Produkte aus dem Bereich Blasinstrumente auf thomann.de!

Kennt ihr noch weitere Klischees? ???
Wir freuen uns auf eure Kommentare!

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Meon ist Gitarrist und Blogger. Er arbeitet seit 7 Jahren bei Thomann und ist permanent von Musik, Musikern und Instrumenten umgeben.

6 Kommentare

    klasse geschrieben. Ist viel wahres dran.

    Vielen Dank Silke, das gebe ich gerne an Philipp weiter.

    LG, Meon

    Also ich muss ehrlich sagen, dass man bspw. Punkt 1 auch zu keinem Trompeter sagen darf. Ich spiele selbst in mehreren Orchestern, ujd wenn es heißt die Trompete könnte ein bisschen lauter spielen, eskaliert es gleich :’D
    Ich bin selbst Trompeter, und weiß wovon ich spreche.

    Auch bei Punkt 3 trifft es in keinem Orchester, indem ich mitspiele, zu. Klar ich poliere meine Trompete auch, allerdings zu Hause. Und Ordnung halten die Meisten Trompeter/Flügelhornisten auch nicht. Wenn ichir da so die Notenmappen anguck… Naja, man denkt dann zumindest nicht seine eigene Mappe wäre schlimm 😉

    Bei Punkt 4 kann ich dir nur zustimmen. Als ich es gelesen habe, musste ich an mein Muikerarsenal denken. Habe abgesehen von einem Noten- und Trompeten-/Flügelhornständer noch eine extra Ablage für den Notenständer, einen Getränkehalter und zwei weitere Trompetenhalter, den man noch an den Notenständer montieren kann. Natürlich alles von K&M, von was azch sonst.

    Punkt 5 trifft auf fast alle zu, denke ich 😛

    ? Danke für deinen Kommentar, Philippus.

    So vieles davon schon selbst erlebt. Bis auf das Zerlegen der Trompete, das hat bei uns noch nie jemand gemacht. Aber gerade die Geschichte mit den K&M-Produkten…(leider) wahr, super Beitrag!

    „5. Wer übt, fällt den anderen in den Rücken“

    Meine Erfahrung in Amateur-Orchestern ist, dass die Kolleg*innen sehr dankbar sind, wenn ich Stellen, wo alle in der ersten Probe unsicher waren, in den folgenden Proben sicher und überzeugt spiele, da ich sie „heimlich“ geübt habe. Die anderen können sich „anhängen“ und ein bis zwei Proben später haben alle die Stelle sicher im Ohr.

    Macht doch sicher mehr Spaß, als immer zu „schwimmen“ und beim Auftritt die Nerven und die Stelle ganz zu schmeißen?

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