Ban­d­in­ter­view: Bern­hard Eder

16.02.2016
Musikvideo und Interview mit Bernhard Eder

Interview

Hallo Bernhard. Vermisst du manchmal das österreichische Farmleben deiner frühen Kindertage?

BERNHARD EDER: Ich vermisse es immer wieder mal, aber ich habe ja nach wie vor die Möglichkeit, an den Bauernhof zurückzukehren, was ich auch regelmäßig mache. Meine Mutter freut sich dann auch immer über Hilfe und ich genieße wiederum die Abwechslung und körperliche Arbeit ;-)


Und wie sieht es mit Berlin aus? Deine Heimat für einige Jahre (2006 - 2008)... Hast du "noch einen Koffer in Berlin", wie man in der Hauptstadt zu sagen pflegt - und wenn man der Meinung Ausdruck verleihen möchte, dass man die Stadt (vermeintlich) nie wirklich für immer verlässt?

BERNHARD EDER: Ich war nach meiner Berlinphase sehr regelmäßig in der Stadt, da gab's auf alle Fälle noch einen Koffer in Berlin. Seit ein paar Jahren bin ich allerdings auch am Max Reinhardt Seminar in Wien tätig und deshalb hat sich der Schwerpunkt eindeutig dahin verlagert. Wobei ich nach wie vor versuche so 2-3 Mal im Jahr für ein paar Tage nach Berlin zu kommen, meist im Zuge einer Tour.


Worin besteht deine Tätigkeit im Max Reinhardt Seminar?

BERNHARD EDER: Hauptsächlich bin ich für Musik und Ton für die Inszenierungen zuständig. Das ist ein ziemlich weitläufiger Begriff - sehr oft schreibe ich Musik, oder bin zumindest für das musikalische Konzept zuständig. Derzeit proben wir für "Glaube Liebe Hoffnung", welches Ende Januar Premiere hat. Da vertone ich das gesamte Stück live mit E-Gitarre, und habe auch noch eine Rolle als eine Art Clown. Meine Maske sieht übrigens aus wie eine Mischung aus Alice Cooper und Kiss;)



Was waren die Beweggründe für deine Rückkehr nach Wien?

BERNHARD EDER: Es waren keine wirklichen Beweggründe - ich hatte mit meiner damaligen Freundin eine einjährige Auszeit geplant, die wir dann auf zwei Jahre verlängert hatten. Danach musste sie aus jobtechnischen Gründen zurück und ich habe mich gegen eine Fernbeziehung und somit auch für Wien entschieden.


Das aktuelle Video "Turn On" ist aus deinem bereits fünften Album "Nonsleeper", das in 2015 erschien. Wie kam es zu diesem Titel? Hast du ruhelos auf deinen Schlaf verzichtet, um die Kunst zu verwirklichen oder leidest du an der Volkskrankheit Schlafstörung?

BERNHARD EDER: Der Titel beruht auf beidem: ich hatte lange Zeit Schlafstörungen (die ich nun größtenteils im Griff habe), andererseits bin ich auch sehr oft viel und lange nachts unterwegs. Quasi das Yin und das Yang des Nonsleepers - manchmal will er nicht schlafen, und dann wieder möchte er, kann aber nicht.


Mit wem hast du das Storyboard entwickelt und den Clip realisiert?

BERNHARD EDER: Die Idee hatte ich schon länger im Kopf. Ich habe dann begonnen befreundete Schauspielerinnen zu fragen ob sie Lust hätten mitzuspielen, in meiner fiktiven Girl Band. Parallel dazu hatte ich schon Kontakt mit Jean de Oliveira, der zuvor schon zwei meiner Videos produzierte. Wichtig war noch der Drehort, und da hatte ich echt Glück: ich habe zufällig mit einem befreundeten Musiker über den geplanten Videodreh gesprochen und er hat mir die Arena Bar Varieté ans Herz gelegt - ich kannte den Club bis dato nicht, und der Ort war perfekt!


Im Clip "genderst" du in einem Nachtclub zwischen unsicher-tollpatschigem Spießbürger und Drummerin einer Frauen-Band. Wir versuchen die Pointe zu verstehen: ist der Typ, der sein Zögern über den Eintritt zu Beginn durch die drei ihm zuvor kommenden Ladys überwindet, einfach in den falschen Club geraten, nämlich einen für lesbische Liebe? Darauf könnten auch die Traum-ähnlichen Sequenzen ganz am Schluss schließen lassen, bei denen in überbelichteten Bildern die Band verschlungen und Hang-over-mäßig kuschelt. Möglicherweise liegen wir auch ganz falsch... Hilf uns weiter bitte :-)

BERNHARD EDER: Meine Idee war, dass alle Charaktere zwei Rollen abbekommen und die parallel im Video ablaufen. Und am Schluss dann alle gemeinsam im Bett liegen, einfach um nochmals zu verwirren ;-) Die Frauen-Kuss-Szene war eine quasi politische Entscheidung, da zu der Zeit des Drehs das Café Prückl gerade in aller Munde war, da sie ein lesbisches Paar des Lokals verwiesen haben. Da haben wir kurzerhand die Szene mitreingenommen.


"Turn On" könnte auch ein relaxter Tom Petty-Song sein... Wie waren die Reaktionen auf diesen Laid Back Smooth Rock Song?

BERNHARD EDER: Das freut mich, dass endlich jemand die Tom Petty Referenz raus hört :-) Ich hatte meiner Band vor den Aufnahmen nahegelegt dass sie den Song sehr Petty-mäßig spielen sollen, also vor allem die schleppende Rhythmussektion. Die Reaktionen waren sehr gut, auch wenn manche sehr überrascht waren, da sich der Song doch ziemlich von meinen alten Sachen unterscheidet. Es sind zumindest dadurch viele Leute auf mich aufmerksam geworden - der Song war auf #2 der österreichischen Indie Charts und befindet sich auch auf diversen Samplern (u.a. auf einer "New Noises" vom Rolling Stone).


Hier passt dann auch die Frage nach der Schublade, die man mag oder nicht mag, aber in einer Musiklandschaft, deren Diversifikation und Fragmentierung aufgrund neuer Strukturen, neuer Hard- und Software, globalen und gesellschaftlichen Veränderungen immer weiter voran schreitet, sind Schubladen oft eine gute Orientierung, um das Phänomen Musik irgendwie zu verstehen - gerade auch für Heranwachsende. Wenn wir uns "Nonsleeper" anhören, gibt es einen ganzen Schrank voll herrlicher Schubladen, u.a. Radiohead, Beatles, wie Tocotronic Unplugged auf englisch, Singer/Songwriter, Indie u.v.a.m. Wie siehst du dich in dieser großen Musikwelt verortet?

BERNHARD EDER: Ja, ich mag das wenn man mich in keine Schublade stecken kann. Gerade bei diesem Album ist die Vielfalt noch mehr als bei den Vorgängern. Ich hatte anfangs sogar Angst, dass es zu bunt werden würde und es keinen roten Faden gibt, auch soundtechnisch gesehen. Am Ende hat es wieder funktioniert, wobei die Reihenfolge der Songs diesmal schon ziemlich wichtig war.


Was hast du beim fünften Long Player anders gemacht als bei den vieren zuvor?

BERNHARD EDER: Ich habe mich im Sommer 2013 für zwei Wochen in meine Wohnung "eingeschlossen" und Tag für Tag jeweils einen Song erarbeitet. Tagsüber aufgenommen und nachts an den Lyrics geschrieben. Diese strikte Arbeitsweise war neu, aber nötig, da ich sehr überraschend eine Studioförderung bekommen hatte und für ein paar Tage in einem Aufnahmesaal im Wiener Radiokulturhaus aufnehmen konnte - dafür brauchte ich allerdings erst mal das Material. Und ich hatte keine Vorstellung wohin das Album gehen könnte, habe viel mit alten Synths und Heimorgeln experimentiert und vor allem die E-Gitarre wieder mehr eingesetzt. Bei meinen ersten Alben habe ich auch den Mixdown übernommen, diesmal wollte ich mal etwas anderes probieren und Herwig Zamernik (Fuzzman) von den befreundeten "Naked Lunch" gefragt bzw. hatten wir schon mehrmals über eine Zusammenarbeit gesprochen. Über das Ergebnis bin ich sehr, sehr happy - man muss da schon manchmal loslassen können, das fällt mir immer sehr schwer.


Auf welchem Equipment spielst du für gewöhnlich?

BERNHARD EDER: Ich spiele hauptsächlich eine Yamaha CGX171CCA Akustikgitarre mit Nylonsaiten. Was E-Gitarren betrifft, verwende ich bei den Aufnahmen meist eine Fender Telecaster und einen alten Fender Twin (Red Knob), hin und wieder greife ich auch zu meiner Epiphone Casino, vor allem wenn ich Pickings einspiele, die warm und voll klingen sollen. Außerdem setze ich auch immer wieder gerne mein Fender Rhodes ein, und zwei alte Heimorgeln - ein Yamaha Electone und ein Hohner GP93. Man merkt schon, ich bin ein leidenschaftlicher Sammler alter Instrumente.


In Zeiten von Streaming und nicht-physischen Musikzeiten: wie läuft es insgesamt mit deiner Karriere als renommierter österreichischer Indie-Artist? Kannst du deinen Konzerten, GEMA, Tonträgern und Streaming-Pennys vollumfänglich leben?

BERNHARD EDER: Es ist möglich davon zu leben, man muss halt ständig dahinter sein - viele Konzerte spielen, Platten veröffentlichen und vor allem connecten. Ich habe seit ein paar Jahren mein zweites Standbein mit Theatermusik, deshalb fällt da viel Druck weg. Die Jahre davor hatte ich rein von meiner Musik gelebt, und teilweise war das schon sehr knapp.


Was gab den Ausschlag für das zweite Video zum Album, "Bird Away"?

BERNHARD EDER: Die Idee entstand gemeinsam mit Denis Mähne (in Berlin lebender Künstler), der schon länger mal ein Video mit mir machen wollte. Ich hatte klar die Idee dass ich eine Art Vogelwesen darstellen möchte (eine Hommage an den leider eben verstorbenen David Bowie, einer meiner wichtigsten Einflüsse), Denis wollte unbedingt mit einer alten 8mm-Kamera drehen und hat hierfür Nina Reble, eine Kunststudiumskollegin gefragt. Der Drehort hat sich eher zufällig ergeben: der Großteil entstand am Bauernhof meiner Mutter, lediglich ein paar Szenen wurden bei einem alten Kohlebrecher gedreht.


Auf der von dir im Oktober 2015 zusammengestellten Benefiz-Compilation "Melodies for Refugees" versammeln sich zwanzig heimische Popmusiker und Popmusikerinnen von Kreisky über Fijuka bis Attwenger. Wer bekommt eigentlich was? Und wer sorgt dafür, dass solch eine gute Idee nicht vorher in den Schatullen der Rechteinhaber und technischen Anbieter versandet?

BERNHARD EDER: Der Reinerlös geht zu 100% an die Initiative Helfen.Wie.Wir - einer gemeinsamen Initiative von diversen NGO's (z. B. Caritas, Volkshilfe, Rotes Kreuz) und dem ORF. Nachdem alle beteiligten Musiker ausnahmslos auf irgendwelche Entschädigungen verzichten und auch Graphiker, Fotografen und Studios unverbindlich ihren Teil beigetragen haben, gab es kaum Produktionskosten, und diese wurden letztendlich wiederum via SKE-Tonträgerförderung gedeckt. Das ist schon eine großartige Erfahrung, wie viel Unterstützung man plötzlich bekommt, wenn man ein solches Projekt realisieren will. Die Compilation ist auf meinem eigenen Label Tron Records erschienen, deshalb habe ich auch die Übersicht. Außerdem habe ich mit Recordbag und dem Vertrieb Hoanzl zwei tolle Kooperationspartner, die mich auch schon während der äußerst knappen Produktionsphase tatkräftig unterstützt hatten.


Aus einer wunderbaren Coverversion, "Tonight, Tonight", wissen wir, dass du auf Smashing Pumpkins stehst. Auf was stehst du sonst noch?

BERNHARD EDER: Ich bin da ein ziemlich bunter Hund was meinen Geschmack betrifft, ich hatte im Leben schon alle mögliche Phasen. Derzeit höre ich viel und gerne: das neue Album (und eigentlich alles) von David Bowie, Sufjan Stevens, Villagers, Spoon, Midlake und das Unknown Mortal Orchestra. Zu meinen All Time Faves gehören die Beatles, Stones, Neil Young, Jackson, Chet Baker, R.E.M., Radiohead, Blur, Oasis und und und. Meine allererste Lieblingsband waren übrigens die Pet Shop Boys, die lieb ich noch immer.


Für 2016 hast du dir Folgendes vorgenommen:

BERNHARD EDER: Mehr Zeit für mich und meine Freunde :-) Ein neuer Tonträger wird auch erscheinen, aber davon will ich noch nicht zu viel verraten. Und natürlich werde ich wieder viele Konzerte spielen, die Tour-Planung ist gerade voll im Gange. Auch Konzerte außerhalb des deutschsprachigen Raums sind geplant - gerade eben bekam ich die Zusage für ein Festival in Island, und sogar eine Anfrage für Konzerte in Mexico. Es wird sicherlich wieder ein aufregendes Jahr.


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