Ich habe die Lautsprecher nach langem Hin und Her (Neumann 310 vs. A77H vs. A8H) als neue Hauptabhöre für mein Studio gekauft. Nach einer Woche Nutzung kann ich nun sagen, dass ich den Kauf absolut nicht bereue. Außerdem habe ich eine interessante Erfahrung gemacht.
Ich bin von den KRK Rokit RP8 G4 auf die A77H umgestiegen. In dieser Preiskategorie war das also ein ordentliches Upgrade. Dementsprechend waren meine Erwartungen hoch. Als die neuen Boxen ankamen, habe ich natürlich sofort einen A/B-Vergleich gestartet – so gut, wie es platztechnisch eben möglich war. Mein Raum ist akustisch behandelt. Ich habe Sinus-Sweeps bzw. den Frequenzgang getestet, bekannte Songs und eigene Produktionen gehört und den Sweet Spot verglichen.
In der ersten Stunde, muss ich ehrlich zugeben, war mein Eindruck eher bescheiden, vielleicht sogar etwas enttäuschend. Die A77H klangen zwar keineswegs schlecht, und auch die klanglichen Unterschiede waren sofort hörbar (vor allem im Low-End-Bereich), aber bei diesem Preisunterschied hatte ich mir doch ein umwerfenderes, sofort überzeugendes Gesamtklangbild erwartet. Ich konnte mir nicht verkneifen zu denken, dass es schon sehr beeindruckend ist, wie gut ein KRK Lautsprecher für ca. 250 € pro Box klingen kann. Meine Angst, dem oft übertriebenen Marketing der Audio-Branche zum Opfer gefallen zu sein, hat sich schlussendlich jedoch nicht bewahrheitet. Adam Audio wirkt in meinen Augen manchmal ein bisschen so … Made in China etc.
Dieser "negative" erste Eindruck verschwand allerdings ziemlich schnell. Bereits am zweiten Tag der Nutzung und viel Zeit vor den Lautsprechern waren meine Zweifel verflogen. Zwar denke ich immer noch, dass der Klang der KRK für den Preis absolut in Ordnung ist, doch mit zunehmender Nutzung der Adams wurde mir immer klarer, wo die Vorteile der Adams liegen.
Durch diese Erfahrung verstehe ich die heutzutage oft verwendete Phrase "Für das Geld sehr gut" im Bezug auf Lautsprecher besser. Für mich bestätigt sich also: Man kann auch mit günstigen Lautsprechern gute Musik machen. Die KRK haben mir gute Dienste geleistet. Trotzdem sind die A77H klanglich auf einem anderen Level. Ich verstehe nun besser, wie mein eigenes Gehör funktioniert. Die Unterschiede zwischen günstigen und teuren Lautsprechern sind einfach anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Es braucht Zeit, sein Gehör neu zu kalibrieren bzw. Informationen aus dem Klang zu filtern, um zu verstehen, was wirklich passiert. Wenn man das Ziel hat seinen Mixe zu verbessern, zahlt es natürlich absolut aus, Geld für Lautsprecher ausgeben zu wollen.
Zu den Adam Audio A77H kann man sagen, dass die vom Hersteller empfohlene Einspielzeit nicht ohne Grund angegeben wurde.
Der Klang ist äußerst detailliert und linear – genau das, was man von einem analytischen Lautsprecher erwartet. Tiefe Frequenzen werden zuverlässig bis ca. 40 Hz wiedergegeben. Was die Lautstärke betrifft, gibt es mehr als genug Reserven. Mir ist es eigentlich wichtiger, dass ein Lautsprecher auch bei sehr niedrigem Pegel noch präzise arbeitet als umgekehrt.
Der extra Mitteltöner, macht das Kraut fett!
Der breite Sweat-Spot der Höhen ist sehr gut gelungen!
Die Soundeinstellungen (EQ/Sonarworks) finde ich lediglich "nice to have". Vielleicht benötigt sie jemand, der mit seinem Raum zu kämpfen hat, aber ich verwende sie nicht. Ich lasse die Einstellungen auf "Pure". Meiner Meinung nach könnte man dieses Feature weglassen und die Lautsprecher dafür günstiger verkaufen bzw. an anderen Punkten investieren.
Kritik gibt es für zwei Punkte:
Made in China – Tatsächlich der Hauptgrund, warum ich fast die Neumann-Lautsprecher gekauft hätte. Ich weiß, hätte, hätte... Wäre ich finanziell besser aufgestellt, wären es aus diesem Grund sicher die Neumann Lautsprecher geworden.
Drehbarer Hochtöner – Eigentlich nicht wirklich - Ich habe vor, diese Lautsprecher sehr, sehr lange zu verwenden. Es wird damit geworben, dass man den Hochtöner jederzeit anpassen kann. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Erstens ist es nach dem Entfernen der Schrauben sehr schwer, den im Gehäuse eingelassenen Waveguide herauszubekommen. Bei der einen Box sprang er mir förmlich entgegen; bei der anderen musste ich mit Werkzeug nachhelfen, um ihn überhaupt herauszubekommen. Achtung vor Lackschäden! Nicht optimal umgesetzt. Zweitens sind es keine Gewindeschrauben, sondern Holzschrauben, die direkt in ein spannplattenartiges Material geschraubt wurden. Jedes Mal Ein- und Ausschrauben verringert den Halt der Schrauben – bis hin zu einem kaputten Lautsprecher. Ein- bis zweimal ändern? Ja. -> Regelmäßiges Umstellen? Klares Nein!
Optik – Die Front sieht mit den Blenden sehr gut aus, aber das Gehäuse finde ich etwas fad. Geschmeidigere Übergänge (siehe HEDD) würden der Wertigkeit und Optik sicher gut tun. Die Scharfen Kanten meiner Meinung nach passen nicht ganz zu einem Lautsprecher in dieser Preisklasse..
Letztendlich geht es aber um den Sound, mit welchem ich sehr zufrieden bin. Der A77H hat sich als das Upgrade gemausert, welches ich gesucht habe!