Ban­din­ter­view: Till Simon

02.12.2015
Musikvideo und Interview mit Till Simon

Interview

Hallo Till. Warum macht Musik die Welt (ein kleines bisschen) besser?

TILL SIMON: Hallo, ich glaube nicht, dass die Musik Kriege verhindert oder Menschen von der Gewalt abhält, dennoch glaube ich, dass die Musik viel früher schon eine gewisse Wirkung hat. Wenn man jung ist und Musik hört, sich interessiert und Platten sammelt ist es echt schwer ein schlechter Mensch zu werden. Auch wenn man manchmal hört, dass Death Metal und co aggressiv machen. Hab ich noch nie gesehen, dass sowas passiert. Eher im Gegenteil.


Welches Ende besingst du in deinem aktuellen Clip DAS ENDE? Das Ende von etwas Altem? Das Ende als Anfang von etwas Neuem? Die Betrachtung von Altlasten im Zwischenmenschlichen und das Brechen von Beziehungen? Oder das Ende, das jedem und allem als Naturgesetz inne wohnt?

TILL SIMON: In erster Linie war die Idee, den letzten Tag einer Liebesbeziehung zu beschreiben, Der Moment indem man feststellt, dass alles gesagt wurde und alles versucht wurde und man trotzdem noch einmal raus geht, um das Ding zu besiegeln. Das muss natürlich einvernehmlich sein. :-) Alles schon erlebt.


Wie siehst du diese großen Themen Leben, Vergänglichkeit, Ende? Gibt es so etwas wie einen Sinn des Lebens für dich?

TILL SIMON: Es ist die Endlichkeit, die uns treibt (Zitat), kann ich nur sagen. Mein Lebensalter wirkt sich auch auf meine Gedankenwelt aus. Es gab Zeiten, da habe ich Menschen ausgelacht, wenn sie ein Jahr im Voraus Termine machen wollten. Heute bin ich da wesentlich optimistischer. Das Ende ist ja immer da. Wenn man gerade aus der Jugend ins Erwachsenenalter stürmt macht einem das alles nichts. Aber wehe man fängt an darüber nachzudenken. Aber heute bin ich tatsächlich etwas beruhigter, kann auch mal langfristig planen, denn so alt bin ich ja auch wieder nicht.


Du kommst aus Achim. Schon immer dort gewesen? Was macht den Charme dieser 30.000-Einwohner-Stadt und dieser Region in Niedersachsen aus?

TILL SIMON: Diese Stadt kann was. Sie ist gerade groß genug um nicht komplett dörflich zu sein. Sie hat einen großen Anteil an Familien und Kinder und das macht diese Stadt lebendig. Ich mag es auch ein bisschen kleiner. Ich hab es in der großen Stadt probiert. Ist für das kulturelle und das lebendige nicht unbedingt besser. Meine Konzerte auf dem (sogenannten) Lande sind oft viel besser besucht und die Menschen erscheinen mir neugieriger. Kann aber komplett subjektiv sein.


Du betreibst hier eine Musikschule. Wie heißt sie, was unterrichtest du (und deine Mitarbeiter), wer kommt um was zu lernen?

TILL SIMON: Die Schule heißt Music School - Till Simon. Der Name ist bewußt gewählt, weil ich etwas anders dastehen möchte als die klassische Musikschule. Das soll nicht heißen, dass wir unglaublich viel besser sind. :-) Dennoch versuchen wir im Bereich Schlagzeug, Bass, Gitarre, Saxofon, Klavier und Gesang auch mal neue Wege zu gehen und die Talente nicht mit großen klassischen Lehrplänen zu erschlagen. Auch in der Früherziehung gibt es eine Entwicklung. Ich liebe es zu sehen, wie meine Kollegen moderne Inhalte verpacken und mit Freude vermitteln. Ich bin Schlagzeugdozent und bin unglaublich froh den jungen Leute die Dinge zu zeigen. Ein toller Ausgleich zum Leben als schreibender Musiker.


Dein aktuelles Album heißt VON INNEN NACH AUßEN. Ist der Titel Programm? Bist du in das Lebensalter gekommen, in der deine Reflektionen in Verbindung mit deiner Kunst dich ermutigen und befähigen, auf der Bühne zu stehen und wahrhaftig darüber zu singen?

TILL SIMON: Ja, auf jeden Fall. Der Moment, wo ich festgestellt habe, dass es Menschen gibt, die mir das glauben und feiern was ich singe, war ein ganz großer Schritt des Schreibers in mir. Ich durfte auf einmal meine Gedanken teilen. Es gibt Menschen, die mir erzählen, was es mit ihnen macht und was es aus ihnen macht. Besser geht es nicht. Ich hatte den Mut mein Innerstes zu teilen und bekomme tonnenweise zurück. Das ist ein wesentlicher Bestandteil meines persönlichen Glücks.


Wie entstehen deine Songs?

TILL SIMON: Ich habe ein Notizzettelsystem, wo ich alles an Ideen niederschreibe, und die Blätter ich fast täglich durch. Dabei entstehen immer wieder komplette Texte. Nebenbei probiere ich unglaublich viel herum und wenn mir was gefällt, bleibe ich stundenlang dabei. Dann ergibt sich was Neues und das wird dann ganz viel gespielt um es so rund wie möglich zu bekommen. Es muss ja an meinem Produzenten vorbei. Es muss gut sein. :-)


Du bist ein selbsternannter Middle Ager, jedoch ist VON INNEN NACH AUßEN dein Debütalbum. Warum musste der Wein deiner Songs so lange reifen? Und wie sahen die wesentlichen Momente dieser musikalischen Reifung aus?

TILL SIMON: Ich habe als Drummer angefangen und wollte schon früh singen. Die Frontmänner- & frauen waren da oft etwas zurückhaltend. Dann habe ich nebenbei immer wieder Gitarre gespielt, Texte geschrieben und komponiert. Da war ich 16. Dann folgte eine jahrelange Cover-Phase, wo ich meine Interpretationsfähigkeit ausgebildet habe und das auch mit einem guten Erfolg. Bis ich dann irgendwann angefangen habe eine Band zusammen zu stellen. Das war dann der zweite Versuch, wo es dann funktionierte. Seit dem wird alles andere weniger und meine eigene Musik mehr.


Welche Vorbilder haben dich dabei entscheidend geprägt?

TILL SIMON: Ich habe sehr früh von einem Freund meines Vaters CDs von Herbert Grönemeyer geschenkt bekommen. Der war noch bei Intercord in Stuttgart und weitestgehend unbekannt. Der Song SIE MAG MUSIK NUR, WENN SIE LAUT IST hat mich unendlich berührt. Da war schon ein Wunsch, so etwas zu machen. Mit 10. Später gab es dann Purple Schulz, Rio Reiser, Klaus Lage und dann noch die ganze Phil Collins-Ära. Er war ja auch Schlagzeuger und Sänger. Das war eine große Beeinflussung. Er konnte auch nur mit einem Wurlitzer unter den Fingern Geschichten erzählen. Grandios.


Kommen wir nochmal zu deinem Debütalbum. Mit wem hast du das Album produziert und eingespielt? Ist das Album, dass du im Inneren ausgebrütet hast, im Äußeren genauso geworden, wie du dir das vorgestellt hast?

TILL SIMON: Mein Produzent ist Peter Muller. Ein absolut genialer Zuhörer. Er hat einfach eine Art sich der Songs anzunehmen und sie vorsichtig mit Ohrenmaß zu perfektionieren. Wir haben relativ schnell zueinander gefunden. Ein wesentlicher Teil unserer Zusammenarbeit besteht auch aus Cappuccino trinken und diskutieren. So schaffen wir eine reibungsarme künstlerische Arbeit. Peter Muller hat schon so einige eigene (Bass) Alben produziert und schon Marcus Miller zu einem Song inspiriert. Das halte ich für extrem respektabel. Trotzdem arbeitet er nicht von oben herab. So einen Menschen trifft man nur einmal. Meine Studiokollegen sind auch von hoher Qualität. Zum Beispiel: Piet Gorecki (Keys), Matthias Zalepa (Gitarre), Bojana Tadic (Cello), Oliver Spanuth (Percussion), Ralf Stahn (Kontrabass).


Herrlich: in deinen Songs sind immer wieder kleine, ekstatische Soli zu hören, die das zum Teil äußerst zarte gefüge oder die sparsame Instrumentierung niemals auseinander reißen. Etwas - die Soli! -, was in der aktuellen Popsong-Struktur fast vollends aufgegeben wurde und was wir bedauern. Man erinnere sich doch nur mal an das Wahnsinnssolo von FOREIGNERs Megahit URGENT…

TILL SIMON: Die Soli sind natürlich auch wichtig für uns als hörende Menschen. Wir wollten zu keiner Zeit ein Album im Stile der gleichmacherischen Popproduktionen produzieren. Klassische Instrumentierung und dynamische Mischung war von Anfang an wichtig. Deswegen auch die Highlights mit den Gitarrensoli.


Das Video von DAS ENDE ist in Zeiten von digitaler Perfektion bis hin zum digitalen Overkill fast als putzig zu bezeichnen. Photoshop und Flash? Oder wie hast du es realisiert?

TILL SIMON: Dieses Video wurde in Zusammenarbeit mit AFFE & GIRAFFE erstellt, eine Künstlergruppe aus Bremen. Ich arbeite schon lange mit denen und muss sagen, dass sie es schaffen meiner Musik eine besondere Form der Bildhaftigkeit zu geben. Zumal in diesem Video keine einzige Gestaltung meinerseits steckt. Ich durfte nur antreten und für die Szenen nach Vorgaben posieren. War sehr angenehm. Die Nachbearbeitung wurde dann in ein paar Monaten fertig gestellt und ich hatte mich damit zufrieden zu geben. :-) War aber gar kein Problem, hab mich sofort in das Video verliebt.


Und welchen deiner neuen Songs findest du so gut, berührt dich so sehr, dass du stolz und glücklich über deine Arbeit bist und den Weg den du gehst, als den richtigen siehst?

TILL SIMON: Als erstes muss ich sagen, dass ich insgesamt sehr stolz bin, dass mir so ein schönes Debütalbum gelungen ist. Dennoch gibt es den einen oder anderen Favoriten. Ich höre mir gerne GIB MIR EIN BISSCHEN ZEIT, DAS ERTRINKEN und HALLO TRÄUME an.


...und was für dich noch so im Leben zählt?

TILL SIMON: Für mich ist Zeit eine schöne Errungenschaft. Wenn ich mich mal zurücklehnen kann und mein Kopf Ruhe gibt. Alles andere, also Geld, Ruhm, Liebe und Gesellschaft entsteht aus diesem Element. Meine Partnerschaft ist eine großes Ding. Die verleiht mir auch eine gewisse Ruhe.


LINK: c-tube Profil von TILL SIMON