Bandinterview: Witwer

16.08.2016
Musikvideo und Interview mit Witwer

Haastattelu

Ist die November-Herzschmerz-Geschichte aus Paris eine wahre?

WITWER: Ja, ist sie, wenn auch leicht verändert. Einen Bruder gab es nie. Auch wenn es uns leicht fiel im Video diesen Eindruck zu vermitteln, da wir ja zwei gut aussehende, bärtige Hünen unser Eigen nennen. Der Rest der Band ist natürlich ebenso gutaussehend, wenn auch nur halb so bärtig. Ansonsten wird die Story wahrheitsgetreu erzählt, beziehungsweise ist sie einem von uns so passiert. Die Frau, um die es geht, ist bezeichnenderweise damals auch mit einem Franzosen abgerissen. Manchmal "rennts halt orsch", wie man in Österreich so unschön sagt, aber c'est la vie, so ist das Leben.


Wo habt ihr den Clip mit den Lavendel-Wiesen realisiert? Und wo steht diese Eiffelturm-Miniatur, die ihr beklettert? Demnächst Wallfahrtsort der waren Witwer-Fans...

WITWER: Das war eine spontane Eingebung unseres Aufnahmeleiters, Prof. Dr. Sebastian "Freudi" Freudenschuss. Wir waren gerade auf dem Weg von einem Drehort zum nächsten, als er die Wiese gespottet hat und wir 'nen kurzen Stop eingelegt haben. Obwohl wir dort nur einen Lied-Durchlauf aufgenommen haben, hat das gereicht um das gesamte Dorf dort aus den Häusern zu holen. So ist das halt am Land beziehungsweise in Niederösterreich. Dort sind wir auch über die Eiffelturm-Kopie gestolpert. Die steht in Viehofen, quasi irgendwo im nirgendwo.


Warum ist es und bleibt es Paris, um die Krankheit namens Liebeskummer zu kurieren? Was genau ist mit diesem Refrain eigentlich gemeint?

WITWER: Auch wenn's nicht nach Plan läuft, muss man sich dadurch ja nicht gleich den Urlaub vermiesen lassen. Das Lied hat einiges von Hinfallen und Wiederaufstehen. Irgendwie geht's ja trotzdem immer weiter. Gerade die Rückschläge machen das Leben erst lebenswert. Das sehen wir alle so, deshalb singen wir die Hook auch im Piratenchor.


Frankreich ist Paris, der Eiffelturm, die Côte d'Azur, Equipe Tricolor, Baguette, Croissant... Und leider auch hunderte Terrortote allein in den letzten Monaten. Hat das euer Gefühl zu dieser Grande Nation beeinflusst und/oder verändert?

WITWER: Gar nicht. Es ist und bleibt Paris, genauso wie es Frankreich bleibt. Terror gibt's leider überall, wie man auch immer häufiger sieht. Wir wollten mit dem Lied keinen politischen Denkanstoß geben. Persönlich sind wir gleichermaßen Österreicher, wie Europäer und Weltenbummler. Unsere Musik hat in Wien ihr zuhause gefunden.


Wenn wir eure Pressearbeit der letzten Monate anschauen, dann bedeutet WITWER 2016 so etwas wie einen Neustart: Ein Neustart unter dem Label strizzico. Was hat es mit diesem Namen auf sich?

WITWER: Der "Strizzi" kommt ja aus dem Wiener-Fachjargon und ist sowas wie ein Frechdachs oder Schwerenöter. Das "co" impliziert, dass es sich um etwas Größeres handelt, wo mehrere Leute für die gleiche Sache arbeiten. Tatsächlich ist es eine Kooperation auf mehreren Ebenen. Das Ziel war lokalen Wiener Bands eine Bühne und ein Publikum zu verschaffen, was bislang ausgezeichnet funktioniert hat. Wie weit es noch geht, wird die nahe Zukunft weisen.


Und dieser Hund? Mischung aus Fuchs und Chihuahua? Was hat der mit euch zu schaffen?

WITWER: Das ist unser Maskottchen, er hört auf den feschen Namen "Francesco Strizzi". Was er genau ist, hat er uns nie verraten. Er redet nicht so viel, dafür schläft er umso mehr.


In Zeiten der Schlafstörungen und Schlafwandler: sympathisches Kerlchen! Ein eigenes Label zu gründen und groß raus kommen... Ist das nicht etwas für Rock'n'Roll-Romantiker in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung und Streaming-Angebote? Oder Bedarf es gerade aufgrund der "Entkörperung der Musik von ihren angestammten Tonträgern" eines Insistierens auf traditionelle Geschäftsmodelle und -aktivitäten?

WITWER: Nö, außerdem ergänzt sich das alles sehr gut. Man darf nicht vergessen, dass die Musikwirtschaft einer Reihe von Spielregeln folgt, mit denen man sich als Musiker selten selbst auseinandersetzt. Gerade die Zusammenarbeit mit Verwertungsgesellschaften, Radiosendern, Veranstaltern und Förderstellen setzt oft eine gewerbliche Plattform voraus, über die Geldflüsse seriös abgewickelt werden können. Wer kein Label findet, sollte entsprechend selbst eines gründen, um seiner Musik zumindest eine Chance zu geben. Außerdem professionalisiert man so auch seine Vorhaben automatisch, weil auch entsprechend viel Arbeit, Zeit und Geld dahinter steht.


Versteht ihr euch immer noch, wie in aktuellen Rezensionen zu lesen, als "Wiener Singer/Songwriter-Projekt"? Oder seid ihr mittlerweile auch zu einer Band gereift, mit fester Besetzung und einer gemeinsamen Vision? Immerhin macht ihr seit sechs Jahren Musik, und ein Projekt heißt in der Musikbranche auch gerne: wechselnde Besetzungen, zeitlich begrenzte Kooperationen, etc...

WITWER: Das Singer/Songwriter-Projekt schleicht sich gerne immer noch aus alten Pressemeldungen ein. Wir sind eine Band oder Musik-Kapelle, wie man am Land sagt. Als solche haben wir auch noch einiges vor.


Gibt es eigentlich aktuelle Bands und Künstler mit Geige und Akkordeon (wie zum Beispiel Gotan Project), deren Sound auch für euch eine inspirierende Quelle ist, an denen ihr euch sogar möglicherweise orientiert?

WITWER: In der Anfangszeit gab es wohl schon ein paar Inspirationsquellen. Beirut und Arcade Fire (Wahnsinns-Band) liefen beispielsweise bei Pascal damals in Dauer-Rotation. Aus dem Anfangssound ist dann aber dennoch etwas durchaus Eigenwilliges erwachsen, allein schon deshalb, da wir alle verschiedenen Musikrichtungen zugeneigt sind. Diese tausend Einflüsse stilistisch zu bündeln, war nicht einfach, ist uns letztlich aber hörbar gelungen.


"Paris" ist auf einer EP erschienen. Welche Tracks gebt ihr da noch zum besten? Und in welcher Auflage presst man eine solche Veröffentlichung bzw. was kostet das?

WITWER: Insgesamt sind's drei Tracks. "Fern", "Paris" und "1234". "Fern" wird im Herbst dann als Single released. Die physische Auflage beträgt 100 Stück. Da die schon fast wieder weg ist, gibt's die EP auch schon online, kosten tut das dann 1,99 EUR mit Studentenausweis auf Amazon und iTunes.


Wo und mit wem habt ihr die Aufnahmen realisiert?

WITWER: Im schönen Burgenland und Niederösterreich, bei Gartenhaus Records, von und mit Mag. Ing. Alexander "Xandi" Grill ("Mag." steht für Magier), dem besten und schönsten Tontechniker zwischen Wien und Tokio.


Wie sieht eure Arbeit im wunderschönen Wien abseits der musikalischen Pfade aus? Was macht ihr, um euch den Traum der Bühne und des Musizierens zu verwirklichen?

WITWER: Unterschiedlich. Ein Teil quält sich mit Day-Jobs durchs Leben, der andere studiert, mitunter schon im Doktorat, darüber hinaus sind manche auch anderweitig kulturschaffend tätig. Die Leidenschaft für die Musik verbindet uns, entsprechend bringt sich jeder auf seine eigene Weise ein, organisiert, arrangiert, finanziert und plakatiert eventuell sogar.


Die nächsten Aktivitäten von strizzico sehen so aus:

WITWER: 2016 Fern - Single Release im Herbst, Witwer - Wohnzimmersession Video-Release im Winter, strizzico.sounds (Labelnight) Nr. 3 & Nr. 4, 2017 Witwer - Album Release

Darüber hinaus sind wir schon mit weiteren Acts im Gespräch, von denen man hoffentlich noch Ende des Jahres was zu hören bekommt.


LINK: c-tube Profil von WITWER