Nachdem ich mir vor ca. 1,5 Jahren meine erste semiakustische Gitarre gekauft hatte, war mir schnell klar, dass ich in meiner vorherigen (semiprofessionellen bis professionellen) musikalischen Laufbahn einiges verpasst hatte. Der damalige Kaufimpuls war eher spontan und aus Neugier. Davor haben mich fast ausschließlich S- und T-Style Gitarren begleitet. Die damals erworbene D´Angelico Tour war sehr gut, hatte aber ihre Schwächen. Also war klar: Eine neue 335 muss her!
Da ich hauptsächlich aus dem Fender-Lager komme, ist mir Gibson eigentlich ziemlich schnuppe. Der Besitz des "Originals" war also nicht ausschlaggebend bei der Suche. Irgendwie hatte ich Maybach immer im Hinterkopf, wenn es um besonders gut gemachte Nachbauten ging. Gespielt hatte ich bis dato jedoch keine. Also schnell bestellt und wie immer bei Thomann, lässt die Lieferung nicht lange auf sich warten. Bestens verpackt kam sie nach zwei Tagen bei mir an. Nach dem Öffnen des Kartons und dem Entfernen der Folien strahlt einem der aufwändig gearbeitete Koffer entgegen. Dieser macht einen äußerst robusten (aber auch schweren) Eindruck und ist mit einem ins Kunstleder eingearbeiteten Paisley-Muster versehen. Es ist auf jeden Fall ein Hingucker, wenn auch nicht jedermanns Geschmack.
Die Gitarre kam bestens eingestellt und sogar gestimmt bei mir an. Die Verarbeitung macht einen erstklassigen Eindruck. Ich bin kein Spezialist für´s Aging und für mich muss das auch auch nicht sein. In diesem Falls ist es sehr dezent. Ein paar kleine Lackrisse hier und da und die Metallteile haben ebenfalls leichtes Patina. Der Vorteil ist, dass der erste Kratzer nicht ganz so weh tut. Mir gefällt es gut und der Nitrolack fühlt sich gut an. Bei der roten Variante fällt das Aging ürbigens nicht so auf, wie bei anderen Farben habe ich den Eindruck. Der Hals ist zum Glück nicht bearbeitet worden. Wer diesen auch mit Aging möchte, muss halt nachlegen oder einfach mal richtig viel spielen ;)
Trocken angespielt fühlt sich die Gitarre unglaublich resonant und "akustisch" an. Der geringe Gewicht von 2,8 kg ist auf jeden Fall ein großer Pluspunkt. Anscheinend liegt das Maximalgewicht für die Capitol bei 3,0 kg. Für mich ist das wichtig. Ich mag diese schweren Prügel nicht.
Der Hals ist angenehm dick, aber nicht zu fett. Für mich perfekt für diesen Gitarrentyp. Das ist natürlich Geschmacksache. Nach Angaben des Herstellers gibt es auch ein schmaleres Halsprofil (slim taper). Leider fehlt bei Thomann hierzu eine Angabe.
Alle gewählten Bauteile sind von spürbar hoher Qualität. Die Gitarre ist sehr stimmstabil und man mag sie gar nicht mehr aus der Hand nehmen. Für mich sind damit die wichtigsten Kriterien erfüllt und ich habe mich für die Capitol entschieden. Bei den hochgelobten Amber Pickups bin ich zwiegespalten. Die klingen mir in den Bässen zu luftig und ich habe Bedenken, dass man sich im Bandkontext hiermit gut durchsetzen kann. Die Diskantsaiten sind äußerst spritzig und perlig. Leider fällt dies in Richtung Basssaiten zu sehr ab. Für jemand anderes kann dies genau das Ding sein. Ich bin mir noch unsicher. Vielleicht werde ich irgendwann mal einen anderen PAF-Satz probieren. in erster Linie überwiegen die nicht änderbaren Eigenschaften der Gitarre aber dermaßen, dass ich damit erst mal leben kann.
Ob der Preis angemessen ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Auch, ob sie besser oder schlechter als eine mit dem großen "G" ist. Jemand, der unbedingt eine originale 335 haben haben will, wird sich wahrscheinlich eh nicht davon abbringen lassen und bei allem anderen verschmähend den Kopf abwenden... so ist das eben mit der Markenverliebtheit. Für alle anderen, empfehle ich, die Maybach Capitol anzutesten.
P.S. Nach drei Monaten mit meiner neuen Capitol konnte ich es mir doch nicht verkneifen, in einem Musikalienhandel diverse Gibson 335s zum Vergleich anzuspielen. Ich bleibe erst mal bei Maybach ;)