Ban­din­terview: Cedric

18.09.2015
Musikvideo und Interview mit Cedric

Wywiad

Worum geht’s in dem Song “COMMUNION EQUALS HOAX”?

Dennis: Der Song handelt davon, im menschlichen Zusammenleben ständig der Manipulation durch Dritte ausgesetzt zu sein, und dem daraus resultierenden Überdruss. Es geht um das Gefühl, dass jeder Mensch, mit dem man es zu tun hat, im übertragenen Sinne eine Maske trägt, nicht sein wahres Ich zeigt und irgend etwas im Schilde führt. Der Protagonist unseres Songs bzw. auch Videos verspürt deshalb das dringende Verlangen, auszubrechen aus diesem ganzen Gewirr aus Meinungen, Täuschung und Getriebenwerden. Das wäre eine Interpretation, aber der Song-Text hat durch viele offene Formulierungen mehrere Facetten.


“COMMUNION EQUALS HOAX” ist der erste Song, mit dem ihr, in bewegten Bildern, in den musikalischen Weltzirkus eintretet. Gegründet habt ihr euch 2013. Zeichnet für uns bitte die wesentlichen Stationen der Band-Gründung und Sound-Findung nach…

Chris: Unsere eigentliche Bandgeschichte beginnt schon etwas früher. Wir hatten alle bereits andere Bands & Projekte. Roman beispielsweise hat früher bei Simplistic gespielt, die in Sachsen in der Postrock- und Alternativ-Szene schon ein Name waren. Ich hätte schon vor Jahren gern mit Roman eine Band gehabt, aber damals war der Altersunterschied zwischen uns beiden noch etwas krasser (lacht).

Dennis: Ein Wort zu unserer Sound-Findung: Wir drei hatten, wie gesagt, alle schon vor CEDRIC mehrjährige Banderfahrung. Die Erfahrung, die zumindest für mich völlig neu war, ist der große Anteil des Spontanen in unserer Musik. Wenn wir uns im Proberaum treffen, wird sich nicht lange mit Theorie oder der neuesten Songwriting-Heimarbeit eines Band-Mitglieds aufgehalten. Wir hauen meistens einfach nur rein und sind dann – auch für uns selbst verblüffend – schon relativ nah am Endergebnis!


Mit welchen Hoffnungen ist eine solche ‘Erstveröffentlichung’ verbunden?

Chris: Wir haben uns lange damit auseinandergesetzt, wohin die Reise mit der Band gehen soll. An irgendeinem Punkt stellt sich jede Band wahrscheinlich mal die Frage nach dem "Warum". Wir sind uns einig, dass wir vor allem tolle Live-Momente erleben und so viel wie möglich touren wollen. Man kann nicht sagen, dass das Video darauf angesetzt war, möglichst vielen Leuten zu gefallen - dass es aber tatsächlich von vielen Leuten begeistert aufgenommen wurde, freut uns umso mehr!

Roman: Es hat sich auch ein bisschen wie ein Experiment angefühlt. Die Band gab es quasi vor der Veröffentlichung offiziell gar nicht. Im April haben wir dann das Video veröffentlicht und sind somit auch das erste Mal bewusst an die Öffentlichkeit gegangen. Es war für uns alle ein aufregender Moment, das Video auf den sozialen Plattformen zu teilen und die Reaktion abzuwarten. Dass so viel positive Resonanz mittelbar und unmittelbar zurück gekommen ist, hat uns doch schon ziemlich überrascht und natürlich auch sehr gefreut!


Spurensuche Teil 1: ”CEDRIC spielen intensive Songs im Spannungsfeld von Postrock, Alternative und Postpunk” kann man auf eurer Website lesen. In einer sich immer weiter ausdifferenzierenden Musik - inklusive ihrer Terminologie! - würden wir gern aus eurem Munde die wesentlichen Unterschiede zwischen Rock >>> Postrock und Punk >>> Postpunk hören. Wann entstand das Phänomen ‘Postrock’ (und auch ‘Postpunk’) überhaupt?

Chris: Postrock unterscheidet sich von der klassischen Rockmusik, die wir auch sehr gern mögen, vor allem durch ein getragenes, schwerfällig wirkendes Tempo und riesige Gitarrenflächen, die weniger als einzelne Töne wirken sollen, sondern einen tonnenschweren Klangteppich ausrollen sollen. Außerdem können wir uns weder mit den klassischen Klischees von Rock, noch von Punk identifizieren. Unsere Musik ist unpolitisch - und Hotelzimmereinrichtungen brauchen auch keine Angst vor uns haben. (lacht)

Dennis: Wir haben diese drei Orientierungspunkte genannt, damit man uns stilistisch uuuungefäähr einordnen kann. Aber wenn wir jungen Musikfans etwas mitgeben können: der Begriff Postpunk geht noch weiter zurück, bis ans Ende der 1970er Jahre. Auf diese Ära wollten wir uns nicht direkt beziehen, obwohl ich mir Bands wie Joy Division oder The Cure auch hin und wieder gern anhöre. Die späten 70er waren in musikalischer Hinsicht ohnehin eine extrem spannende Zeit!

Roman: Postrock: gewaltige schleppende schwere Flächen - fast nie mit Gesang. Post-Punk: gewaltige, schnelle, aggressive Flächen - mit viel Rumschreien. Wir: So eine Mischung eben…


Eure Heimat ist Dresden. Wie sieht die Rock-City Dresden momentan aus? Befindet ihr euch in guter Gesellschaft (oder seid ihr Botschafter und Pioniere eures Sounds)? Und wie ist das momentane (’Reiz’)Klima in dieser schönen Stadt, wenige Monate nach dem Pegida-Hoch und mittendrin in Asylantenheim-Blockaden?

Chris: Ach Mist, wir hatten es fast schon geahnt, dass wir an dem Thema Pegida nicht vorbeikommen. Aber vielleicht erst zur Rock-City. Leider haben wir den Eindruck, dass Dresden etwas eingeschlafen ist, was die Musikszene angeht. Das liegt unserer Meinung nach vor allem daran, dass die Stadt wenig Freiräume für Bands bietet, was Proberäume und Clubs angeht. Trotzdem finden sich immer wieder Perlen wie Jaguwar oder Copy of a Golden Sketch. Andere hervorragende Bands kommen zwar aus Dresden, sehen Dresden aber eher als Ausgangspunkt, um in anderen Städten und Ländern zu wirken. Wir denken da an Garda oder die fantastischen Dyse-Jungs, die international bekannt sind, aber immer noch überraschte Blicke ernten, wenn sie erzählen, dass sie aus Dresden kommen. Wirkliche Pioniere des Postrocks sind wir in Dresden nicht. P:HON zum Beispiel haben in Dresden Post-Rock bereits auf sehr hohem Niveau gemacht - vielleicht sind wir aber genau zur rechten Zeit am rechten Ort, um jetzt die Post-Rock Fahne hoch zu halten, wo das Genre gerade wenig bedient wird. Und zu Pegida möchten wir am liebsten nicht zu viele Worte verlieren - die haben schon viel zu viel Aufmerksamkeit bekommen. Wir arbeiten teilweise als Flüchtlingshelfer, was vielleicht schon genug darüber aussagt, auf welcher Seite wir stehen.

Roman: Ich finde es sehr traurig, welchen Ruhm Dresden und die Region durch Pegida und den Ausländerhass in Freital und Heidenau in den letzten Monaten eingebüßt hat. Dresden ist zur Zeit nur noch als Pegida-Hochburg bekannt. Das macht mich wütend und hilflos, und es tut mir wahnsinnig Leid für all die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen und so unwürdig empfangen werden. Neulich habe ich ein Interview mit einem kleinen Jungen gesehen. Auf die Frage hin, ob in seiner Kindergartengruppe auch Ausländer seien, antwortete er mit den tollen Worten: "Nein, da sind nur Kinder!"

Dennis: Um noch etwas Positives zu der eigentlich überhaupt nicht schönen Situation zu sagen: Vor kurzem wurde unweit von meiner Wohnung eine Sportstätte zum Flüchtlingscamp umfunktioniert. Seitdem hat es nach meinem Wissen aber auch so gar keine negativen Erfahrungen mit den Gästen gegeben, die jetzt auf Parkbänken in unserer Straße sitzen und sich völlig normal und unauffällig verhalten. So normal, wie ich mich vermutlich nicht verhalten würde, hätte ich ähnlich traumatische Erlebnisse gehabt wie viele der Flüchtlinge. Das Einzige, was auffällt: im hiesigen Supermarkt ist öfter mal das alkoholfreie (!) Bier ausverkauft! Verständlich, bei der Hitze in den letzten Wochen… Aber noch etwas zur Rock City Dresden: es mag jetzt zwar nahe liegen, dass ich das sage, aber ich bin von der musikalischen Qualität unserer Label-Kollegen auf UNDRESSED, The Naked Hands, Paisley und Cameron Lines, sehr überzeugt und habe das Gefühl, dort in bester Gesellschaft zu sein! Die Naked Hands – übrigens die Band vom Co-Gründer des Labels, Falk Louis – haben sich zwar leider nach 3-jähriger steiler Karriere aufgelöst, von Paisley und Cameron Lines hingegen wird man denke ich schon bald mehr hören!


Kommen wir zum Clip: in drei beeindruckenden Erzählsträngen flimmert uns “COMMUNION EQUALS HOAX” in die Pupille. Zum einen ist da die Quasi-Live-Performance der Band in einem nebligen Dunkel der Bühne/des Probenraums, das im Gegenlicht die intensiven Nahaufnahmen der Musiker präsentiert. Zum anderen ist da der Geschäftsmann, dem wir im Moment der Krise, des Ausstiegs aus dem Hamsterrad, seinen Latte-to-go-Becher zerknüllen sehen, während ein identisch aussehender Bettler vergebens auf ein paar Cent in seinem zerknüllten Pappbecher (genau dem des Bankers?) hofft. Während Banker und Penner der Stadt ihren Rücken kehren und ihr ‘Erweckungserlebnis’ mit der Natur und in ihr haben, kommt es zur Begegnung der beiden Protagonisten auf einen Feld. Sie erkennen einander… Mit wem und wo habt ihr diesen Clip umgesetzt? War das Label UNDRESSED RECORDS mit in die Produktion eingebunden (finanziell, Hardware, Man Power, etc.)?

Dennis: Umgesetzt wurde dieser Clip von einem engagierten und ideenreichen Team bestehend aus unserem Label UNDRESSED, dem spanischen Filmemacher und Neu-Dresdner Javier Sobremazas und uns. Wir haben uns zusammengesetzt und gemeinsam an dem Drehbuch gearbeitet. Der Hauptdarsteller in dem Video heißt Andreas Matthus, er ist Amateur-Schauspieler an der “Bühne”, dem Uni-Theater der TU Dresden. Es war fabelhaft, mit ihm Arbeiten zu dürfen! Die Drehorte befinden sich allesamt in Dresden.

Roman: Das Label hat vor allem den Kontakt zwischen uns, Javier, dem Videoproduzenten, und Andreas, dem Schauspieler, hergestellt. Außerdem waren die Jungs von UNDRESSED auch Darsteller im Clip, aber da muss man schon sehr genau hinschauen um sie zu finden.


Ein Song, ein Label (UNDRESSED RECORDS) und eine Booking-Agentur (AMADIS) - und schon geht’s auf Tour! Das klingt wie ein Traum, ist aber Realität. Denn: Zwischen Oktober und November gibt es sieben (!) Gigs in Deutschland und UK. Amtlich! Was wird es neben dem aktuellen Songs von euch noch zu hören geben?

Dennis: Es gibt von uns zwar erst ein Musikvideo, aber natürlich haben wir noch mehr Songs, die wir live präsentieren werden.

Chris: Wir sind außerdem in einem ständigen Aufnahmeprozess, den Dennis immer gern als Guerilla-Recordings bezeichnet. Stück für Stück entsteht unser Debütalbum, welches bereits jetzt an 3 verschiedenen, verrückten Orten aufgenommen wurde.


Mit welcher Back Line sorgt ihr als Trio für die ‘Wall Of Sound’? Was ist wichtig und unerlässlich, um als Trio das rüber zu bringen, wofür man im Studio auf unzähligen Spuren schichten kann?

Chris: 24-Zoll-Riesenbecken aus der Hölle! (lacht)

Dennis: Man braucht große Amps! Aber damit die Wall of Sound ihre Wirkung nicht verfehlt, sollte man bei allen technischen Hilfsmitteln in erster Linie auch versuchen, gut und tight zu spielen! (lacht)

Roman: Die "Sound-Verteilung" ist bei uns ziemlich eindeutig: Dennis ist mit seiner Gitarre der gewaltige Part. Das kommt zum einen durch den ohnehin fetten Gitarrensound, zum anderen haben wir keinen Bassisten in der Band. Also spielt Dennis per Signalsplitting gleichzeitig über Bass- und Gitarren-Amp, wodurch sein Sound wie eine Dampfwalze klingt. Meine Gitarre ist für die flächigen Sounds verantwortlich. Ich bringe also den Elefanten zum Fliegen. Beim Gesang versuche ich immer die Emotionen so authentisch wie möglich rüberzubringen - da darf auch gerne mal aus vollem Leibe geschrien oder verletzlich geklagt werden - je nachdem, welche Stimmung zum Song passt. Das Schlagzeug unterstreicht die Gewaltigkeit der Songs und ist dabei abwechslungsreich, obwohl es nur aus dem absoluten Minimal-Setup Bassdrum, Snare, Floor-Tom, Hihat und einem 24-Zoll-Becken besteht.


Spurensuche Teil 2: Auf dem Weg zum CEDRIC’schen Sound-Universum haben diese drei Helden der Musikhistorie ihren entscheidenden Beitrag gleistet:…

Chris: Für mich war definitiv die Leipziger Band ZEN ZEBRA extrem prägend. Was für eine Band! Die haben mich sowohl live als auch auf Platte immer total gepackt. Ansonsten treibe ich mich gern auf Deutschpunk-Konzerten rum. Ich liebe rohe, ehrliche Live-Erlebnisse, wie ich sie zum Beispiel bei TURBOSTAAT oder CAPTAIN PLANET in regelmäßigen Abständen erleben darf. Handgemacht ist Trumpf!

Dennis: Ich “droppe” mal einfach “names”: Soundgarden – Superunknown; Tool – Laterales; Radiohead live beim Hurricane Festival auf der “In Rainbow”-Tour – ein Traum! Ich bin allerdings seit über 20 Jahren Konzertgänger und Plattenkäufer – irgendwann wird es da schwierig, mal schnell die wichtigsten Einflüsse zu nennen. Aber die genannten kommen mir spontan direkt in den Sinn.

Roman: Ich bin ein Riesen-Fan von MUSE gewesen, allerdings bin ich von den letzten Alben doch sehr enttäuscht. Im deutschen Raum ist die Band "Blacktail" für mich ein großes Vorbild und langer Begleiter meines musikalischen Schaffens gewesen. Zur Zeit bin ich allerdings dem Künstler Ludovico Einaudi verfallen – ein Komponist, welcher es schafft, mit fast jedem Ton aus seinem Klavier Emotionen bei mir zu wecken.


Was steht neben der Tour im Herbst noch an?

Chris: Wir schrauben weiterhin fleißig am Album, nehmen mehrere weitere Musikvideos auf und tauschen uns mit anderen Bands aus. Und wie immer gilt: Nach der Tour ist vor der Tour.


LINK: c-tube Profil von CEDRIC