Ban­din­ter­vi­ew: Fa­ce­lift

19.04.2016
Musikvideo und Interview mit Facelift

Entrevista

Hallo Facelift! Der folgenden Titel eilt euch voraus: "Grazer Indie-Pop Institution"! Wie ist der für Musikfans zu verstehen, welche die österreichische Musikszene nicht so gut kennen?

FACELIFT: Nun, es gibt nur mehr ganz wenige Bands aus der Zeit unserer Gründung. Die meisten haben schon lange aufgehört. Wir haben unser Ding immer konsequent durchgezogen, uns nie an Trends angehängt. Facelift stehen für eine Art und eigenen Stil, wie wir Musik machen. Wenn man Gitarrenmusik im Geiste von Indie-Poprock mit einem Hauch Punk mag, dann weiß jeder in Graz (eigentlich in Österreich) wo man das bekommt.


Würdet ihr von euch selbst behaupten, dass eure Band in Österreich Kultstatus besitzt? Was heißt Kultstatus heutzutage überhaupt? Schließt das kommerziellen Erfolg ein oder eher aus, getreu dem Berliner Motto "arm, aber sexy"?

FACELIFT: Der Kultstatus, wenn man das so sagen kann, wächst. Es kann schon vorkommen, dass die kleine Schwester oder der Sohn eines "alten" Faceliftfans bei einem Konzert auftaucht. Motto: Hab im Kasten ein Facelift-T-Shirt gefunden, fand's cool, oder zufällig 'ne CD von euch aus Papas Sammlung angehört. Und was uns aufgefallen ist: dass immer mehr ganz junge Leute unsere Musik hören. Von manchen Ecken wurde uns aber auch immer wieder vorgeworfen, wir wären unzeitgemäß. Das sind die gleichen Sender oder Magazine die Angepasstheit (mit der Zeit gehen) als total scheiße bezeichnen... hahaha! Tja, was soll ich dazu dann noch sagen ;-) Aber die Meinung über uns teilt sich ja in eine überwiegend positive Gruppe und eine überschaubare mit einer negativen Haltung. Und das passt schon so. Wenn uns alle super fänden, wäre da was faul. Was den Erfolg im kommerziellen Sinne angeht: leben können wir nicht davon. Aber unser Label, Pate Records, mit dem wir seit 15 Jahren arbeiten, veröffentlicht und finanziert unsere Scheiben auch nicht nur aus Nächstenliebe. Nicht reich, aber dafür sehr sexy ;-)!


Bezüglich des kommerziellen Erfolges hätten wir gerne noch eine weitere Einordnung. Wenn es nicht zum Leben reicht, wie realisiert ihr den Traum des Musikerlebens?

FACELIFT: Die Produktionen, Videos, Promotion und all der Kram decken sich und unter dem Strich bleibt ein Kleinwenig über. Fürs Leben gehen wir arbeiten. Im Grunde haben wir aber, was wir immer wollten. Wir können uns frei bewegen und es kann schon vorkommen, dass jemand in einem Supermarkt gerade Facelift hört und keine Ahnung hat, dass er gerade neben einem von uns steht. Aus Persönlichkeitskult haben wir uns nie was gemacht. Ich möchte, dass man sich mit unserer Musik beschäftigt und sich nicht darüber Gedanken macht, welche Unterwäsche wir tragen.


Und jetzt steht eine Tour in China an, mit vier Gigs in Peking und einem Nachschlag auf chinesischen Sommerfestivals. Wie kam es dazu?

FACELIFT: Unsere Plattenfirma hat gute Kontakte nach China, da sie dort Musikbücher (Klassik aus Österreich) für den Schulunterricht vertreibt. Die Agentur, die uns jetzt in China vertritt, war auf der Suche nach einer Band aus Europa. Etwas, was es dort kaum oder gar nicht gibt. Und Gitarrenmusik mit weiblicher Frontfrau - das war's auf Anhieb. Das scheint in China eher außergewöhnlich zu sein - dort sind wir nun die Exoten.


Wie fühlt sich das an, als Künstler in ein so großes Land zu fahren, das auf der einen Seite eine mehr als fünftausendjährige Kultur vorzuweisen hat, auf der anderen Seite Menschenrechte und Meinungsfreiheit fragwürdig auslegt?

FACELIFT: Spannend wird es in jedem Fall. Schon im Vorfeld mussten wir ja Texte und Gesinnungen erklären. Da gibt es natürlich eine straffe Zensur. Uns tangiert das nun mal künstlerisch erstmal gar nicht, da wir ja textlich/inhaltlich unpolitisch sind. Was das alles allerdings dann wirklich bedeutet, das kann ich erst beantworten, wenn wir dort waren. Ich möchte mir da schon ein Bild machen, wie sich das auswirkt. Soweit dies in so kurzer Zeit überhaupt möglich ist. Andererseits muss ich einwenden, dass sich Europa zurzeit auch nicht gerade vorbildlich hinsichtlich Menschenrechten und Meinungsfreiheit verhält.


Kommen wir auf euer aktuellen Album "The Falling Trees" zu sprechen. Es ist das mittlerweile sechste Studioalbum seit 1997. Was habt ihr bei diesem Album entscheidend anders gemacht als bei den Vorgängern?

FACELIFT: Wir haben die Basics in drei Tagen eingespielt, zwei Tage Overdubs und Mix. Aus. Ganz kurz, keine Basteleien. Zudem haben wir erstmals auf Vinyl veröffentlicht.


Welche Überlegungen, Absichten, Wünsche lagen einer Vinyl-Veröffentlichung von "The Falling Trees" zugrunde? In welcher Auflage presst ihr solch ein Sammlerobjekt und wie kostspielig ist eine Vinyl-VÖ?

FACELIFT: Musik ist ziemlich beliebig in der Konsumation geworden. Vinyl hat immer noch was "heiliges". Eine Schallplatte kauft man nicht so einfach und wirft sie wie eine CD ins Eck. Teurer ist es schon, aber die Fans haben es begeistert aufgenommen. War also die richtige Entscheidung.


Drückt der Titel des Albums die Sorge um unsere Natur aus, die man in eurer Heimat besonders intensiv erleben kann? Berge, Seen, Wälder - Österreich ist faszinierend; meine Besuche in eurer Heimat sind jedenfalls unvergesslich...

FACELIFT: Als Tourismusbotschafter sehen wir uns weniger. Man sollte das eher im Sinne von Aufbruch und Veränderung sehen. Stell dir einen alten Wald vor, mit vielen mächtigen Bäumen. Manchmal verstellt es einem, bei aller Schönheit aber den Blick auf ganz andere, wesentliche Dinge. Aber bitte auch nicht als Aufforderung zur großzügigen Rodung sehen. Etwas Großes, Starkes, Altes muss manchmal gedanklich einer neuen Idee weichen. So kann man es wohl am besten erklären. Veränderung bedeutet leider oftmals schmerzhaften Verlust.


Und um welche Enttäuschung geht's in der dazu ausgekoppelten Single "A Little Disappointment"?

FACELIFT: Es geht um die Enttäuschung, dass zwei Menschen neben einander sitzen, lieben und schätzen, aber sich so schwer tu,n den anderen zu verstehen. Sehr banal und doch so oft erlebt. Aber hier geht's ja gut aus. Letztlich reicht es ja, wenn sich beide ein wenig den anderen hineinversetzen können. Alles muss man nicht verstehen.


Wie aufwendig war es, den Videoclip zu "Tonight" in Stop-Motion zu fotografieren? Oder besorgt das eine entsprechende Software auf Knopfdruck? Mit wem habt ihr das Video realisiert

FACELIFT: Die Frage reiche ich gleich an den Produzenten weiter. Er ist ein alter Freund von uns und hat sich angeboten einen Clip zu machen...

Martin Radlingmayer: Das Video in Stop-Motion zu fotografieren war natürlich etwas aufwendiger, da dies nicht per Knopfdruck passiert. Vielmehr besteht das Video aus vielen einzelnen Bildern, die dann mit der Videoschnitt-Software nacheinander gereiht werden.


Für uns Musikredakteure war es grandios, praktisch eure gesamte Geschichte und euren Sound im iTunes Music Store vorzufinden und komplett darin eintauchen zu können. Wie ist das eigentlich für euch: begrüßt ihr das, weil jeder auf der Welt per Klick Facelift finden und hören kann? Oder ärgert es einen, da der gewöhnliche Income für den Stream eurer Songs das geistige Eigentum eines Künstlers nicht in angemessener Weise honoriert?

FACELIFT: Mir ist es schon wichtig, dass viele Menschen unsere Musik hören, aber es hat natürlich den Preis, dass es immer schwieriger wird Musik in hoher Qualität aufzunehmen. Man muss sich als Künstler zunehmend Gedanken machen, wie man hier vorgeht, ohne selbst den totalen Ausverkauf zu starten und dabei unterzugehen.


Wieviel Energie und Achtsamkeit verwendet ihr für die digitale Performance von Facelift?

FACELIFT: Mal mehr, mal weniger. Gibt einfach Phasen, da sind wir etwas faul damit. Aber im Großen und Ganzen versuchen wir das so gut wie möglich zu machen. Ist einfach eine sehr wichtige Sache.


Ein letzter Blick in das angedachte Handgepäck für den Flug nach China: diese drei Dinge dürfen auf gar keinen Fall fehlen ;-)...

FACELIFT: Handy, Zahnbürste und ein Familienfoto.


Und in der Peking-Playlist eures Smart Phones sind für den Flug unter anderem diese Songs dabei:...

Clemens: Kings of Leon "Sex on fire", Johnny Cash "Hurt", Snow Patrol "Take back the city", Marc Lanegan/Isobel Campbell "Come Undone".

Andrea: TV on the Radio "Wolf like me", Wolfmother "White Unicorn", Bloc Party "Hunting for Witches".

Norbert: The Police "Can't stand loosing you", David Bowie "Lazarus", Jackie Mittoo "Macka Fat".


Das Interview beantwortete Clemens Berger (Gitarre & Vocals).

LINK: c-tube Profil von FACELIFT