Ban­d­in­ter­view: Ben­der und Schil­lin­ger

07.01.2016
Musikvideo und Interview mit Bender und Schillinger

Interview

Für die, die euch mit diesem Clip und diesen Zeilen zum ersten sehen, sehen, hören und lesen können: wer ist BENDER UND SCHILLINGER?

BENDER UND SCHILLINGER: Bender & Schillinger ist eine Band aus Mainz, bestehend aus Linda Bender und Chris Schillinger. Musikalisch bewegen wir uns im Kräftedreieck von Folk, Blues und Pop, und charakteristisch für unsere Musik ist der zweistimmige Gesang, das breite Instrumentarium und die Leidenschaft, mit der wir es live einsetzen.


RENDEZVOUS heißt euer aktueller Videoclip, eine grandiose, melancholische Melodie trifft dabei auf die Kunst der Zeitlupe. Worum geht's in dem Song?

BENDER UND SCHILLINGER: Dieser Song beschreibt ein imaginiertes Treffen eines ICHs mit seinem buchstäblichen ALTER EGO (Anm. der Redaktion: hier als älteres Ego gemeint). Thema dieses Treffens ist dabei die Sorge an einem Scheidepunkt des Lebens eine richtungsweisende Entscheidung treffen zu müssen, die aus einem Selbst eine Person werden lässt, der man im Alter nicht begegnen möchte.


Und wie lässt sich der Clip verstehen, in dem ein Junge und ein Mann im reifen Alter durch einen sommerlichen Nadelwald mäandern? Es gibt mehrere Szenen, die eine gewisse Tiefe, aber auch einen irritierenden Effekt haben, so zum Beispiel die Erschöpfung beim Sitzen auf dem Baumstamm, dann als der Mann nicht mit in die Hütte möchte und schließlich das Ende, wo er wie ein Toter im Gras liegt und der Junge neben ihm ruht, dann aber aufsteht und geht…

BENDER UND SCHILLINGER: Der Clip zeigt zunächst einmal die Beziehung eines Jungen zu einem alten Mann, wobei der Junge mit seiner jugendlichen Entdeckungsfreude in krassem Kontrast zu dem alten Mann in seiner (Lebens)Müdigkeit steht. Auf einer metaphorischen Ebene bildet sich hier also der Dialog des Songs ab, bei dem der Junge das frühe Ich und der alte Mann ein mögliches älteres Ich spielt, die sich in einer Vorstellungswelt (dem Wald) begegnen. Dabei nimmt der Junge über den ganzen Clip hinweg in konflikthafter, aber auch liebevoller Art Abschied von dem alten Ich und entscheidet sich am Ende des Songs dafür, diese bleierne und lähmende Version seines Ichs ruhen zu lassen und alleine weiter nach vorne zu gehen.


Ihr seid in Mainz beheimatet. Habt ihr den Clip im Mainzer Umland gedreht? Wie habt ihr das Storyboard entwickelt? Mit wem habt ihr den bewegten Bilder umgesetzt? Wir möchten gern alles zu diesen gelungenen Video wissen.

BENDER UND SCHILLINGER: Wir sind für das Video in den Taunus nördlich von Frankfurt gefahren und haben dort auf dem Feldberg diese märchenhafte Szenerie gefunden. Dabei konnten wir uns bei dem ganzen Entwicklungsprozess des Clips auf das super Team "Von schlechten Eltern" verlassen, die auch die erste Idee zu dieser Art der bildlichen Umsetzung des Songs hatten. Uns war klar, dass der Song eine Ruhe ausstrahlt, die auch das Video transportieren sollte, weswegen uns der Regisseur zu einer durchgängigen Zeitlupe geraten hat.


RENDEZVOUS ist einer von acht Songs eures aktuellen Albums IT'S ABOUT TIME. Gibt es so etwas wie Grundthema im Album, etwas, dass wie eine Aura über den Songs schwebt bzw. sie durchzieht? Mit ihrem Country/Hillbillie- bzw. rockigen Fundament brechen die Songs SISYPHOS und 1999 das entspannte Durchhören ja ein wenig…

BENDER UND SCHILLINGER: Ja das gibt es. Es war nicht so, dass wir uns bewusst überlegt haben, dass wir ein Themenalbum schreiben wollten, sondern uns ist beim Zusammenstellen der Songs aufgefallen, dass alle Songs in irgendeinem Bezug zum Thema Zeit stehen. Sicherlich hängt das auch damit zusammen, dass viele der Songs in der Endphase unserer Studentenzeit entstanden sind, und sich an einem solchen Einschnitt im Leben oftmals Fragen nach Vergangenheit und Zukunft noch stärker aufdrängen. Daher hat das Album definitiv einen inhaltlichen Kern, der auch die musikalischen Breite von intimer Akkustiksession, zu eher martialisch daherkommender Rocknummer zusammenhält. Wir finden es auch spannend, uns genremäßig keine Grenzen zu setzen, da es auch für uns selbst so viel abwechslungsreicher ist, in verschiedenen musikalischen Bereichen zu agieren. Solange das Charakteristische für Bender & Schillinger klar herauszuhören ist, werden wir uns immer mit Händen und Füßen dagegen wehren, in eine Schublade gesteckt zu werden ;-)


Wie seid ihr letztlich das Album angegangen und worin unterscheidet sich dieses von eurem 2013er Werk [UND]?

BENDER UND SCHILLINGER: Der größte Unterschied war sicher die Studioarbeit. Während wir bei dem ersten Album fast alles live aufgenommen haben, haben wir uns für das neue Album viel mehr Zeit gelassen. So war mehr Platz für kreative Feinheiten und die Möglichkeit Songs ruhen zu lassen, wenn es mal nicht lief, um sie zu einem späteren Zeitpunkt noch ein mal anzugehen. Das ist sehr wichtig um den Kopf frei zu bekommen und es ist erstaunlich, was ein paar ‘frische Ohren’ für einen Unterschied ausmachen können. Marc Jullien, unser Produzent, hat da in seinem Studio Spielhalle ganze Arbeit geleistet. Die Arbeit war, obwohl wir uns bewusst mehr Freiraum für Spontanität nahmen, sehr viel strukturierter, was eine gute Arbeitsatmosphäre ermöglichte.
Ein zweiter großer Unterschied sind die Songs selbst. Alle sind in englischer Sprache und alle haben, mehr oder weniger direkt, mit dem Thema Zeit zu tun. Ich denke zusammenfassend kann man sagen, dass wir bei unserem neuen Album wenig, bis nichts dem Zufall überlassen wollten, weswegen wir auch zum jetzigen Zeitpunkt, also einem halben Jahr nach Release immer noch sehr zufrieden damit sind.


Mit welchem Equipment setzt ihr euren im wahrsten Sinne des Wortes traumhaften Sound um? Macht mit uns einen Rundgang durch euer Studio

BENDER UND SCHILLINGER: Zuerst mal sind da zwei Mikros für unsere Stimmen, den wohl wichtigsten Instrumenten der bender & schillinger'schen Sound-Landschaft. Die Zweistimmigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Songs und trägt so viel zu unserem individuellen Sound bei. Als nächstes kommt die Gitarre. Wir spielen beide Lakewood, beide eine M32, die sich nur im Deckenholz unterscheiden. Ich (Chris) spiele zusätzlich noch einige Effekte und Loops, die am Ende des Pedalboard in zwei Verstärker gehen. Einen Schertler Jam 150 für den akustischen Sound und einen Fender Blues Deluxe. Neustes Mitglied der Familie ist ein Nord Electro 4D. Fürs Schlagwerk ist Linda zuständig, die von der Cajon über die Marimba bis zu einem vollen Set inkl. Drumcomputer alles spielt, was ihr in den Weg kommt.


Eure Musik ist sowohl bei Apple Music als auch bei Spotify zu hören. Im iTunes Store kann man die digitalen Tracks und Alben auch kaufen. Bietet ihr in Zeiten der Nullen und Einser auch die haptischen Varianten an, Vinyl und CD?

BENDER UND SCHILLINGER: Wir legen großen Wert auf die physische Variante unseres Albums. Wir haben ein tolles Artwork und freuen uns sehr, wenn Menschen das zu schätzen wissen. Vor dem Plattenspieler oder dem CD Player zu sitzen und die Songs im Booklet mitlesen ist schon etwas anderes als die grenzenlose Zugänglichkeit des digitalen Marktes. Trotzdem nutzen wir alle gängigen, digitale Formate, die Bands unserer Größe viel mehr Vorteile als Nachteile bieten.


Seid ihr als Band mal in die Tiefe gegangen und habt genau recherchiert, wie und wo eure musik gestreamt wird und wieviel letztendlich für euch als geistige Urheber ausgeschüttet wird?

BENDER UND SCHILLINGER: Auf jeden Fall. Wir haben mit Believe Digital einen großen Partner in Sachen Distribution, der alles komplett transparent vermarktet. Wir können sozusagen live verfolgen wo und wie oft Songs heruntergeladen oder gestreamt werden. Sehr interessant. In Brasilien lebt momentan unsere zweitgrößte Hörerschaft :-) Der Verkauf bei Konzerten wirft aber trotzdem mehr ab.


Das bringt uns auch zu der immer spannenden Frage, wie ihr euch den Traum des Lebens als Musiker finanziert? Geht ihr ganz oder auch zum Teil gewöhnlichen Jobs nach, oder trägt die Summe aus Gigs, Releases und GEMA das Ganze?

BENDER UND SCHILLINGER: Die Musik finanziert uns (noch) nicht komplett. Das meiste Geld, welches wir verdienen, wird reinvestiert, kommt der Band also abzüglich der Unkosten direkt wieder zu Gute. Wir haben beide noch nebenbei kleine Jobs, die am Ende des Monats die Miete zahlen und uns so den Rücken frei halten, um die übrige Zeit mit Musik zu füllen.


Wer gehört noch zum BENDER UND SCHILLINGER-Universum?

BENDER UND SCHILLINGER: Wir haben mittlerweile ein tolles Team von noch tolleren Menschen, die uns unterstützen: Unseren Manager Siebeth aus Hamburg, der bei kniffligen Entscheidungen oftmals Zünglein an der Waage ist, unseren Produzent Marc Jullien, der uns im kreativen Schaffensprozess immer wieder neu motiviert und inspiriert, unsere Grafikerin Alice Schaffner, die das komplette B&S Erscheinungsbild geschaffen hat, unser Techniker on the Road David Hoffmann, ohne den wir in so mancher Location wieder hätten einpacken können und ganz frisch mit an Board, Tim Joppien, der uns in Booking-Fragen kräftig unter die Arme greift.


Welche Beziehung habt ihr über die letzten Jahre zu den sozialen Medien entwickelt? Wunderbares Werkzeug, um mit den Menschen rund um den Globus zu kommunizieren oder Zeitfress-Maschine, die den Aufwand der regelmäßigen Pflege nicht wirklich lohnt?

BENDER UND SCHILLINGER: Sowohl als auch. Der Aufwand der regelmäßigen Pflege lohnt sich auf jeden Fall. Heute ist man es gewohnt, fast täglich von seinen Lieblingsbands online auf dem Laufenden gehalten zu werden und die Möglichkeit der Kommunikation zwischen Band und Fanbase ist für beide Seiten viel einfacher geworden. Und doch gibt es gute Gründe, weshalb große Künstler, die es sich finanziell leisten können, ihre Präsenz bei den sozialen Medien von großen Agenturen strukturieren und gestalten lassen. Marketingstrategien, Algorithmen, Reichweitenerhöhung - wir müssen heute schon gut die Hälfte unserer Zeit für Büroarbeiten aufwenden, da ist uns die Musik am Ende des Tages doch wichtiger.


Und zum Abschluss: die aktuellen und ultimativen BENDER UND SCHILLINGER Top 5!

BENDER UND SCHILLINGER: 1. Wallis Bird - Bring me wine, 2. Mine - Katzen, 3. John Butler - Ocean, 4. Tom Klose - Wayfarer, 5. Kat Frankie - People.


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