Ban­din­terview: Cris Cosmo

09.08.2016
Musikvideo und Bandinterview mit Cris Cosmo

Wywiad

Funktioniert das, "all die Andern mit Liebe unterwandern", damit's besser wird, so wie im Song deines aktuellen Albums "Alles blau" zum Besten gegeben?

CRIS COSMO: Ehrlich gesagt, glaube ich, dass das das einzige ist, was wirklich funktionieren kann. Alles andere hat uns nicht weitergebracht, im Gegenteil, schau Dich doch mal um... Lass doch mal versuchen! :-)


Warum kommt es offensichtlich nicht dazu? Europa zerfällt (Brexit), Kalter Krieg 2.0 (Russland / Nato), Grenzen werden gesichert (Osteuropa), Mauern gebaut (Ungarn - und demnächst auch USA?), in Afrika toben Bürgerkriege (Nord- / Südsudan), eine ganze Religion (Islam) wird (zurecht?) durch den Terror stigmatisiert. Weise Worte, weiße Tauben und Blümchen scheinen 2016 nicht viel auszurichten...

CRIS COSMO: Ich glaube, die Menschheit ist wohl noch nicht so weit. Es fühlt sich so an, als müssten wir schon noch mal mindestens durch ein große globale Krise, bis alle verstanden haben, dass wir mit Love, Peace & Happiness, Fairness und Toleranz alle besser dran sind. Ich finde aber auch, dass wir gerade einen großen Sprung machen und in der Weltbevölkerung ein großes Aufwachen und connecten stattfindet. Das macht mir ernsthaft Hoffnungen.


Wieviel kann da ein Lied, die Musikwirtschaft an sich, die Popkultur insgesamt bewegen? Oder ist solch ein Anliegen schon dadurch zum Scheitern verurteilt, dass Pop zwar die Herzen anspricht, es letztendlich aber immer nur um eines Geld: Geld, Geld, Geld? Auch oder gerade in der Popmusik!

CRIS COSMO: Ich denke, wir einzelnen Menschen haben mehr Einfluss, als wir uns vielleicht vorstellen. Wir sind die 99%. Und gerade von der Popkultur werden wir doch alle geprägt wie von sonst wenigen gesellschaftlichen Phänomen. Wir sind mit Cris Cosmo ja nun nicht total berühmt, spielen aber doch x mal im Jahr vor ein paar hundert bis ein paar tausend Menschen. Da stellst Du Dir natürlich irgendwann die Sinnfrage: will ich da wirklich nur blankes Entertainment machen, ohne jegliche Message? Wofür mache ich das dann? Nur fürs Geld, fürs Ego, um bei den Ladies Eindruck zu machen? Das kann langfristig ja keine befriedigende Motivation sein. Also beginnst du, wie aktuell viele Menschen auch in anderen Berufsfeldern, etwas Sinnvolles in deinem Job zu tun. Bei uns bedeutet das, seit jeher immer auch Songs zu schreiben, die Inhalte vertreten, hinter denen Du stehst und zu hoffen, dass das für ähnlich denkende Menschen zum Soundtrack werden kann.


"Wenn jeder in seinem Umfeld andere Menschen anlächelt, respektiert und versucht sie zu verstehen, wenn wir miteinander sprechen, gemeinsam an Problemen arbeiten, anstatt uns zu bekämpfen, sind die Chancen für nachhaltigen Frieden und Glück für uns alle viel größer", so kann man im offiziellen Presseinfo zum Song lesen. Abseits dieser Poplyrik würde ich gerne mit dir in die Glaskugel schauen und dich fragen, was wir noch tun könnten auf diesem Planeten, um Schönheit und Vielfalt zu erhalten, Frieden und Freude zu bewahren?

CRIS COSMO: A) Da gibt es Dinge, die ich schon versuche, umzusetzen: Generell versuche ich, einfach weniger zu konsumieren. Keinen Kram zu kaufen, den ich nicht wirklich brauche. Generell keine Billigprodukte zu kaufen, weil da klar ist, dass irgendjemand dafür bezahlt, dass Du was sparst. Auf Tour sind wir inzwischen mit nachfüllbaren Bügel-Glasflaschen unterwegs, um unseren Plastikverbrauch zu reduzieren. Ich versuche, soweit möglich nur Bio-Essen zu kaufen, auf Fleisch zu verzichten, Travel Parties zu Konzerten organisieren, auch mal Benefiz zu spielen, wenn wir es einrichten können und hinter der jeweiligen Sache stehen, usw. Einfach eben, was in unserem Rahmen Sinn macht. Ich glaube, jeder von uns allen könnte da echt noch einiges optimieren, ohne dass man sich dafür allzu krumm machen muss. Ich versuche, jedem Menschen mit viel Respekt und mit einem guten Gefühl zu begegnen. Gerade die, von denen man vielleicht auf den ersten Blick denkt, die wären 'strange', mit dem falschen Fuß aufgestanden oder nicht mit einem selbst auf einer Wellenlänge, entpuppen sich da oft als sehr tolle Begegnungen.


B) Ich glaube, eine generelle weltweite Entspannung der Situation wäre angenehm. Das fängt mit zwischenmenschlichen Aspekten an, wie z.B. homosexuelle Partnerschaften denen von heterosexuellen gleichzustellen, Frauen und Männer gleichzustellen, Marihuana legalisieren. Die christlich-jüdisch-muslimisch-hinduistisch-buddhistische etc. Gemeinschaft zu fördern.

Ich finde es zum Beispiel fatal, dass man verschiedene Rechte genießt, je nachdem wo man auf der Welt geboren wird. Menschen werden aufgrund ihrer Herkunft nach wie vor noch diskriminiert. Das geht, finde ich, überhaupt nicht und sollte geändert werden. Wir müssen politisch und ökonomisch langfristig denken. Schneller Profit von einzelnen kommt meist vielen langfristig teuer zu stehen. Das sollte entsprechend überwacht werden. Durch ökonomisch faire und ökologisch nachhaltige Produktion würde sicher einiges weitaus teuerer werden, als wir es aktuell gewohnt sind. Dafür hätten wir alle weniger Kram, den wir konsumieren und niemand würde dafür ausgebeutet, damit sich jeder Horst hier zum Beispiel jedes Jahr einen neuen Supercomputer für die Hosentasche leisten kann. Während die Wirtschaft in den letzten Jahren und Jahrzehnten längst quasi ungehindert weltweit arbeitet, kommt die Politik nicht hinterher, sondern lässt sich von der Wirtschaft kaufen. Unser Bildungswesen ist total weltfremd und angestaubt. Deutschland hat von 2014 auf 2015 den ohnehin hohen Rüstungsexport verdoppelt. Und wir wundern uns, wenn es Kriege gibt und Flüchtlinge zu uns kommen. Nein, wir machen sie sogar teilweise dafür verantwortlich: "Sie würden uns alles wegnehmen". Dabei geht es uns wirtschaftlich besser, weil ihr Zuhause zerbombt wurde und ihre Familien tot sind. Es gibt da echt viele Baustellen...

Ich denke, als Fazit kann man sagen, dass ich es wichtig finde, dass jeder ernsthaft hinterfragt, wie er denkt, handelt und konsumiert und generell sein Bewusstsein einschaltet. Ob es tatsächlich immer der Weg des geringsten Widerstandes sein muss, oder ob man nicht mal hier und da nach Alternativen sucht, hinter denen man auch wahrhaftig stehen kann. Das nimmt dann zwar etwas Zeit in Anspruch oder ist auch mal anstrengend und kann auch nerven, aber das sollte es uns allen schon wert sein. Vor allem weil wir hier den Luxus genießen, uns das leisten zu können.


Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Reggae-affinen Mellow Mark, der genau wie du 2012 bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest auftrat? Und wie ist das mit dem Song gelaufen: habt ihr den zusammen geschrieben oder hast du 'ne Nachricht gesendet: "Hej Mark, singst mit?"

CRIS COSMO: Mark und ich kennen uns schon seit vielen Jahren, schon vor dem Buvisoco, und wir haben auch von unserem Album "Mund zu Mund" von 2012 bereits die gemeinsam Single "Wach Auf" ausgekoppelt. Ich stehe total auf seine Songs und seine Texte und er schätzt mich genauso als Künstler und Menschen, wie ich ihn. Als der Song entstand, musste ich direkt an ihn denken und habe ich ihn noch in der Entstehungsphase angerufen. Dann haben wir in den Kalender geschaut. Es hat super gepasst, dass ich ihn bei seinem Auftritt beim Afrika-Karibik-Festival in Aschaffenburg feature, bevor ich weiter nach Berlin musste. Auf dem Weg hat er mich mit zu sich nach Hause nach Brandenburg aufs Kaff mitgenommen. Abends haben wir uns ganz klassisch die Gitarren und ein paar Bierchen mit auf eine Bank am Feldesrand genommen und unter Sternenlicht den Song geknackt.


Das klingt wie aus dem Handbuch für Popromantik und man hat sofort die passenden Bilder im Kopf! Den Energie-geladenen Clip "Die Andern" habt in einer leeren Halle realisiert und nicht auf der Sommerwiese. Vergleicht man die Location mit deinen farbenfrohen Settings vorangegangener Musik-Clips wie "Scheiß auf facebook" oder "Alle in einem Boot" fällt das Musikvideo von "Die Andern" schon heraus. Brauchtet ihr viel Platz um das Tanzbein gehörig schwingen zu können oder eine möglichst graue Kulisse für die blauen Anzüge? ;-) Welche Argumente gaben den Ausschlag für so eine leergefegte Industrie-Kulisse?

CRIS COSMO: Wir waren für den Videodreh auf ein Datum beschränkt, wo wir wussten, dass die ganze Band und Mark für das Konzert beim Unifest in Karlsruhe sein würden, wo der Regisseur des Videos Serdar Dogan mit seinem Team sitzt. Serdar und ich sind vor Ort über das Festivalgelände und die Umgebung gelaufen und haben nach einer passenden Open Air Location gesucht. Das hat uns aber alles nicht so gefallen. Dann kam die unsichere Wetterkomponente und ein enges Zeitfenster aufgrund des Auftrittes dazu. Also haben wir uns viele Indoor Locations angeschaut und fanden diese leerstehende Halle einfach cool. Serdar war es wichtig, dass die Location groß ist, damit er mit Material arbeiten kann, das er sich für das Video vorgestellt hatte: Kran, Drohne und so weiter.


Apropos facebook: 'scheißt' du da immer noch drauf? Oder hast du dich mittlerweile mit den Zuckerbergs dieser Welt angefreundet und duldest sie als notwendiges Übel, wohlwissend das Weltruhm ohne sie in Zukunft kaum möglich sein wird?

CRIS COSMO: Privat scheiße ich tatsächlich weitestgehend drauf. So ein, zwei mal im Monat schaue ich mal für ein Stündchen rein, was gerade so passiert, was die Menschen bewegt, was meine Freunde so treiben. Ich habe auch kein Insta, kein Snapchat etc. und hoffe auch, dass ich es nicht irgendwann doch beruflich brauchen werde, und noch ein Medium mehr füttern zu müssen. Als Künstler nutze ich schon die Vorteile, und gebe der Community, bzw. Cosmunity Bescheid, was bei uns läuft, Konzerte, neue Veröffentlichungen oder auch mal Statements oder Feedback von Tour. Weltruhm? Prust!


Wie verteilt ihr solche Aufgaben in der Band eigentlich: gibt es einen Social Media Beauftragten der deine Profile betreut oder habt ihr das ausgelagert?

CRIS COSMO: Anika, unser Mädchen für alles, hält da mit ein Auge drauf, was zum Beispiel an Nachrichten reinkommt. Wenn absoluter Standard kommt, sowas wie: wann spielt Ihr denn da wo in München, beantwortet Sie schon mal was direkt. Auf Konzertanfragen oder echte private Anfragen macht sie mich dann aufmerksam und ich mach mich selbst ran. Von den Nachrichten abgesehen mache ich das schon selbst. Wir haben uns aber auch mal von einem Freund coachen lassen, der bestens Bescheid weiß, wie das prinzipiell funktioniert, was man optimieren kann.


Du bist nun seit 10 Jahren unterwegs und spielst Monat für Monat, Jahr für Jahr. Schaut man Clips und Kommentare an, gibts kaum einen sympathischeren Botschafter in Sachen Musik! Erhältst du Unterstützung von diversen Musikinstrumentenfirmen, sogenanntes Endorsements? Gibt es für solche Fälle Verträge? Wie sieht so was aus?

CRIS COSMO: Danke für die Blumen. Wir haben im Projekt einiges an Endorsements. Yamaha stattet mich mit Akustikgitarren aus, unser Drummer Tobi hat einen Deal mit Meinl & Tama. Orgler einen mit nord. Julian mit Fodera Bässen und Harvest Bags. Audio Technica hat einen Deal mit uns gemacht für In-Ear Funkenstrecken und Mikrofone, und rhines custom monitors für In-Ear Hörer.


Im Umfeld der Release deines vierten Longplayers "Alles blau" konnten wir 2015 lesen: "Der ewig Reisende und Sinnsuchende ist endlich im Heimathafen angekommen". Wie dürfen wir das verstehen? Dass du dich nicht mehr als Weltreisender in Sachen Musik wahrnimmst oder dass du mit deinem aktuellen Album Band und Sound für die nächsten Jahre gefunden hast? Oder hast du einfach 'nur' geheiratet? ;-)

CRIS COSMO: Haha :-) Das ist eher inhaltlich gemeint. Mehr Ausrufe- anstelle von Fragezeichen. Zu dem Zeitpunkt war ich tatsächlich in einer langjährigen festen Beziehung angekommen und auch Band und Team sind fester zusammengewachsen denn je. Weltreisender in Sachen Musik zu sein hingegen geht seit einiger Zeit wieder in eine intensivere Phase. Ich reise öfter mal nach Asien für Konzerte und knüpfe gerade wieder enge Bande nach Brasilien. Auch im europäischen Ausland gehen gerade ein paar neue Türen auf. Ist schon cool, mit Musik durch die Welt zu kommen. Ich stehe einfach total auf andere Sprachen und Kulturen.


Von deinem Booking-Kalender träumt so mancher Künstler in diesen Breitengraden: wir zählen noch fast 30 anstehende Gigs für 2016. 30!!! Wie erklärst du dir das?

CRIS COSMO: Ich denke einerseits, dass wir gerade in punkto Energie und Interaktion mit dem Publikum ein Ausnahme-Liveact sind und das spricht sich inzwischen herum. Wir bauen das Projekt nun auch schon so lange auf, dass es immer mehr Wiederholungstäter gibt, wo wir Jahr für Jahr spielen. Andererseits stecken wir seit jeher viel Zeit in unser Booking und die entsprechenden Präsentationsunterlagen und das Pflegen unserer Kontakte. Und wir arbeiten nun auch schon seit Jahren mit einigen hervorragenden Partneragenturen in dem Bereich zusammen, ganz intensiv mit ADIVA in Mannheim.


Machst du auch mal richtig Urlaub? Zwei Wochen Gitarre in der Ecke, Handy aus, Sonne am Strand, ein Caipi am Abend? Und zwischendurch ein Buch und 'ne Massage ohne im Viervierteltakt zu denken?

CRIS COSMO: Ja, so ca. alle zwei Jahre gönne ich ich mir sowas. Zuletzt war ich Anfang des Jahrs einen Monat auf Bali und tatsächlich die meiste Zeit offline. Allerdings ist meist im Alltag so wenig Zeit für Songwriting, dass ich mir gerade in diesen Situationen schon Zeit nehme, um neue Texte zu schreiben oder auf einer Gitarre 'rumzujammen', Musik mit den Locals zu machen etc. Das ist für mich nicht Teil des "Jobs", von dem ich Urlaub brauche ;-)


Wird das Album Nummer fünf auch wieder so viele 'Featurings' habe wie "Alles blau"? Immerhin hast du auf einem Drittel des Albums mit anderen Künstlern kollaboriert...

CRIS COSMO: Auf jeden Fall arbeite ich mehr denn je mit anderen Künstlern, Produzenten, Songwritern etc. zusammen. Macht viel mehr Spaß, als alleine an Songs 'rumzuwurschteln'. Aber auch aus der Band kommt inzwischen noch mehr musikalischer Input für neue Songs. Album Nummer fünf liegt für mich aber zur Zeit noch in weiter Ferne. Ich sehe aktuell nicht mehr den Bedarf, dass Leute sich ganze Alben kaufen. Alle streamen nur noch einzelne Songs. Ich genieße es gerade, dass es in die Richtung keinen Druck gibt und schreibe einfach ohne zusammenhängendes Konzept in ziemlich viele musikalische Richtungen. Mal schauen, ob es in nächster Zeit von uns erst mal nur noch EPs oder Singles in kürzeren Abständen gibt... Wenn doch ein neues Album, dann muss es auf jeden Fall ein 'All Killer No Filler-Brett' werden oder ein wirklich integres zusammenhängendes Konzept haben.


Was sollten wir in nächster Zeit auf keinen Fall verpassen?

CRIS COSMO: Das Leben an sich. Enjoy!


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