Harley Benton Aging – Norbert und seine selfmade Relic

Harley Benton Aging – Norbert und seine selfmade Relic

Norbert arbeitet bei uns in der Recording-Abteilung und hat seinem Basteltrieb freien Lauf gelassen. Er hat sich eines unserer Harley Benton Kits geschnappt und mal selbst Hand angelegt, um sich seine bierduschentaugliche Relic Strat zu bauen. Ob das wirklich alles so geklappt hat, wie er es erhofft hat, erfahrt ihr jetzt.

Mit seiner Fender Strat würde er nicht so umgehen, aber beim Harley Benton Bausatz um 69 € wurde er schwach – zu verlockend war es, einfach mal selbst Gitarren-Aging zu betreiben und alles auszuprobieren, was man mit Instrumenten normalerweise nicht macht. Und wenn was schiefgeht, hätte er immer noch ein schönes Deko-Objekt. Grundsätzlich sollte die Strat aber spielbar sein: glasiger Funksound in einem Outfit, bei dem es nicht so wehtut, wenn mal jemand Bier drüber kippt oder sie runterfällt. Auf Guides zum Relicen hat Norbert bewusst verzichtet und seiner Fantasie und den Hausmitteln seiner Mutter freien Lauf gelassen:

„Nach dem Auspacken habe ich den Bausatz erstmal zusammengesetzt – um sicherzustellen, dass alles passt und funktioniert. Dann habe ich mich daran gemacht, dem Korpus mit Stechbeitel und diversen scharfkantigen Bohrern Macken zu verpassen. Die ersten paar Macken haben echt weh getan, aber man härtet schnell ab. 🙂

Ein wenig Kaffee und ein bisschen  Spülmittel haben noch niemandem geschadetDann wurde alles in die Duschwanne gepackt und mit einer Mischung aus Kaffeesatz und Spülmaschinenpulver behandelt. Nach dem Abspülen habe ich festgestellt, dass sich das Zeug fast rückstandslos wieder ablöst. Ich habe also einen zweiten Durchgang gestartet und die Pampe nach dem Einwirken über Nacht mit dem Föhn getrocknet und abgebröselt. Das Ergebnis war schon mal nicht schlecht, aber nicht ganz das was ich erwartet hatte.

Die Bausätze sind mit einem Porenfüller vorbehandelt. Das ist sehr vorteilhaft, wenn man eine glatte Lackoberfläche will, aber wenn man – wie in meinem Fall – möchte, dass sich schöne Schmutzränder bilden, ist das eher hinderlich.

Der nächste Gedanke war, den Korpus im Garten zu vergraben. Die Erdsäuren sollten die Oberfläche nach meiner Vorstellung soweit mürbe machen, dass das Holz aufnahmefähiger für die Kaffeeattacken wird. Hier hat mir leider meine Ungeduld einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nach zwei Tagen in feuchter Erde habe ich den Body wieder ausgegraben. Der Effekt war minimal. Um das gewünschte Ergebnis zu erzielen, hätte das gute Stück vermutlich mindestens einen Monat in der Erde liegen müssen. Daraufhin habe ich die noch nasse Oberfläche mit einem Heißluftföhn auf höchster Stufe schockgetrocknet. Einige Mikrorisse und ein paar dunklere Flecken waren das Ergebnis.

Den Hals wollte ich keiner übermäßigen Feuchtigkeit aussetzen, aus Angst, dass er sich verziehen könnte. Ich habe zunächst die Schraubenöffnung des Halsstabes mit Wachs verschlossen, damit hier nichts oxidieren kann und den Hals dann mit feuchtem Lehm eingeschmiert. Und nach dem Trocknen den Lehm einfach mit der Hand abgerieben.

Lecker Zwiebelsud! Die Oberflächenstruktur entsprach nun schon meinen Vorstellungen, aber die Farbe war nicht dunkel genug. Besonders am Hals. Ich habe also auf ein altes Hausmittel meiner Mutter zurückgegriffen, das normalerweise verwendet wird, um Ostereier zu färben: ausgekochte Zwiebelschalen. Das gibt ein dunkles rotbraun. Mit einem starken Espresso verdünnt kommt eine schöne Erdfarbe raus. Ein Tropfen Spüli hilft, damit das Ganze gut ins Holz einzieht. Damit habe ich noch einige Male den Korpus befleckt und zwischendurch immer wieder mit einem Föhn getrocknet, um einen dunkleren Farbton zu erreichen. Um die klassischen Salzränder auf dem Griffbrett zu erhalten, habe ich das Ganze noch mit Salz vermischt und um die Bünde herum mit dem Salzstreuer nachgelegt.

Die Metallteile habe ich mit Feile und Sandpapier zerkratzt und dann mit Essigsäure beträufelt. Ich war erst enttäuscht, dass sich nichts getan hat, aber nach zwei Wochen waren herrliche Oxidationen zu erkennen.

TeatimeDie Plastikhardware habe ich zunächst auch mit Sandpapier aufgeraut, mit einer Feile zerkratzt und teilweise mit dem Feuerzeug etwas getoastet. Danach habe ich alles über Nacht in schwarzen Tee eingelegt: eine schöne gelbliche Färbung kam dabei raus. Das Pickguard wurde nach dem Montieren noch mit dem Heißluftföhn gequält, wodurch eine elegante „3D-Wölbung“ entstand.

Am Ende habe ich den Hals nochmal mit feinem Sandpapier angeschliffen und alle Holzteile mit Mohnöl eingerieben. Bei geölten Instrumenten dient die Ölschicht ja normalerweise dazu, das Instrument zu schützen. Bei dieser Gitarre ist es anders herum: Die Ölschicht ermöglicht es, die Gitarre zu spielen, ohne Kaffee- oder Lehmflecken auf der Kleidung zu haben. Sie riecht aber noch nach Kaffee und Erde was ich ganz reizvoll finde. 🙂

Die Gitarre habe ich mit der mitgelieferten Elektronik getestet. Gar nicht mal so schlecht. Die Pickups klingen für den Sound, den ich für diese Gitarre wollte, allerdings zu mittig. Für Mittel- und Halsposition habe ich also die Pickups aus einer Classic 60s Mexico-Strat verwendet. Die haben relativ wenig Output und einen eher höhenbetonten Sound. Für die Stegposition ist ein TexMex PU zum Einsatz gekommen, der mehr Power liefert und einen etwas mittigeren Leadsound ermöglicht. Leider haben die geageten Pickupkappen bei zwei der neuen PUs nicht gepasst. Deshalb sind momentan noch zwei blütenweiße Pickupkappen zu sehen. Ich muss also wieder Tee kaufen …

Mein letztes Langzeitexperiment mit dieser Gitarre ist die dauerhafte Einwirkung von UV-Strahlen und Hitze. Sprich, einfach mal ein paar Monate in der Knallsonne im Auto liegen lassen (bitte nur mit entbehrlichen Instrumenten nachmachen). Nach einem Monat konnte ich erstaunt feststellen, dass sich der Hals nicht verzogen hat. Sogar die Stimmung hält sich trotz hochsommerlichen Temperaturen erstaunlich gut. Soundveränderungen können über diesen Zeitraum natürlich Einbildung sein, aber ich habe den Eindruck, dass sie irgendwie „trockener“ bzw. „holziger“ klingt. Genau das war das Ziel der Aktion. Auch der leicht verwitterte Grauschleier, der sich langsam durch die Sonneneinstrahlung bemerkbar macht, ist hübsch anzusehen.“

Sein Ziel hat Norbert nicht ganz erreicht: Die Gitarre ist zu gut geworden und ihm während der Arbeiten daran zu sehr ans Herz gewachsen: Es würde ihn jetzt wohl doch stören, wenn jemand Bier darüber schüttet. 😉

Eigentlich sollte sie noch etwas kaputter aussehen, dafür würde er beim nächsten Projekt alle Holzteile vorher grob abschleifen, um die Schicht Porenfüller loszuwerden. Dann sollte das Holz den Schmutz besser annehmen können. Das mit dem professionellen Gitarrenbau überlegt er sich allerdings nochmal, aber just for fun mal wieder einen Bausatz zusammenspaxen, würde Norbert jederzeit. Dann wahrscheinlich ein LP- oder V-Style mit psychedelischer Acrylbemalung.

Der Bausatz klingt trotz dem ganzen Aging unverschämt gut, überzeugt euch selbst:

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Meon ist Gitarrist und Blogger. Er arbeitet seit 7 Jahren bei Thomann und ist permanent von Musik, Musikern und Instrumenten umgeben.

11 Kommentare

    Finde ich cool.
    Habe bereits vor vielen Jahren, als der „Relic-Kult“ aufkam eine No-Name Telecaster neu gekauft, ausgepackt , zerlegt und bearbeitet. Mit allen möglichen Ideen und Tricks. Auch das Treppe hinunterwerfen des Bodys kam recht gut und das Bearbeiten mit einem Hammer. Nach der gesamten Prozedur haben meine Gitarrenkollegen gesagt: „Oh, die muss ja schon alt sein.“ Auf meine Antwort: „Nicht ganz, neu gekauft vor einer Woche“ sah man mich ungläubig an. So kanns gehen. Denn Relich war zu der Zeit noch nicht in aller Munde.

    Hallo Peter, das mit der Treppe runterwerfen und dem Hammer klingt ja verrückt. Beste Grooves wünsche ich dir mit dem Teil! 😉

    Mit so einem Müll (ich meine jetzt optisch, nicht technisch) würde ich nicht auf die Bühne gehen, da würde ich mich schämen. Meine Ibanez ist inzwischen 17 Jahre alt und weil ich sie behüte wie meinen Augapfel ist sie genau so schön wie am ersten Tag. Glaubt ihr das Publikum findet das Spielen besser wenn die Gitarre schrottig aussieht ? Mich würde interessieren ob die Leute sich auch einen neuen BMW kaufen und ihn dann erst mal mit Schleifpapier behandeln damit er gebraucht aussieht …

    Hallo Bernd, danke für dein Feedback. Yup, ist ein kontroverses Thema und natürlich immer Geschmackssache, jeder wie er mag. Rock on mit deiner Ibanez! Liebe Grüße. Franziska

    Die Idee finde ich klasse!!!
    Auch das ganze Geschichte macht die Gitarre sehr besonders! der Norb hatte eine exzellent Idee, hats voll drauf. Die Gitarre habe ich selber auch gespielt und lies sich Hammer spielen… Also Respekt und Glückwunsch! Ich würde schon sehr Stolz mit so einer Gitarre auf die Bühne gehen! Wichtig ist wie gut man Gitarre spielt… 🙂

    Warum muss eine Gitarre alt aussehen? Diese bescheuerten Modegags gehen mir auf den Keks.Ein guter Gitarrist behütet seine Gitarre.

    Schon alleine bei dem 1. Foto mit der Gitarre, die im Gras leigt, krieg ich Pickel! Der Sinn der ganzen Aktion erschließt sich mir überhaupt gar nicht.

    Hi, wir wollten nur über die Basteleien von Norbert berichten, die ich auch echt abgedreht finde. 🙂 Grüße – Franziska

    was ein blödsinn!!!! hau das ding zusammen, spiele es sechs jahre, wie es sich gehört – und gut iss! du kaufst ja auch kein neues auto, bei dem an der ersten ampel die bodenplatte durchbricht. ja, ich kenne diese jeans auch mit den weißen stellen – lächerlich, einfach albern. ich habe eine jeans, die hab ich mit 38 jahren gekauft, jetzt bin ich 64 und die jeans 26, da ist kaum noch was original dran, aber wer braucht das schon. so einfach ist das: nix tun außer hier und da reparieren – basta! viele grüße an die vielen jungen ungeduldszitterer da draußen im land – hasta luego!

    Also Leute mal ehrlich:

    Was soll den das Gezeter und die Aufregung. Wir Gitarristen lieben doch alle unsere Gitarren. Ob wir jetzt mit ihnen im Gras liegen oder sie nur bei Mondschein polieren ist doch mal ganz egal. Da kann man sich doch so Sprüche schenken wie : Ein guter Gitarrist behütet seine Gitarre.
    Ich sage, ein guter Gitarrist lebt mit seiner Gitarre und liebt es auf ihr zu spielen. Das ist doch schon alles. Und das reicht auch

    Hey danke Dir für das Teilen deiner Relic-Experiment-Erfahrungen!
    Ich steh total auf den Vintage Look. Für mich sehen die Gitarren so einfach viel individueller und lebendiger aus. Ich steh auch auf Oldtimer, alte Röhren-Radios und das Knistern von Vinyl Platten 🙂
    Cheers

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