Bandinterview: Sie Kamen Australien

18.10.2016
Interview und Musikvideo mit Sie Kamen Australien

Haastattelu

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Stephan "Gudze" Hinz, Bassist und Gründungsmitglied der Münsteraner Band Hblockx?

Stulle: Unser Sänger Henner kommt aus Münster und kannte Tinte, den Gitarristen der Band aus dieser Zeit. Der Kontakt zu Gudze kam dann über ihn zustande, nachdem wir gemeinsam unsere vorproduzierten Songs gesichtet und wir sie nicht komplett unbrauchbar befunden hatten. Gudze ist menschlich ein super Typ. Bescheiden, angenehm und lustig. Musikalisch ist er ein echtes Schwergewicht. Unfassbar was er da alles drauf hat. Ohne ihn, wären wir niemals dort, wo wir sind.


"Die Basis unseres Systems" ist der Opener des aktuellen Albums "Peter ist der Wolf". Der Clip zeigt, unterbrochen von knalligen Performance-Sequenzen der Band unter einem LED-Himmel, in etwa "das Warten, Suchen, Finden und die Enttäuschung im menschlichen Leben", falls wir das verwirrende Ende des Clips richtig interpretieren. Was ist für euch 'die Basis unseres Systems' und was ist konkret verloren gegangen?

Henner: Es gibt immer etwas, was dein persönliches System trägt und zum Funktionieren bringt. Wir denken, dass es wichtig ist, zu registrieren, wenn persönliche, wichtige und tragende Dinge aus dem Ungleichgewicht geraten. Zu viele Menschen merken es nicht und machen sich schleichend kaputt. Wenn die Basis des Systems nicht mehr trägt, heisst es schnell zu reparieren oder schnell das Weite zu suchen, bevor es dich krank macht. In meinem Fall war es eine Beziehung, die mich krank gemacht hat. Zuviel Schweigen, kein Fortschritt, keine Perspektiven. Das macht dich fertig. Zum Glück habe ich was gemerkt.


Im Sound kommt uns zum Start des Albums ein Uptempo-Indie entgegen, der zeigt, wie die US-amerikanische Band DEVO heute wohl geklungen hätte... Hätte sie auf deutsch gesungen und würde noch Musik machen ;-) So geht's dann fröhlich, überraschend und fett weiter, immer ein Bein auf der großen bunten Karte der ehemaligen NDW verankert. Was wir uns dabei fragen: wird der selbst verwendete Claim "The Return Of NDW" eurem electro-punkigen Sound eigentlich gerecht?! Denk ich an NDW, denk ich auch an Markus und Nena und Co. Von der kleinen Taschenlampe, die brennt oder Fred vom Jupiter seid ihr doch meilenwert entfernt. Positiv ausgedrückt: ihr spielt doch in einer ganz anderen Liga!

Henner: Ich denke nach wie vor, dass es NDW ist. Nur weil es dort irgendwann eine - nennen wir es mal - kleine Niveaulücke gab, sind in dieser Zeit großartige Songs entstanden und auf Nena lasse ich persönlich mal gar nichts kommen. Geile Stimme, geile Liveband, ein Hit nach dem anderen. Es geht mir aber mehr um die Tatsache, dass in dieser Zeit ein Gegenpol zum bombastischen Rock mit dem Riesen-Hall auf der Snare gesetzt wurde. Wir haben quasi eine NDW-Attitüde. Wir sehen uns auch in einer gewissen musikalischen Anti-Haltung und müssen das jeden Tag aushalten... Aber wir stehen dazu und das Feedback der Hörer ermutigt uns mehr und mehr, denn wer sich intensiv mit der Band beschäftigt, versteht offensichtlich doch, was wir da aushecken und wieso wir das tun.


Ihr habt praktisch das gesamte Album verfilmt. Halleluja, das nenne ich mal kreativ und fleißig. War das so geplant, oder hat sich das während der zweijährigen Produktion von "Peter ist der Wolf" so 'ergeben'?

Simme: Wir sind eben Macher. Kopf durch die Wand, rumms. Wir wollen was erreichen. Wenn Du kein Promo-Budget hast und deine Plattenfirma in Aussicht gestellte Gelder vor VÖ wieder zurückzieht, dann kannst Du entweder den Kopf in den Sand stecken oder erst so richtig angreifen. Wir sehen das aber auch als kreative Ergänzung zur rein musikalischen Umsetzung der Songs und es hat riesigen Spaß gemacht.


Wohin hat es euch bei den Drehs verschlagen?

Henner: Wir haben fast alles im Kieler Raum gedreht. Nur für eine Produktion waren wir in New York und haben noch ein paar Landschaftsaufnahmen von Australien ergänzt. Viel besser als die Drehorte waren die Menschen mit denen wir arbeiten durften. Ganz vorweg Filmemacher Stefan Lehmann von "line up media", der den Film zu "Die Basis" gedreht hat. Mehrere Schauspieler haben hier und in anderen Videos ohne Gage mitgearbeitet. Da ging es rein um die Kunst und um die Musik. Kiel erwacht langsam aus dem kulturellen Tiefschlaf. Hier geht wieder was im Untergrund. Das ist toll.


Werden die bewegten Bilder in erster Linie von euch bewerkstelligt, sobald ihr mal 'ne Nacht ausgeschlafen habt oder habt ihr ein fleißiges Team, das die Clips euren Vorstellungen entsprechend umsetzt? Darunter, wie bei "Eigentlich für Dich", lizenzfreies Material aus dem Weltraum, wir sehen aber auch trockene Berglandschaften, Flughäfen und Megacities. Musstet ihr sowas genehmigen lassen oder lizenzieren?

Henner: Das ist alles von Hand mit heißem Eisen Nachts unter Einfluß von Club Mate, Kaffee und Whiskey zusammengedängelt. Wir wollten das als Band weitestgehend ohne fremde Hilfe schaffen. Die Unterstützung von Familien und Freunden war uns sicher, also konnte es losgehen. Als die Jungs vom Vertrieb believe digital dann noch sagten (ich kann das zwar immer noch kaum glauben), dass hätte in Deutschland noch keiner gemacht, war eh alles klar für uns. Die technischen Limits, die wir dabei hatten, fanden wir sogar gut. So hat keins der neun eigenen Videos länger als einen Tag gedauert. Es ging nicht um irgendwelche filmischen Meisterwerke, sondern um die Bilder, die wir zu unseren eigenen Songs im Kopf hatten. Das Video zu "Die Basis unseres System" war ein ganz anderer Stiefel. Auch kein Budget aber eine fette Crew, fettes Equipment, echte Schauspieler und fünf Drehtage! Danke nochmal, Stefan, für diesen Hammer!


Im Clip "Gib mir deine Kraft" sieht man den Probenraum der Band. Für eine Band die so elektronisch klingt, wirkt das Gesehene doch sehr analog, fast steinzeitmäßig. Ist Sie kamen Australien vielleicht doch eher eine Rock-Band, die der Elektronisierung unseres Alltags (und dem damit einhergehenden Sound) nicht aus dem Weg gehen kann? Wie viele Zutaten werden im Studio noch in die analoge Suppe geschüttet, damit es nachher so riecht und schmeckt, wie man euch im iTunes Musik Store hören, streamen und kaufen kann?

Stulle: Klar ist das analog. Aber dann vielleicht eher Punk als Rock? Wir sind ein Trio und alles was man auf dem Album hört, können wir eins zu eins reproduzieren. Da gibt es keine zweite Gitarre oder andere Tricks. Alles was man jetzt im ersten Moment digitale Zutaten nennen könnte, ist im Endeffekt aber auch analog. Ein Arturia Minibrute analoger Synthesizer und ein analoger Korg Volca Keys. Die paar Beats, die man dann noch irgendwo hört, kommen aus einem analogen Roland Drummodul.


Wie grenzt man sich im Musikbusiness erfolgreich ab bzw. macht auf sich aufmerksam? Wie schafft man Alleinstellungsmerkmale, die aufhorchen lassen und Kaufimpulse anregen? Und wie groß ist die Gefahr, dass niemand einen versteht und alles für die Katz war?

Henner: Naja, wir haben uns abgegrenzt und uns damit selber das Leben ziemlich hart gemacht. Aber dafür sind wir stolz auf unseren eigenständigen Sound. Ich kenne zumindest keine Band, die exakt so klingt. Klar haben wir diverse Einflüsse, aber Sie kamen Australien ist musikalisch ein ganz eigener Boogie. Das habe ich persönlich die 20 Jahre zuvor mit keiner anderen Kappelle hinbekommen. Das klang immer wie die Billigversion der guten Version. Das ist in Sie kamen Australien zum ersten Mal anders, wie ich finde. Und es kann nie für die Katz sein, wenn es Spass macht und von Herzen kommt. Meine Musik muss raus. Das ist schon genug. Unsere physischen Verkaufszahlen sind unterirdisch, aber bislang stört das außer dem Label niemanden, haha!


Bei manch textlichem Tiefgang, der einen über eine Zeile brüten lässt, während der Song schon ausläuft, fragen wir uns: warum bildet ihr nicht alle Texte in einem eigenen Menü auf eurer interessanten Website ab? Hier kann man lesen, lachen und sich bestens die Zeit vertreiben! Aber es gibt nur einen Song-Text ("Gib mir deine Kraft")...

Henner: Guter Input. Kritik ist angekommen ;-) Mach mal bitte den Tag zwei Stunden länger, dann machen wir das sofort heute noch! Wir sind alle drei Familienväter und gehen nebenbei weiteren Jobs nach, um Geld ranzuschaffen, die Musik alleine schafft das leider nicht. Da kämpft man immer um die Zeitfenster für die Musik. Wir würden so viele Dinge gerne intensiver und besser machen, aber man muss realistisch bleiben und ohne Piepen geht vieles leider (noch) nicht. Vielleicht geht irgendwann bald mehr. Wäre toll! Hallo liebe Labels und Investoren, wir sind nicht mehr jung und brauchen immer noch das Geld.


Wenn ihr die letzten Jahre resümiert: was davon werdet ihr euren Enkeln erzählen?

Henner: Ich habe die Zeit mit Gudze im Studio total aufgesaugt. Das war wie ein Crash-Kurs. Mich hat das tierisch weitergebracht. Und natürlich gab es viele großartige Live-Konzerte. Wir sind drei richtig gute Freunde, die zusammen Musik machen. Das ist keine Zweckgemeinschaft. Das ist immer spitze mit den Jungs im Musik-Urlaub zu sein. Egal ob vier Stunden im Proberaum oder auf Tour. Wir haben uns wirklich ein bisschen lieb. Das ist nicht selbstverständlich und ich habe das bisher in anderen Bands nie so erleben dürfen. Dafür sind wir sehr dankbar. Freunde, liebe Enkelkinder, kümmert Euch um eure guten Freunde. Und wenn es nur zwei oder drei sind, egal. Hauptsache es sind echte Freunde.


Und der Ausblick nach vorne: was geht ihr in der nächsten Zeit an?

Stulle: Es geht weiter! Wir schreiben an einem neuen Album, das hat totale Priorität und macht großen Spaß. Auch Gudze wird wahrscheinlich zu einem späteren Zeitpunkt wieder mit einsteigen und noch ein, zwei andere Kooperationen sind angedacht. Henner schreibt zudem gerade ein Soloalbum mit Kinderliedern, das Ende 2016 erscheint, und er produziert eine Kieler Rockband. Mit unseren Freunden der Berliner Band "Protokumpel" wird es noch dieses Jahr eine "Splitsingle" als USB-Stick geben, das wird großartig rummsen im Karton, und dann werden wir in Kürze eine Live-EP mit 4 Songs veröffentlichen, die Mitte 2016 live beim Konzert im Volxbad in Flensburg aufgenommen wurden. Weiterhin haben wir mit Bombshell eine schmucke, kleine Booking-Agentur, insofern hoffen wir auf tolle Liveshows im nächsten Jahr! Wir freuen uns, wenn ihr dabei seid!

Das Interview von SIE KAMEN AUSTRALIEN beantworteten die drei Mitglieder der Band, Henner, Stulle und Simme.


LINK: c-tube Profil von SIE KAMEN AUSTRALIEN