Band­in­ter­view: Ser­geant Pluck Him­self

24.09.2016
Interview und Musikvideo mit Sergeant Pluck Himself

Interview

Nach dem Album "Yesterday will not come again" in 2014, das wir ausführlich mit euch besprochen haben, zwei Jahre später also eine EP namens "Overhead". Wie kam es zu dieser EP mit sechs Tracks?

SERGEANT PLUCK HIMSELF: "Overhead" ist irgendwie passiert. Nach dem letzten Album tourten wir fleißig und arbeiteten ziemlich intensiv, danach waren wir etwas müde. Matthias (Sänger, Gitarrist) begann dann zu Hause an älteren Tracks herumzubasteln, denen er gern noch einmal eine Chance geben wollte. Dazu kommen neue Ideen und plötzlich waren da sechs Songs, die eigentlich einen stilistischen Querschnitt durch alle Phasen der langen Geschichte von Sergeant Pluck Himself darstellen. Vielleicht ist die EP deshalb der perfekte Einstieg für jene, die unser Projekt noch nicht kennen.


Warum nicht drei Tracks mehr und, voilà, man hätte ein 'richtiges' Album gehabt! Die Beachtung in der Musikwelt wäre doch um ein vielfaches größer gewesen, oder?

SERGEANT PLUCK HIMSELF: Wir halten die EP für ein spannendes Format, es werden eine Menge Alben veröffentlicht, auf denen sich fünf bis sechs gute Songs finden und der Rest ist Füllmaterial. Wenn aber mit sechs Songs alles gesagt ist, dann darf man da durchaus einen Strich ziehen. Das "Album" ist ja auch nur ein Konstrukt, sozusagen aus Gewohnheitsrecht heraus. Dass die Medien auf EPs nicht so begeistert reagieren ist wohl wahr, aber eigentlich schade.


Drei der sechs Stücke entspringen einer früheren Phase von Sergeant Pluck Himself und wurden nun für "Overhead" neu angegangen. Zeugt du Hinwendung zu 'alten Ideen' eher von einem Mangel an momentaner Inspiration oder von der Genialität, die man schon früh erkennen konnte?

SERGEANT PLUCK HIMSELF: Musik sollte eigentlich kein Ablaufdatum haben, Medien und Musikindustrie agieren aber gern so, als wäre ein älterer Song weniger wert (außer es ist ein "Klassiker", den man melken kann). Wir hatten den Eindruck, dass diese "alten Ideen" nicht die verdiente Bühne erhalten hatten. Also wurden sie dekonstruiert und komplett neu aufgenommen, einfach weil die Songs zu schön sind, um in einem Archiv zu vergammeln.


Der geniale Track "Overhead", welcher der EP, auch ihren Namen gab, erzeugt auf zwei Ebenen einen magischen Sog: zum einen bauen Gitarre und Stimme von Beginn an eine solch intensive und auch wehmütige Stimmung auf, dass man schon nach wenigen Sekunden weiß, man wird diesen Song lieben. Spätestens aber mit dem Einsatz des Schlagzeugs ist auch der rhythmische Boden bereitet, der das Stück, trotz des balladesken Tempos, trägt und im wahrsten Sinne des Wortes rockt. Zum anderen ist da der Clip, dem es durch die grandiosen Herbst- und Winteraufnahmen gelingt, dem Kapuzenwanderer atemlos zu folgen, um gespannt zu erfahren, wohin ihn sein Weg in diesem Märchenwald wohl führen wird - wenn es überhaupt ein Ziel geben sollte... Öffnet uns mit uns bitte noch ein paar Türen, zum besseren Verständnis von "Overhead": worum geht's in dem Song?

SERGEANT PLUCK HIMSELF: Danke für das Lob. Der Song ist ein Alleingang von Songwriter Matthias (er neigt zu solchen Aktionen, wenn ihn eine Idee erst mal gepackt hat). Er hat den Song allein geschrieben und alle Instrumente selbst aufgenommen und das Video produziert. Inhaltlich geht es um diesen Moment im Leben, in denen man kurz innehält, sich umsieht und fragt: Wie bin ich hier hergekommen? Das kann im positiven oder negativen Sinn verstanden werden. Das Video beschäftigt sich mit dem Weg, den wir alle gehen. Wir sprechen alle gern von Zielen, aber die liegen nicht am Ende des Weges, sondern am Weg selbst, wir müssen uns dessen nur bewusst werden und die Hand ausstrecken (siehe Ende des Videos).


Welche O-Töne wurden in den Song "Overhead" eingespielt? Wir können sie nicht ganz verstehen...

SERGEANT PLUCK HIMSELF: Diese vermeintlichen O-Töne in der Bridge sind eigentlich keine, sondern eher wirres emotionales Geplapper, ein Symbol dafür was in einem Gehirn so vorgeht, wenn man das Gefühl hat gegen eine Wand zu steuern.


"Sigmundsherberg" hat die gleiche Qualität wie "Overhead", eine melodiöse softe Rockballade, die ebenfalls eine große Intensität ausstrahlt. Was hat es mit der "Sigmundsherberg" auf sich?

SERGEANT PLUCK HIMSELF: Sigmundsherberg ist ein kleiner Ort im Waldviertel, der Region in Österreich aus der wir stammen. Er liegt an der Bahnstrecke nach Wien und alle jungen Menschen, die irgendwann nach Wien studieren gehen, kommen auf ihrer Reise in Sigmundsherberg durch. An diesem Ort ist man nicht mehr in der Stadt aber auch noch nicht zu Hause, es ist ein Ort der Vorfreude oder der Angst, je nachdem in welche Richtung man fährt.


"God Natt" - die Vergötterung einer Dame? Jedenfalls macht uns dieser Song klar, dass es für einen Song wirklich nicht mehr als eine gut gestimmte Westerngitarre braucht. Und eine schöne Stimme natürlich. Der Song ist mittlerweile 16 Jahre alt! Er wurde in 2015 neu aufgenommen. Wie groß ist der 'Match' zwischen der Original-Version und der aktuellen?

SERGEANT PLUCK HIMSELF: Die Original-Version wurde mit einer Guitalele aufgenommen, in einer anderen Tonart. Die neue Version ist ruhiger angelegt, nach unten transponiert. Matthias hat in den letzten Jahren viel an seinem Gesang geändert, ihn also auf Tonhöhen verlagert, die seiner Stimme entgegenkommen. Das hat auch die Grundstimmung der Songs beeinflusst.


Wenn man sich auf eurer wirklich ansprechenden Bandcamp-Seite in die Details der Tracks einliest, fällt auf: fast alle Instrumente wurden auch von der Stimme der Band, Matthias Ledwinka, eingespielt. Ist es dann noch eine Sergeant Pluck Himself-EP oder nicht eher eine Matthias Ledwinka-Projekt?

SERGEANT PLUCK HIMSELF: Sergeant Pluck Himself war jahrelang ein Projekt von Matthias, dann kam Joachim am Bass dazu (die beiden hatten zuvor schon jahrelang musikalisch zusammengearbeitet) und das "jüngste" Mitglied war dann Josef am Schlagzeug. Mit dem letzten Album wurde das Projekt eigentlich zur Band im klassischen Sinn. Das gilt nach wie vor, trotz dieser EP.


Hat Matthias auch, wie beim Album "Yesterday will not come again", das faszinierende Cover zur "Overhead"-EP gefertigt? Industrie-Design trifft Bauhaus trifft Rationalität und Emotion zugleich. In Zeiten blitzender Strobos, informativem Overkill und quietschbunten Settings eine regelrechte Augenweide...

SERGEANT PLUCK HIMSELF: Danke! Matthias ist neben seiner Arbeit als Musiker (er spielt auch noch in den Bands Lausch und Freischwimma) auch Grafiker und Fotograf. Das Cover zeigt die Straßenlampe unter der man sich in den ersten Textzeilen von "Overhead" wiederfindet. Die Kugel steht für den Menschen, der ja eine Welt für sich ist.


Im letzten Interview haben wir über die Faszination bezüglich eures Albums eine ganz wichtige Frage vergessen, die wir an dieser Stelle nachholen möchten: wo gelingt euch die hervorragend klingende Produktion eurer Songs? Habt ihr ein voll aufnahmefähiges Studio im "Waldviertel", eurer niederösterreichischen Heimat? Macht mit uns einen Rundgang!

SERGEANT PLUCK HIMSELF: Ja, wir haben ein Studio im Waldviertel, dort wird geprobt und auch aufgenommen. Es befindet sich ein einem ehemaligen Kindergarten (inklusive Kinder-Toiletten und Waschbecken in Kniehöhe). Aufgenommen wird bei uns sehr pragmatisch über ein RME-Interface, eine Hand voll brauchbarer Mikrofone und einen PC. Wir sind nicht unbedingt große Tech-Nerds, aber wir sind der Meinung, dass man, wenn man ein gut klingendes Instrument korrekt aufnimmt, auch nicht mehr viel falsch machen kann. Die EP wurde auch bei uns Studio gemischt, das Mastering hat aber Alexander Lausch in seinem Studio in Wien übernommen (er hat auch unser letztes Album gemixt).


Eine Frage, die uns abseits der Musik auch auf der Zunge liegt: wie denkt ein Österreicher über das unsägliche Gerangel bezüglich der Präsidentschaftswahlen in Österreich, die nun wiederholt werden müssen? Haben die Kulturschaffenden da eine einheitliche Meinung? Kommt diese auch zum Ausdruck? Oder tangiert einen so etwas nur peripher?

SERGEANT PLUCK HIMSELF: Also, wir sind nicht unbedingt eine Band, die zu politischen Statements neigt, aber wir sind zugegebenermaßen äußerst beunruhigt in welche Richtung die österreichische Politik und auch die Wählerschaft rudert! Die Wahlwiederholung löst bei großen Teilen der Bevölkerung Kopfschütteln aus, der Verfassungsgerichtshof hat keine Manipulationen im letzten Wahlgang festgestellt, dennoch wird wegen Formfehlern wiederholt. Und wir wagen zu behaupten: Ein rechter Präsident und freies Kulturschaffen, das ist ein Widerspruch in sich!



Die aktuellen Top-3-Themen in eurem Leben:

SERGEANT PLUCK HIMSELF: Schwierige Frage, wir drei haben wohl aktuell unterschiedliche Top-Themen, aber eine gewisse Sorge über die politische Lage in Europa begleitet wohl alle Bandmitglieder. Ansonsten sind wir aktuell schwer mit unseren anderen Jobs beschäftigt, Matthias, wie erwähnt, als Grafiker, Joachim ist Theatermusiker und was Josef macht, weiß eigentlich niemand so genau, irgendwas mit Wirtschaftsblabla ;-)


Aktuelle Lieblingssongs :-)

SERGEANT PLUCK HIMSELF: Matthias: See Hell - Agent Fresco, Joachim: Shoes - King's X, Josef: Jambi - Tool


Das Fragen beantworte Matthias Ledwinka für SERGEANT PLUCK HIMSELF.


LINK: c-tube Profil von SERGEANT PLUCK HIMSELF

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