DJ-Musik und speziell Techno als Kultur waren schon immer der Zukunft zugewandt. „Future Is Now“, „Forward Ever“, „Backward Never“, „It’s Our Future“ lauteten die Slogans in den 90er-Jahren. Von Vinyl über CD bis zu USB haben sich die Medien verändert, von denen die Musik abgespielt wird. Während manche DJs noch immer auf die Magie der Schallplatte schwören, erweitern andere ihre Sets mit Computern, Controllern, Drum-Machines und Effekten. Wie sieht DJing in der Zukunft aus und welche Technologien stehen uns heute schon zur Verfügung?
In den 90er-Jahren bestand das Standard-Setup in der DJ-Booth aus zwei Turntables und einen Mixer. In den 00er-Jahren übernahmen Traktor und Serato erst in Form von Control-Vinyl mit DVS-Interfaces, später dann auch Controller-basiert das Geschehen. Der Laptop war immer dabei und ersetzte den Plattenkoffer.
In den 2010er-Jahren kam dann der Siegeszug der Pioneer CDJs, dank des ausgereiften CDJ-2000nxs und der kostenlosen Software rekordbox, die es DJs ermöglicht, ihre Playlisten auf dem Laptop vorzubereiten und auf den Playern im Club vom USB-Stick abzuspielen, auch wenn sie selbst keine Pioneer-Hardware besitzen. Geht das jetzt so weiter oder werden wir in den 2020er-Jahren völlig anders auflegen als heute?
DJs mögen Standards
Ein großer Teil des Erfolgs der CDJ-Serie ist dem Umstand geschuldet, dass die Bedienoberfläche seit dem CDJ-1000 relativ gleich geblieben ist. Wer sich auf einem älteren CDJ auskennt, wird sich auch auf einem neuen Model relativ schnell zurechtfinden. Und jedes neue CDJ-Topmodell adaptierte weitere Tricks, die bis dato eigentlich nur computerbasierte DJ-Software drauf hatte. Kostengünstige All-in-One-Systeme wie der Pioneer XDJ-RX bilden für 2/3 des Preises eines CDJ-2000nxs2 ein reduziertes Club-Setup im heimischen Bedroom-Studio ab.
Aber ein CDJ ist streng genommen eben auch nur ein Computer in Verkleidung, mit Soundkarte, Display und DJ-gerechtem Interface. Und der Rechner im Mediaplayer wird immer schlauer, wie es der hochentwickelte Denon SC5000Prime beweist, der per Dual-Layer-Technologie quasi zwei Player in einem darstellt.
Noch nutzt jeder Hersteller seine eigene Vorbereitungssoftware. Doch mittlerweile gibt es bereits einige Mac-OSX-kompatible Conversion-Tools wie Rekord Buddy, DJ Conversion Utility und Denon Conversion Utility, die das Konvertieren der einzelnen Libraries ermöglichen.
Streaming
Streaming via Spotify & Co. ist für Musikkonsumenten bereits völlig normal und nun auch in der DJ-Welt angekommen. DJ-Musik war bislang immer an physikalische Träger gebunden, selbst der USB-Stick ist ja Hardware. Vinyl-DJs müssen bereits vor ihrem Set eine Auswahl treffen, welche Platten in den Koffer und mit zum Gig kommen. USB- und Computer-DJs sind ebenfalls auf die Musiktitel beschränkt, die sich auf ihrem Endgerät befinden. Das wird sich in den nächsten 10 Jahren ändern.
Via Streaming hat ein DJ theoretisch Zugriff auf jedes Stück Musik, das digital veröffentlicht ist. Vor allem Pulselocker scheint sich zum „Spotify für DJs“ zu entwickeln, weil es von renommierten DJ-Programmen unterstützt wird und eine Speicherung der Titel erlaubt. Es ist möglich, dass zukünftige Standalone-Player ebenfalls mit Zugang zu Streaming-Diensten aufwarten werden.
Experimentierfreudige DJs integrieren Beatboxen wie NI Maschine 2 oder Rolands AIRA TR-8 per MIDI-Clock in ihre Sets. Pioneer hat darauf mit dem Standalone-Drum-Sampler Toraiz SP-16 reagiert, der per DJ Pro Link synchron und tight zu den CDJs spielen kann.
Standalone
Immer weniger DJs haben Lust, ihren Laptop in den Club mitzunehmen. Ein Club ist einfach ein gefährliches Pflaster für Personal-Computer: dicke, feuchte Luft, unvorsichtige Gäste mit überschwappenden Getränken, wackelige USB-Verbindungen und unzuverlässige Soundkarten. Es gibt viele gute Gründe, den Laptop im Hotel zu lassen und die Musik von anderen Quellen über eine Standard-Hardware abzuspielen.
Kompakte Standalone-Systeme wie Pioneer XDJ-RX, XDJ-R1 und Denon MCX8000 sind bei mobilen DJs schon sehr beliebt und gestatten Home-DJs die Nutzung der Prep-Softwares Rekordbox bzw. Engine Prime. Der Wunsch nach Standalone-Geräten für Traktor und Serato wird indes immer lauter, und es wir spannend sein, wie die beiden Firmen reagieren werden. Und Native Instruments erweitern Traktor mit immer kreativeren Möglichkeiten wie Stems, Remix-Decks und Step-Sequencer.
Synchronize!
In der Synchronisation der Komponenten kocht jeder Hersteller sein eigenes Süppchen. Doch auch hier gibt es Hoffnung: Ableton Link und Beat Link Trigger eröffnen neue Möglichkeiten, unterschiedlichste Systeme zu verbinden – von externen Hardwaresequenzern bis hin zu Licht- und-Videosynchronisationen.
DVS-Comeback?
DVS-Systeme galten auch mehrere Jahre lang als Übergangstechnologie. Via Timecode-Schallplatten wurden Vinyl-DJs an digitales Auflegen herangeführt, bis sie reif für den nächsten Schritt waren: Adieu schwarzes Gold, hallo kunterbunter Controller! Nun hat ausgerechnet Pioneer mit dem Interface2 neuen Schwung in die Sache gebracht. Der nächste mögliche Schritt wäre: Der DVS DJ kommt zum Gig, steckt seinen Stick in den CDJ und kontrolliert das ganze Set mit Timecode-Vinyl. Per LAN-Verbindung haben mehrere Player Zugriff auf die Musikdaten eines USB-Sticks. Warum also nicht auch ein DVS-Interface?
Und was ist mit richtigem Vinyl?
Keine Sorge, das bleibt. Vinyl boomt wieder, im DJ-Bereich wird die Schallplatte ohnehin stets ein Faktor bleiben und hat die CD quasi schon überlebt: Scratching im Hip Hop, Rotary-Mixing mit House-Music, das lebt von der Aura des Mediums Schallplatte. Lest dazu auch unser Vinyl-Special.
Party auf dem Holodeck
Internetmusiksender wie Boiler Room oder Dommune aus Japan sind längst Kult und sind gerade für Musikfans außerhalb der Club-Metropolen wie ein „Fenster zur Welt“. Die Sets der DJs und Liveacts werden live ins Internet übertragen, und die Zuschauer tauschen sich weltweit live via Social-Media oder gleich integrierter Twitter-Leiste über das Dargebotene aus. Home-Raving 2.0.
Pioneer und Evermix wollen über eigene Social-Media-Kanäle die direkte Kommunikation zwischen DJ und Publikum verstärken. Allerdings sind Facebook, Twitter, Instagram und Co. hier einfach die wichtigeren Medien.
Kürzlich hat Boiler Room in Berlin in Kooperation mit Google das Konzept VR Dancefloors erprobt, in dem die Dimensionen einer Party mit Virtual-Reality-Headsets (bewusstseins-)erweitert wurden. Die Entwicklerfirma Wave VR aus Austin, Texas geht noch einen Schritt weiter und arbeitet an einer 3D-Umgebung, in der DJs nicht nur mit virtuellen Geräten auflegen, sondern während ihres Sets eigene virtuelle Welten erschaffen und manipulieren können. Per VR-Headsets werden sich Menschen von überall auf der Welt in diese virtuellen Clubs einloggen und mitfeiern können. Homeraving 3.0.
Resümee
Trotz neuer Medien und neuer Technologien mixt ein DJ nach wie vor zumeist zwei Tracks über ein Mischpult zusammen. Das Grundprinzip ist also nach wie vor das Gleiche. Ob DJs die Grenzen des Machbaren immer neu ausloten oder strikt bei den Basics bleiben: Entscheidend ist nach wie vor die Stimmung auf dem Dancefloor. Und das wird auch so bleiben, solange Menschen ausgehen und Tanzen.
Was ist eure Meinung dazu? Wir freuen uns auf eure Kommentare!
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