Vorab: Ich bin mit der Soundqualität und der Verarbeitung sehr zufrieden. Das Verhältnis Preis-Leistung ist super. Ich hab allerdings den Eindruck, dass das Gerät eher für den konventionellen Studiobetrieb erdacht wurde. Für den Livebetrieb fehlen mir ein paar essenzielle Funktionen, weswegen das Audient leider wieder zurückgeht.
Ich bin Theatermusiker und hatte davor ein RME Fireface UC, das nach zehn Jahren den Geist aufgab. Rein klanglich hab ich bisher keinen Unterschied zum Fireface feststellen können. Folgende Dinge haben mich aber auf der Bühne irritiert:
- kein Midi-In und -Out. Das habe ich beim Bestellen leider übersehen. Ich schließe Masterkeyboards am liebsten direkt per Midi an, da sie per USB manchmal nicht gleich erkannt werden oder man erst einen Treiber braucht. Auch fragen die Leute vom Licht manchmal nach Midisignalen. Seltsam, dass Midi bei so einem großen Interface wegrationalisiert wurde.
- Die Cut-Funktion schaltet nur den Ausgang 1-2 stumm. Kopfhörerausgänge bleiben offen (sinnvoll), Ausgang 3+4 allerdings auch (sinnlos). Will man auf der Bühne kurz mal nur über Kopfhörer spielen und schnell alle Outputs muten, muss man am Laptop umständlich ein neues Mixer-Preset laden oder die entsprechenden Software-Fader runterziehen. Sollte etwas plötzlich viel zu laut sein, will man doch mit einem Handgriff alle Ausgänge muten oder zumindest dimmen können. Doch auch die Dim-Funktion macht nur Out 1+2 leiser. Gefährlich.
- Weder in der Mixer-Software noch mit dem großen Drehregler kann man die Lautstärke für alle Outputs gleichzeitig einstellen, also linken. Man kann auch keine genauen Werte einstellen. Das geht alles nur pi-mal-Daumen mit dem Drehregler bzw. per Fader in der Mix-App (die jedoch keine genauen Werte anzeigen). Dazu kommt noch, dass der große Drehknopf nochmal eigenständig den Output 1+2 regelt. Diese Regelung spiegelt sich aber nicht in der Mixer-App wieder und kann auch nicht per Preset geladen werden. Kurzum: Ich wüsste einfach gern, auf welchem letztendlichen Wert z.B. Output 1+2 gerade steht. -3dB? -4.9dB? Schade, dass man raten muss.
- Die LED-Pegelanzeige oben am Gerät ist viel zu grob eingeteilt und dadurch nicht mehr als ein Gimmick, vor allem, wenn man meist weit unterhalb der 0-dBFS-Grenze arbeitet. Sinnvoller wäre so ein Meter für das Ablesen der Eingangspegel gewesen.
- Die Effekt-Send und Returnwege für Input 1 und 2 sind meiner Meinung nach eine zu spezielle Funktion. Ein zusätzliches analoges Outputpaar oder eine Midi-Buchse wäre wohl für die meisten Anwender nützlicher gewesen. Die zwei unabhängigen Kopfhörerausgänge(der eine sogar in doppelter Ausführung mit Miniklinke) sind dagegen sehr praktisch.
- ist die ID-Taste aktiv, funktioniert der große Drehknopf wie ein Mausrad. Auf diese Weise kann man z.B. Plugin-Parameter verändern (solange der Mauszeiger darüber hovert), oder in PDFs herumblättern. Ein Fader in Ableton Live lässt sich so allerdings nicht bewegen, denn das geht mit dem normalen Mausrad auch nicht. Also auch eine Funktion, die nur so halb funktioniert.
- Kleines Ärgernis: Bei der Treiberinstallation wird unter Windows eine App namens "Audient App Launcher" mit installiert, die reine Bloatware ist. Man kann sein Produkt registrieren und News von der Audient-Webseite abrufen ... Also nichts, was man im regulären Browser nicht auch könnte.
- Hinsichtlich Mobilität und Transport: Es ist ein eher klobiges und schweres, aber auch sehr wertiges Interface. Auf dem Schreibtisch nimmt es ordentlich Platz weg. Für den häufigen Transport sind die ganzen Schalter und Potis auf der Oberseite zu exponiert. Man braucht eine Tasche oder ein Case mit dicker Polsterung. Sehr praktisch sind die internationalen Steckdosenadapter für das Netzteil.
- Noch eine fehlende Funktion, die man in dieser Preisklasse aber nicht erwarten kann: Die Mixer-Presets wirken sich nur auf die Submixe aus. Die wirklich praktischen Funktionen wie Input Gain, Phantomspeisung, LoCut, Pad etc. kann man nicht per Preset laden, sondern muss das jedes Mal am Gerät einstellen und checken.
Ich hab dadurch nochmal die Totalmix-Funktionalität von den RME-Interfaces zu schätzen gelernt. Mit einem Tastenclick ist der komplette Zustand des Interfaces wiederhergestellt. Wer oft zwischen verschiedenen Bühnen- oder Recordingsituationen hin- und herspringt, lernt das sehr zu schätzen.