Band­in­ter­view: Fabio Cap­pai

30.05.2016
Musikvideo und Interview mit Fabio Cappai

Interview

Aus gut informierten Kreisen haben wir erfahren, dass du dir vor kurzem auf diesem Portal hier einen neuen Bass gekauft hast. Was für ein Bass (akustisch/elektrisch)? Warum ein Bass? Warum Thomann?

FABIO CAPPAI: Haha, das war doch die Bezahlung für das Interview! Nein, im Ernst: Die letzten Jahre über stand mir der Bass eines Freundes zur Verfügung, dem der Bass eines Freundes zur Verfügung stand, der nun aber mitsamt Instrument neue Wege beschreiten wollte... Also musste endlich ein eigener her. Elektrisch, für die Aufnahmearbeiten zu Hause. Allerdings hat die Wahlmöglichkeit elektrisch/akustisch mir einiges Kopfzerbrechen bereitet. Zumal ich eh immer davon ausgehe, mich letzten Endes immer für das Falsche zu entscheiden. Da verharr ich dann ganz gern mal im Wählmodus, was mich schon 'ne Menge Lebenszeit gekostet hat... Dass ich schließlich bei Thomann zuschlug, war reiner Zufall: Da recherchiert man hier, liest Testergebnisse da, lässt sich von Rezensionen und Preisreduzierungen den Kopf verdrehen und zack: Thomann.


Dein letzter Track auf c-tube "Der perfekte Platz" hat eine berührende Sanftheit, ein Song in bester Liedermacher-Tradition, der keinen Ton zuviel spielt, in seiner Stimmung unprätentiös daherkommt, aber eine Intensität entwickelt, die auch Überraschungen bereit hält. Ein Jahr nach Veröffentlichung dieses Liedes möchten wir nochmal von dir wissen, ob der perfekte Platz für dich immer noch der besungene ist, der dem Text des Liedes nach offensichtlich die Nähe zu einem Menschen ist...

FABIO CAPPAI: Erst einmal danke für die schöne Beschreibung! Als Antwort möchte ich nochmal auf den Bass zu sprechen kommen: Hauptgrund für den Kauf war, dass ganz dringend ein Song aufgenommen werden muss, nämlich ein Walzer für den anstehenden Hochzeitstanz. Tatsächlich kann nämlich auch ich mich mal 'richtig' entscheiden. Da muss man erstmal mit klarkommen, tagtäglich zu merken, dass man alles richtig gemacht hat und etwas perfekt ist. Dass man sich nicht mehr wie gewohnt einfach nur beklagen und bemitleiden kann.


Besingst du eine alte oder eine Liebe oder Freundschaft?

FABIO CAPPAI: Es geht also in der Tat um eine reale Liebe im Hier und Jetzt, da ist kein Wort Fiktion in dem Song.


Mit "Der perfekte Platz" hast du ganz offiziell deinen bisherigen Künstlernamen Taugewicht an den Nagel gehängt und dich zu deinem italienisch-sardischen Namen Cappai bekannt. Also, Fabio Cappai, woher der Mut keinen Künstlernamen mehr zu verwenden sondern deine bürgerliche Identität?

FABIO CAPPAI: Nun ja, das Gute an einer gesunden und funktionierenden Beziehung ist ja unter anderem, dass man das Gefühl hat, man ist ok so, wie man ist. Dass man sich nicht mehr hinter irgendwas zu verstecken braucht, z.B. hinter einem Künstlernamen. Ich hab auch grad noch einen älteren Song auf c-tube hochgeladen, "Mag dich", quasi der Vorgänger vom "Der perfekte Platz", da hatte ich auch noch Taugewicht verwendet...


Wir haben deinen Taugewicht-Songs in einem früheren Interview (2012) mal wie folgt beschreiben: "Deine Songs haben neben deiner Stimme eine besondere Ebene: Melancholie gepaart mit Leichtigkeit und verbunden mit einer gehörigen Prise Zuversicht, Freude, Lebensmut und Humor. Sie wirken aber trotz ihrer vordergründigen Unbeschwertheit auch ein bisschen schwermütig und manchmal traurig - Musik für den Übergang aus der Nacht in den Tag, wo beide Seiten noch miteinander ringen." Mit "Der perfekte Platz" ist dir unserer Meinung nach selbiges gelungen. Woher kommt dieses Schwermütige, Melancholische in deinen Songs? Ist das die Summe der Enttäuschungen, die ein menschliches Leben nun mal so anhäuft? Oder schlichtweg etwas, dass sich in dir so ausdrücken möchte?

FABIO CAPPAI: Wohl eher Letzteres, denn ein ach so schweres Schicksal habe ich nicht vorzuweisen. Gerade in der heutigen Zeit des medialen Dauerbeschusses von Informationen über Leid und Elend all überall. Wie kann man sich da noch ernsthaft beschweren wollen, wenn man über fließend Wasser, 'nem Dach überm Kopf und soziale Kontakte verfügt? Andererseits: Wie soll man bei all dem Chaos und der Verzweiflung denn nicht schwermütig werden? Und dann schaut man sich um und sieht so herzzerreißend schöne Dinge wie zum Beispiel perlende Regentropfen auf trägen Seen und fragt sich, wie man das alles unter einen Hut bringen soll, all diese Eindrücke. Bei mir entlädt sich das dann in solchen Songs.


Wie läuft es mit deiner Musik insgesamt? Hast du mal ernsthafte Versuche gestartet jemanden in einem Label für dich zu Begeistern? Oder liegt dir daran gar nicht so viel, da du mit deiner Erzieherausbildung genug um die Ohren hast?

FABIO CAPPAI: Früher ja, da hab ich viele CDs verschickt, nach Ansprechpartnern geforscht oder auch mal direkt in Studios vorgespielt. Ist aber lange her. Ja, die Ausbildung hat zwei Jahre lang viel Zeit verschlungen. Da frisst der funktionierende Alltag immer größere Löcher in das Ausleben der Kreativität. Weshalb musikalisch in letzter Zeit nicht wirklich was bei mir gelaufen ist, leider. Andererseits gab es auch neuen Input. So hab ich zum Beispiel während meiner Praktika mit Kindern musizieren können. Als ich nach Monaten nochmal meine erste Praktikumsstelle besuchte, sangen mir alle Kinder lauthals ein 'Feuerwehrlied' vor, das ich während der Praktikumszeit geschrieben und mit den Kindern einstudiert hatte, mir wären fast die Tränen gekommen! Für die Präsentation meiner Facharbeit durfte ich in einer anderen Kita ein Musikvideo mit den Kindern erstellen. Das war ein Heidenspaß und ich fand das Ergebnis so gelungen, dass ich es gerne der 'Sendung mit der Maus' oder ähnlichen Formaten angeboten hätte. Leider erhielt ich nicht von allen Eltern die Zustimmung hierzu. Mittlerweile bin ich aber wieder als Fahrradkurier unterwegs, da die Prüfungskommission nicht allzu angetan von der Präsentation meiner Facharbeit war...


Erzähl uns doch bitte mal vom Berliner Song Contest und dem Berliner Pilsener Music Award. Wir hatten gehofft dich da mal auf einer Bühne sehen zu können. Leider vergeblich...

FABIO CAPPAI: Tja, da rafft man sich auf und bewirbt sich und ist von dem Moment an völlig durch den Wind vor Aufregung, weil man sich denkt: nach all den Jahren wird man bald wieder auf einer Bühne stehen! Und dann: nix. Einerseits Erleichterung, weil man sich schön weiter verstecken kann, andererseits... Was soll das? Ich bin wirklich der Letzte, der eingebildet ist, aber dass mein Zeugs nicht gut genug für diese Formate ist, darauf war ich nicht gefasst gewesen. Vorletztes Jahr hatte ich mich sogar ganz größenwahnsinnig für The Voice Of Germany beworben. Nicht weil ich denke, ich könnte sowas gewinnen, aber einfach, um mich mal einem größeren Publikum zu präsentieren. Da wurde ich zwar eingeladen, aber pünktlich zum Vorsingen war ich natürlich ordentlich erkältet, so dass ich mich leider, leider weiter verstecken durfte...


Als Kind und Jugendlicher haben dich Künstler beeindruckt wie Stephan Sulke, Bolt Thrower und Testament, auch Simon & Garfunkel und besonders Morrissey. Was ist zu diesen Artisten in den letzten Jahren noch dazu gekommen, was hörst du heutzutage gerne?

FABIO CAPPAI: Wie gesagt, der Alltag frisst und knabbert sich seine immer größeren Löcher ins Leben, die Zeiten der Muße oder gar Langeweile werden immer weniger. Die Ausbildung, mehrere Umzüge in den letzten Jahren, dies und das... Dazu kommt, dass ich nicht mal mehr morgens Radio höre, weil es nicht einen Sender gibt, den ich auf Dauer ertrage. Oder gibt es einen Sender, der nur gute Musik ohne Dauerschleifen und vor Allem ohne Nachrichten bringt? Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal in Ruhe eine CD ganz durchgehört habe. Erschreckend. Vielleicht werd ich ja auch nur alt und brauche meine Ruhe?


Bist du der Idee, dich mal von einem Produzenten führen und leiten zu lassen, um alles aus deinen Songs raus zu holen, mal näher gekommen? Ist das für dich auch eine Frage des Geldes?

FABIO CAPPAI: Ich wär der Letzte, der sich gegen eine solche Zusammenarbeit wehren würde. Im Gegenteil, das wär ein Traum, eine professionelle Produktion meiner Songs! Ich würd vermutlich bekloppt vor Glück werden und bräuchte jemanden, der mir permanent zuflüstert: "Bedenke, auch du bist nur ein Mensch...". Aber ja, wer soll diesen Traum bezahlen? Als Kurier verdiene ich zwar genug zum Leben, aber nicht genug, um mir mit Geld Träume verwirklichen zu können.


Welche Änderungen deiner Ansichten hat dir die bisherige Arbeit mit Kindern gebracht?

FABIO CAPPAI: Ach, ich bin da ja durch meine beiden Töchter quasi schon vorbelastet gewesen, die hatten mich ja überhaupt erst auf die Idee gebracht. Kinder können genau solche Monster oder Engel sein, wie Erwachsene. Nur, dass sie dich viel direkter spiegeln und dir klarmachen, dass du in allem, was du tust, Einfluss auf's Große Ganze nimmst. Erschreckend und beruhigend zugleich...


Nenne uns bitte drei deiner absoluten Lieblingssongs:

FABIO CAPPAI: "There Is A Light That Never Goes Out" - The Smiths, "No Aphrodisiac" - The Whitlams, "Mr. Brightside" - The Killers.


LINK: c-tube Profil von FABIO CAPPAI

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