Ban­d­in­ter­view: Ro­bert Carl Blank

02.02.2016
Musikvideo und Interview mit Robert Carl Blank

Interview

Um was geht's in dem aktuellen Clip "Every Mother's Son"?

ROBERT CARL BLANK: Der Song ist vielschichtig und behandelt mehrere Themen. Aber das allumspannende Thema ist Zeit, Eitelkeit und Vergänglichkeit.


Wo und mit wem hast du den Clip gedreht?

ROBERT CARL BLANK: Wir haben den Clip vor ziemlich genau einem Jahr in Hamburg gedreht. Man sieht Szenen im Schanzenviertel, am Jungfernstieg sowie in der Hafengegend. Kameramann war Philip Berstermann, ein befreundeter Fallschirmspringer. Für Make Up und die ganze Darstellung des Alterns war Agnieszka Petelak zuständig, ebenfalls eine Freundin aus der Fallschirmspringerszene. Wir hatten eine Menge Spaß zusammen an den beiden Drehtagen.


Du bist im Clip in zwei Versionen zu sehen, als jüngerer Mann und als älterer Mann. Wie ist das zu verstehen?

ROBERT CARL BLANK: Ich bin eigentlich in vier Versionen zu sehen: Als Twen (zumindest sollte das so rüberkommen), als etwas erwachsenerer Mann, dann der schon etwas reifere Typ mit Brille, und am Ende als Greis. Mir ging es darum, unsere ewige Suche und das Laufen gegen die Zeit darzustellen. Daher die Rückblicke in die Kindheit und jungen Jahre. Wir setzten auch viel Zeitraffer Bilder als Stilmittel ein. Das Video endet mit mir als Opa im Park, der dann letztlich auch noch aus dem Bild verschwindet. Was bleibt ist eine Parkbank im Dunkeln.


"Every Mother's Son" ist ein ausgesprochen schöner, wohlklingender Song. Eine Ballade, die den Spagat zwischen Hoffnung und Melancholie mühelos schafft, so wie das Leben eben: schön, aber vergänglich. Ist diese Schwingung typisch für dich?

ROBERT CARL BLANK: Ja, ich genoss noch eine eher humanistische und schöngeistige Ausbildung an Schule und Uni. Grundsätzlich kann ich mit schwarzweißen Bildern wenig anfangen. Ich bin ein großer Fan von Geschichten, die zwei Pole beleuchten und offen bleiben.


Aus welcher Quelle schöpfst du deine Inspiration? Ist das einfach so 'in dir drin und muss raus'? Oder bedarf es eines gewissen Anlasses, eines Funkens, um das Feuer des Song-Schreibens zu entfachen, wie zum Beispiel ein bestimmtes Wort, ein Bild, eine Begegnung?

ROBERT CARL BLANK: Es fällt mir heute wesentlich leichter als früher, meine innere Inspirationsquelle anzuzapfen. Ich habe guten Zugang zu vielen gespeicherten Emotionen in mir und kann sie recht gut nach oben holen. Ich hab mich aber auch viel im Hinschauen und Zuhören geübt und versuche ständig mit meinen Sinnen in Kontakt zu bleiben. Daher reicht tatsächlich manchmal auch ein Wort, ein Gegenstand, ein Bild etc., um eine Geschichte anzustoßen. Die wirkliche Arbeit kommt allerdings erst danach.


Das aktuelle Album ROOMS FOR GIANTS kam bei Mokoh Music heraus, einem Berliner Label und Musikverlag mit angeschlossenen Produktionsräumen, welches sich als Schnittstelle zwischen der Werbe-, Film- und Musikindustrie versteht. Wie bist du dort gelandet?

ROBERT CARL BLANK: Meine ersten beiden Alben erschienen bei einem kleinen Label bei Frankfurt namens analoghaus. Label Inhaber Tom Ripphahn produzierte die Alben damals auch. Der Kontakt zu Mokoh Music ergab sich über meinen Verlag Buddemusic.


Was macht das Label, was du selber nicht kannst?

ROBERT CARL BLANK: Der Deal mit Mokoh Music ist rein administrativer Natur. Über das Label erhielt ich eine professionelle Infrastruktur inklusive physischen und digitalen Vertrieb mit dem Partner Rough Trade. Ansonsten laufen sämtliche Promo-Aktivitäten etc. nach wie vor komplett über mich.


Dein Herzens-Hobby ist das Fallschirmspringen. Wie kam es dazu?

ROBERT CARL BLANK: Ich zog nach dem Studium für knapp zwei Jahre mit Rucksack und Gitarre durch Australien, und es gab ein paar Dinge, die ich schon immer mal gerne tun wollte. Segeln, Tauchen und Fallschirmspringen lernen. Ich hab alle drei Lizenzen dort auch gemacht. Ich tauche heute noch ab und zu. Beim Fallschirmspringen dagegen blieb ich stärker hängen. Ich wohnte damals für ein knappes halbes Jahr in Cairns, und ich sah jeden Tag den Bus der Fallschirmsprung Organisation in der Stadt rumfahren. Die holten da immer Backpacker an den Hostels ab für 'nen Tandemsprung. Das sah einfach nach 'ner Menge Spaß aus.


Hast du manchmal Angst beim Springen?

ROBERT CARL BLANK: Nein, gar nicht. Aber Respekt habe ich! Den sollte man nie verlieren in dem Sport, sonst kann es gefährlich werden. Wenn ich eine längere Sprungpause hatte, z.B. über den Winter, bin ich bei den ersten Sprüngen in der neuen Saison zugegeben etwas nervöser. Das gleiche passiert natürlich, auch wenn irgendeine Veränderung in der Routine passiert, z.B. ein neuer Schirm, fremdes Landegebiet usw.


Jedes mal wenn du die Gitarre anfängst zu zupfen, denke ich: saugeil! Wie hast du Gitarre spielen gelernt?

ROBERT CARL BLANK: Hahaha, danke! und einer unserer Nachbarn verkaufte eine klassische Gitarre. Er spielte auf ihr und ich wusste sofort, dass ich die haben wollte. Danach folgten zehn Jahre Unterricht bei vielen verschiedenen Lehrern. Schon von Anfang an ging es um Lieder, Liedbegleitung und Liedstrukturen. Was ein Glück! :-) Nach den ersten zwei Jahren kam allerdings der Wechsel zur E-Gitarre, und ich fing an Rock'n'Roll, Blues, Funk und auch Jazz zu spielen. Ich hab wirklich alles aufgesogen, wie ein trockener Schwamm. Ich spielte mit dreizehn schon in einer Band, mit vierzehn dann in einer Big Band. Es folgten unzählige Cover Bands aller Art. Ich setzte mir überhaupt keine Grenzen und spielte viele Songs nach, hörte mir ganze Arrangements raus. Für mich war die Gitarre immer ein Wegbegleiter, aber irgendwie auch nur ein Werkzeug, um mich auszudrücken.


Welche Musik hat dich begleitet, als du aufgewachsen bist und sich dein Musikgeschmack bildete? Welche Bands und Alben haben dir was bedeutet? Gehörte auch David Bowie dazu?

ROBERT CARL BLANK: Das änderte sich wirklich oft, und es ist sehr schwer zu sagen, was mich tatsächlich beeinflusst hat, weil ich einfach so viel verschiedene Sachen hörte. Meine erste Berührung mit Pop und Rock Musik passierte in der Grundschule mit acht oder neun Jahren. Ein Schulfreund gab mir eine Kassette mit nach Hause. "Hör mal rein" meinte er. Es war "Double Platinum" von Kiss, also das Best Of-Album. Ich wurde sofort Fan, steckte jeden Pfennig in eine neue Kiss Platte und hörte die nächsten Jahre alle Alben rauf und runter. Dazu kamen AC/DC, Van Halen und ein paar komische Bands. Später wurde es poppig und ich liebte Huey Lewis & the News. Viel 80er Pop, selbst Nena und frühen Hip Hop fand ich klasse. Aber mein Appetit wandelte sich dauernd und schnell. Plötzlich hörte ich Larry Carlton, Mezzoforte und Yellow Jackets, dann BB King und Eric Clapton, Blues, viel Blues und Soul! Wir hatten in meiner Heimatstadt einen kleinen, aber äußerst feinen Live Musik Club, und ich war als Teenager ständig dort auf Konzerten, pro Woche. Meist bei Blues, Rhythm'n Blues, Soul und Funk Bands aus aller Welt. Bei Frank Zappa blieb ich später viele Jahre hängen und hörte mir seinen kompletten Katalog rauf und runter an. Als ich mit Anfang 20 in England studierte liefen bei 'ner Party in der Students Union auf einmal "Don't Look Back in Anger" und "Wonderwall" von Oasis, und da war's um mich geschehen.


Und heute? Welche Künstler inspirieren dich?

ROBERT CARL BLANK: Die ganzen sogenannten wichtigen Künstler der 60er kamen bei mir erst viel später, als ich mich ernsthaft mit Songwriting beschäftigte. Bob Dylan hörte ich auch ein wenig, aber vor allem auch Künstler aus den 90ern wie Marc Cohn und Keb Mo taten es mir sehr an. Ich bin großer Fan von australischen und neuseeländischen Bands wie Crowded House und vor allem Powderfinger. Die Band begleitete mich viele Jahre. Bernard Fanning, der Sänger der Band, ist ein begnadeter Songschreiber und Texter. Seine Solo Alben sind permanente Wegbegleiter. Brian Vander Ark, Sänger der Band The Verve Pipe, fand ich eher zufällig und verliebte mich in sein Solo-Debütalbum. Auch die ersten beiden Coldplay-Alben fand ich großartig. Tom Waits und die Beatles sind ständige Begleiter. Heute höre ich in vieles rein, aber vieles langweilt mich auch schnell, da es immer mehr nur um Sound und Inszenierung und Form über Inhalt geht. Amos Lee und John Fulbright kann ich immer hören.


Du bist ein Hamburger Jung, aber in Frankfurt geboren. Wie bist du in der Hansestadt gelandet?

ROBERT CARL BLANK: Ich hatte schon seit ca. 2006/2007 vor, von Frankfurt nach Hamburg zu gehen. Frankfurt hatte mir nichts zu bieten als Songschreiber, und ich drehte mich im Kreis, spielte meist nur Covers in Irish Pubs. Hamburg dagegen roch nach Musik, großer Freiheit und neuen Wegen. Eines Abends, Anfang 2008, traf ich bei 'nem Schnitzel in 'ner Kneipe mit einem guten Freund endlich die Entscheidung und setzte mir 'ne dreimonatige Deadline für den Umzug. Ich verkaufte oder verschenkte das meiste von meinem Kram, lud meinen VW Bus voll und zog im Frühjahr 2008 ohne jeden Plan nach Hamburg.


Berührt dich im Moment die aktuelle Diskussion um Asylrecht und Ausweisung? Reagiert 'der Künstler in dir' auf das gereizte Klima der Zeit? Wie ist es aktuell in Hamburg?

ROBERT CARL BLANK: Das Thema berührt mich sehr, da tief in mir auch ein Flüchtling steckt. Meine ganze Familie kommt aus dem Sudetenland und ich bin von dem Identifikationskonflikt selbst auch schon immer geprägt gewesen. Dazu kommt, dass meine Mutter zur Zeit des Kalten Kriegs von Tschechien nach Deutschland floh. Nur deshalb kam ich überhaupt in Deutschland zur Welt. In mir reagiert hier allerdings nicht der Künstler, sondern eher der Mensch und Akademiker. Ich bin zutiefst humanistisch veranlagt und darüber hinaus auch studierter Politologe, und da entwickelst du einen ganz anderen Blick auf die Dinge. Ich bin ein Fan von Toleranz und kultureller Vielfalt und kann jeglicher Form von Patriotismus und Nationalismus überhaupt nichts abgewinnen. Es gleicht in meinem Kopf dem noch unausgebildeten Instinkt eines Babys, das nach der Mutter schreit. Andererseits verstehe ich aber auch, dass Politiker wiedergewählt werden wollen. Es ging schon immer nur um Macht. Warum sollte es heute anders sein? Und wer die Medien bzw. den Diskurs kontrolliert gewinnt! Hamburg, ganz nebenbei erwähnt, geht als kulturell vielfältig geprägte Stadt damit recht entspannt um. Schau dir an wie viele verschiedene ethnische Gruppen in New York leben.


Deine Booking-Fee scheint es gut mit dir zu meinen, oder?! Fast 30 Konzerte in den ersten drei Monaten des Jahres 2016! Organisierst und verhandelst du deine Gigs auf eigen Faust?

ROBERT CARL BLANK: Ich stehe auf eigenen Beinen und organisiere schon immer alles selbst (leider). Inzwischen habe ich viele Kontakte, ich bekomme aber auch Booking Anfragen von Clubs, sowie Empfehlungen von befreundeten Künstlern. Die Organisation der Konzerte ist sehr viel Arbeit, aber so ist das nun mal.


Ständig on the road ist ein Knochenjob! Reisen, fremde Betten, wechselnde Küche, mal mehr, mal weniger interessierte Zuhörer. Wie hältst du dich fit für ein solches Marathon-Programm?

ROBERT CARL BLANK: Im Gegensatz zu früher achte ich auf genügend Schlaf, vermeide jeglichen Stress, und setze mir Grenzen und Regeln. Zum Beispiel darüber, wie viel ich bereit bin von mir zu geben. Ansonsten viel Wasser trinken, lächeln und sich darüber freuen, dass man diesen Beruf ausüben darf :-)


Im Januar fand ein Songwriting-Workshop statt. Wie kam es dazu? Hast du das schon öfter gemacht? Was macht einen guten Musikpädagogen aus?

ROBERT CARL BLANK: Ich hab solche Songwriting-Workshops schon und hier und da mal gemacht, vor allem in Australien. Dann aber vernachlässigte ich das die letzten Jahre. Ich hatte letztes Jahr irgendwann die Idee, das wieder etwas aufleben zu lassen. Das macht mir riesig Spaß, und ich plane für 2016 noch wenigstens drei bis vier weitere dieser Workshops. Mein Ansatz ist es, den Schreiber in den Menschen zu aktivieren. Keiner kann einem beibringen wie man Songs schreibt. Aber ich kann dir dabei helfen, deine Blockaden zu sprengen und dir Werkzeuge mitgeben, wie du zu deiner kreativen Ader Zugang bekommst und diese pflegst und förderst.


Und dann pfeifen es die Spatzen von en Dächern und auf deinem Facebook-Profil ist ein Teaser zu sehen: nur ein Jahr nach ROOMS FOR GIANTS kommt dein neues Album. Das ging schnell! Wie weit bist du und auf was darf sich der geneigte RCB-Fan freuen?

ROBERT CARL BLANK: ROOMS FOR GIANTS lag ja über zwei Jahre in der Schublade bevor ich mich zur Veröffentlichung entschied. In der Zeit schrieb ich natürlich weiter, und ich hab das Gefühl ich bin näher bei mir angelangt. Ich lerne immer weiter, was ein unfassbar schönes Gefühl ist. Die Aufnahmen für das neue Album entstanden in Berlin und sind abgeschlossen, und im Februar mischen wir die Songs. Da ich zum ersten mal auch als Co-Produzent gearbeitet habe, und die Songs auch alle zum größten Teil selbst arrangiert habe, bleibe ich bis zum letzten Tüpfelchen auch im Raum und entscheide alle Schritte selbst. Ich bin mutiger geworden und habe meine bisher besten Songs und Texte aufgenommen. Vom Sound her habe ich mich eher an den 60er Jahren orientiert, inhaltlich ist das Album eine Gratwanderung zwischen Spaß am Leben, Mystik und Melancholie.


Last but not least: deine Top-Drei-Tipps für einen guten Song - und für einen guten Sprung :-)

ROBERT CARL BLANK: Das ist schwierig, denn ich hab so viele :-) Aber drei meiner liebsten Songs sind John Fulbright "Write a Song", Simon & Garfunkel "American Tune" und Marc Cohn "The Things We've Handed Down". Drei meiner liebsten Sprungorte sind Toogoolawah in Australien, da der Platz eine Art zweites zu Hause für mich bedeutet. Alvor an der Algarve in Portugal ist ein toller Sprungort. Alvor liegt direkt am Meer und das Dorf um den Sprungplatz ist sehr entspannend, vor allem im Winter. Ich verbinde viele Erinnerungen mit dem Ort. Sylt wäre wohl meine dritte Wahl. Witzigerweise war ich sehr oft an diesen Orten und hab dort sehr viele Sprünge gemacht. Meine Auswahl zeigt daher, wie nostalgisch ich sein kann ;-)


LINK: c-tube Profil von ROBERT CARL BLANK

Video des Tages