Bandinterview: The Senior Allstar

15.01.2017
Interview und Musikvideo mit The Senior Allstar

Haastattelu

Seit mehr als 15 Jahren widmet ihr euch der instrumentalen Form jamaikanischer Musik. Reggae - Jazz - Dub. In der Jugend gerne Bob Marley gehört, immer schon von Jamaika geträumt, oder woher kommt bei euch das Faible?

Thomas: Zu Reggae oder auch Dub kann man ja auf verschiedensten Wegen kommen. Bei mir sah der so aus: Britischer Ska (The Specials) > jamaikanischer Ska der 60er (Skatalites) > Rocksteady und Reggae > Dub. Bob Marley spielte also keine wichtige Rolle bei der musikalischen Sozialisation.

Arne: Die Reihenfolge sah bei mir ganz ähnlich aus. In Sachen Bob Marley gab's bei mir allerdings einen kleinen Unterschied: In unserer örtlichen Asi-Disko wurde regelmäßig "Could You Be Loved" als Quoten-Reggae gespielt. Nach außen hin tat ich so, als fände ich's wie alle anderen auch überflüssig, aber insgeheim mochte ich's dann doch...

Markus: Hab' in meinen Musikentdecker-Jahren fast ausschließlich Jazz, also eine vorwiegend instrumentale Musik, gehört, dann aber als Musiker nach den üblichen Schülerband-Experimenten hauptsächlich Reggae und Ska gespielt. Die beiden Stile haben sich also fast zwangsläufig verknüpft. Als Musiker fällt es einem da oft leichter Genre-Grenzen zu ignorieren.


[B]Der Bandname bedeutet für euch...
a) Senioren wussten schon Jahre zuvor, was heute im Trend sein wird?
b) Senioren sind die einzig wahren Trendsetter?
c) Wegen der guten Pflege, sind die Allstars immer noch wie neu![/B]

Thomas: Ich nehme c) und ergänze: Weil wir uns immer weiterentwickeln, machen wir auch als alte Säcke noch frische Musik.

Markus: Wenn der Name auch einen anderen Ursprung hat, so nehme ich auch c). Senior zielt auch nicht so sehr auf das Alter der Band ab, sondern mehr und mehr zur Beschreibung dessen, dass man weiß, was man tut, wenn man Dinge auf diese oder jene Weise tut. Der Background wächst einfach.


[B]Ich finde, dass eure chilligeren Lieder sich ziemlich gut zum autogenen Training anbieten. Wenn ich mich abends nach einem erfolgreichen Tag in meinen Lieblings-Sessel setze, meine Kopfhörer aufsetze, eure Musik abspiele und dann die Augen schließe, was sollte ich mir dann im besten Fall vorstellen können?

Thomas: Im besten Fall uns vier auf der Bühne! Muss ich grad dran denken, weil ich mir einen neuen Kopfhörer gegönnt habe - da hörst du dann Arne links stehen und Orgel und Clavinet spielen, rechts Markus mit Gitarre und Fender Rhodes... Wir würden dir aber auch noch schönere Bilder gönnen ;-)

Markus: Schön, dass du erfolgreiche Tage hast. Vielleicht kann eine Musik, wie wir sie machen, eine Art akustische Glocke sein, in der man, getriggert von dem Titel des Stücks (What Do You Need, Checkpoint etc. pp.) mal rechts, mal links, mal in die Ferne hört und schweift. Ein begehbares Bild. Diese kommunikative Musikerfahrung unterscheidet uns ja grundsätzlich von klassischen Songs, die ja oft nur verkünden. Das nennt man dann die "Message".


Die Mehrheit eurer Songs entsteht womöglich durch den stundenlangen Jam?

Thomas: Nicht wirklich. Der Ausgangspunkt ist fast immer ein "Demo" von Markus, unserem Songschreiber und musikalischen Mastermind. Die Basslinien zum Beispiel sind bei ihm meist der Anfang von allem, ich glaube, deswegen sind die auch so gut! Durch das Spielen im Proberaum ergeben sich dann weitere Aspekte wie Liedenden, besondere Stellen etc.

Markus: Tatsächlich besteht das Fundament aus einer vorbereiteten Komposition. Was man dann aber letztendlich auf einer unserer Platten hört, entsteht dann wiederum beim Musizieren und Spielen mit dem angebotenen Material. Live kommt dann noch eine gehörige Portion Improvisation dazu, die ja auch nur dann wirklich funktioniert, wenn man weiß, auf welchem Gelände man sich bewegt. Um mit Rudi Carell zu sprechen: "Um etwas aus dem Ärmel zu schütteln, muss man vorher etwas hineingesteckt haben."


Welches Equipment nutzt ihr und wie erzeugt ihr die ganzen Effekte mit dem Schlagzeug?

Markus: Vereinfacht gesagt benutzen wir Equipment, das entweder tatsächlich aus den 70ern kommt, oder zumindest zu der Zeit schon existiert haben könnte. Wir mögen einfach den Sound und den Druck dieser alten Dinger. Gleichzeitig setzen wir uns einen klanglichen Rahmen, den wir dann immer wieder mit kreativem Effekteinsatz und unorthodoxen Spielweisen zu überschreiten suchen.

Arne: Man verbringt auch tatsächlich viel Zeit beim Durchstöbern irgendwelcher Kleinanzeigenportale im Internet, dem Antesten sowie dem Hin- und Herschicken der erworbenen Schätzchen. Das Kaufen jahrzehntealter Effektgeräte oder Instrumente ist ja eigentlich ein Randaspekt des Musikmachens, aber macht dennoch auch viel Spaß. Fundament meines Live-Equipements sind mein Hohner-Clavinet und eine Korg-CX3-Orgel.

Thomas: Zum Schlagzeug - ich bin auf der einen Seite Fan von Reduzierung. Das bedeutet bei mir Bass Drum, Snare, Hi-Hat, ein Crash-Becken, ein Tom, eine Timbale. Durch unseren "selbstgesteuerten Dub" ist das Drumherum allerdings in den letzten Jahren deutlich mehr geworden. Ein Sampling-Pad, zwei Extra-Mikros zusätzlich zur normalen Konzert-Mikrofonierung sowie diverse Delays, Hall, Phaser... Für das Erzeugen der Drum-Effekte sollte man unbedingt mal den Blog des Frankfurter Drummers Oli Rubow besuchen (olirubow punkt de), der hat mich da sehr inspiriert...


Kommen wir zurück zum Thema Jamaika. Wie steht ihr zur "Legalize it"-Bewegung?

Thomas: Ich finde auf jeden Fall, dass Pyrotechnik in einem bestimmten Rahmen erlaubt sein sollte. Das meinst du doch? Im Ernst - wir erfüllen ja nur wenige Reggae-Klischees und haben auch mit "Legalize it" wenig am Hut. Ich trinke lieber einen Gin Tonic. Lustig fand ich, dass gleichzeitig zur Wahl von Trump in Kalifornien der Besitz von Marihuana legalisiert wurde.

Arne: Als uns letztens in einem Club "grünes Catering" angeboten wurde, waren wir angeblich die erste Band, die nichts wollte...


Euer Musikvideo "More Dan Dat" ist wie ein gemütliches Spaceshuttle zum nächsten Planeten: Voll mit Farben und Motiven, die sich groovig und psychedelisch im warmen Sound zudecken. Welche Bilder kommen euch bei dem Track?

Thomas: Die blinkenden Lichter sind übrigens meine Schlagzeug-Effekte, über die wir oben schon sprachen. Du hast "More Dan Dat" schon gut beschrieben - es ist ein für unsere Verhältnisse sehr psychedelischer Track. Und das Handgemachte sollte auch vorkommen, deswegen die Studiobilder...

Markus: In der Frage schon sehr schön beschrieben. "More Dan Dat" kann man als Frage und auch gleichzeitig als Vorausschau sehen. Die uralte Frage der Menschheit ob es jenseits unserer Welt noch mehr gibt. Sei es physisch oder metaphysisch.


Oftmals spielt ihr zusammen mit Dub Spencer & Trance Hill und Umberto Echo. Wie habt ihr zueinander gefunden?

Thomas: Umberto Echo hat auf zwei unserer Alben Dubs beigesteuert. Und die gemeinsamen Konzerte haben sich eher zufällig ergeben. Ich glaube, wir mögen uns gegenseitig! Und ich finde es faszinierend, dass wir einerseits verwandte Musik in fast derselben Besetzung machen, andererseits aber musikalisch doch komplett unterschiedlich sind. Deswegen passt das auch gut zusammen!

Arne: Inzwischen ist es wirklich schon so, wie wenn man alte Freunde wieder trifft. Kann mich an keine Minute erinnern, in der uns die Themen im Backstage ausgegangen wären. Das sind uneingeschränkt liebenswerte Jungs!

Markus: Ich denke wir haben uns längere Zeit aus der Ferne beäugt und sind dann immer näher aufeinander zugegangen, um uns besser sehen zu können. Irgendwann standen wir uns gegenüber und haben uns die Hand geschüttelt und auf die Schultern geklopft.


Kaum jemand kann heutzutage noch vom CD-Verkauf leben. Glaubt ihr trotzdem noch daran?

Thomas: Nein, an die CD glauben wir nicht (mehr). Unser nächstes Album wird es ausschließlich auf Vinyl und als Download/Streaming geben! Ich würde mich freuen, wenn Musik für mehr Menschen einen so großen Wert hätte, wie für die, denen wir begegnen und für uns selbst. Das soll aber kein Jammern sein. Umberto Echo sagte dazu sinngemäß: Selbst schuld, wenn man sich in die Nische der Nische begibt... Ich mag an den Senior Allstars, dass wir zu 100% das machen, was uns selbst gefällt.

Markus: Mit CD-Verkauf ist wahrscheinlich das generelle Wirtschaften mit Musik gemeint. Das ist für den Einzelnen tatsächlich immer schwieriger geworden. Zwar ist der Bedarf noch gestiegen, jedoch die Anzahl der Quellen/Musikproduzierenden noch mehr. Hinzu kommt, dass sich zwischen Hersteller und Konsument immer mehr Instanzen schalten, die nicht säen, aber ernten. Und das ist jetzt mal ganz neutral gesprochen.


Der Winter rückt näher und wir müssen uns mit Erinnerungen wärmen. Welche Festivals habt ihr dieses Jahr besonders ins Herz geschlossen?

Thomas: Wir 2016 haben leider nur Wenige gespielt. Aber das "Lazy Dub" in Bochum war total nett. Und das Beste: 2017 sind wir da wieder, das steht jetzt schon fest.

Arne: Es gibt eben Festivals, auf denen einem das Gefühl gegeben wird, dass sich alle Beteiligten freuen, dass man dabei ist. Und das war dort im besonderen Maße so.

Markus: Das "Lazy Dub" hat seinem Namen wirklich Ehre gemacht.


Bei den ganzen Effekten, die ihr benutzt, wird mir fast schwindelig. Wie managed ihr eigentlich euren Kabelsalat? Die drei besten Tipps und Tricks von Profimusikern lauten...

Thomas: Also ich hab mir ganz spießig einen Koffer bauen lassen für meine Effekte. Mein Cousin ist Hard-Rock-Gitarrist und wies mich darauf hin, dass ich als Drummer mehr Effekte nutze als er...

Markus: Da alles mit Knöpfen, Batterien und Kabeln funktioniert, managed man das nie so richtig. Aber das ist ja gerade das Kreative daran. Ist der eine Effekt kaputt, nimmt man einen anderen aus der Kiste. Ansonsten ist es natürlich schon ganz gut, sich ein gewisses Standard-Setup auf ein Board zu schrauben. Vor allem, um Auf- und Umbauzeiten zu verkürzen.

Arne: Nach den vielen Konzerten, die wir hinter uns haben, kann man seinen Kram eigentlich schon fast blind verkabeln. Treffen wir uns aber nach längeren Proben- bzw. Konzert-Pausen wieder im Probenraum und mein Clavinet gibt keinen Ton von sich, kann die Fehlersuche schon mal eine Kaffeelänge dauern...


Gibt es schon Pläne für 2017?

Thomas: Ein neues Album im März 2017! Dazu natürlich Konzerte. Und Geheimplanungen, die hier noch nicht preisgegeben werden können. Wird gut!


LINK: c-tube Profil von THE SENIOR ALLSTARS