Ban­din­ter­vi­ew: Pais­ley

09.12.2015
Musikvideo und Interview mit Paisley

Entrevista

Wir klicken auf "More Time" - und BÄÄÄNG! Wir werden in die Redaktionscouch gedrückt, Starkstrom-Garagensound, wie zu den Hochzeiten der Punk-Ära aus UK. Seid ihr die amtliche Fortführung einer hybriden Mischung aus Sex Pistols und Arctic Monkeys?

PAISLEY: Wir müssen ehrlich sagen, dass "More Time", wenngleich er auch unser "Hit" ist, etwas aus dem Rahmen der anderen Songs fällt. Generell kann man unsere Musik aber definitiv als eine hybride Mischung aus verschiedenen Stilrichtungen sehen.


Wie genehm sind euch überhaupt Vergleiche mit anderen Künstlern? Fühlt man sich da verkannt oder überhöht, "verschubladet" oder in völlig falscher Gesellschaft? Oder ist das in Zeiten ständig wachsender Diversifikation ein probates Mittel, um Musik auch abseits der eigentlichen Zielgruppen verstehbar zu machen?

PAISLEY: Generell freuen wir uns immer, wenn wir zu hören bekommen, dass manche Songs klingen wie von Oasis oder den Libertines. Dementsprechend fassen wir solche Vergleiche eigentlich nie als Beleidigung, Verkennung oder falsche Einordnung auf. Manchmal wird uns auch erst durch solche Vergleiche bewusst, welchen Stil welcher Song einschlägt. Bemerkenswert ist, dass wir wirklich sehr oft mit Bands verglichen werden, die wir auch privat extrem feiern, das freut uns dann natürlich sehr.


Wovon handelt "More Time", in dem diese niederschmetternde, mit Wut rausgebrüllte Zeile im Refrain vorhanden ist: "…but you always tell me to keep my head down…"? Für was wird mehr Zeit benötigt? Für das Aufbegehren, die Revolution, die Entwicklung, das Wachstum?

PAISLEY: "More Time" als ganzer Song verkörpert die typische 'Fick dich-Einstellung' gegenüber allem was Stress verursacht. Die Hauptaussage "I need more time, to waste some more", also ich brauche mehr Zeit, um noch etwas mehr verschwenden zu können, spricht dies ganz gut aus. Also weg mit allem, was uns in unserem Leben irgendwie einschränkt und auf die Nerven geht.


Wie haben sich die vier Männer von PAISLEY in Dresden gefunden? Bitte erzählt uns die Geschichte eurer Formierung!

PAISLEY: Eine der klassischsten Interview-Fragen :-) Also, kurz zusammengefasst: Liam und David kennen sich seit Kindergartentagen und wuchsen beide in der Nähe von Böblingen (bei Stuttgart) auf. Mit 17 Jahren gründeten sie ihre erste Band, die Common Colours. Wenn man sich die (zugegebenermaßen eher mäßigen) Aufnahmen anhört, sind auf jeden Fall diverse Parallelen zur Musik von Paisley zu erkennen. Live spielen wir auch immer noch zwei der ganz alten Songs aus diesen Tagen. Nach dem Abi zog Liam mit seinen Eltern in die Nähe von San Francisco. David entschied sich nach einigen Überlegungen und Abwägungen zum Studieren nach Dresden zu gehen. Das Studium und die Stadt Dresden motivierten Liam dazu - obwohl gerade erst umgezogen - wieder nach Deutschland zurückzukehren und ebenfalls in Dresden zu studieren. Nach einiger Zeit entschieden sich die beiden dazu, wieder eine Band zu gründen. Zunächst mit einem anderem Bassisten und Schlagzeuger wurden die ersten Proben durchgeführt. Relativ schnell war jedoch klar, dass diese Konstellation auf lange Sicht nicht funktionieren würde, woraufhin per ultramodernem Facebook-Post nach einem anderen Bassisten Ausschau gehalten wurde. Auf diesen Post antwortete dann Fabian, spielte vor und es war sofort klar, dass er die Band mit seinem außergewöhnlichen Bassspiel enorm pushen würde. In dieser Konstellation nahmen wir im Sommer 2013 die ersten Songs auf. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Drummer und dem Rest der Band, planten wir Ende 2013 ein weiteres Casting (dieses Mal für einen neuen Drummer). Luis, gerade erst nach Dresden gezogen bzw. noch als Obdachloser bei Freunden wohnend, setzte sich ans Schlagzeug und jammte mit uns auf "More Time". Unsere Entscheidung stand sofort fest!


Wie entwickeln PAISLEY die Songs? Jam Session, Home Recording, One-Man-Show? Gibt es einen Anspruch bezüglich der Themen?

PAISLEY: Völlig verschieden. Da Liam englischer Muttersprachler ist, schreibt er alle Texte. Ansonsten entstehen oft bei jedem zuhause diverse Riff-Ideen und sonstiges, welches dann in der Probe vorgespielt wird. Je nachdem wie diese Ideen dann ankommen, werden sie zu kompletten Songs ausgebaut oder verworfen. Nach diesem Prinzip entstanden bislang die meisten unserer Songs. In seltenen Fällen entstehen auch aus Jamsessions komplett neue Songs, allerdings experimentieren wir in Jamsessions oft so viel, dass die meisten Ideen stilmäßig nicht wirklich verwertbar sind. Allerdings verwenden wir Jam-Sessions definitiv um an bereits bestehenden Ideen weiterzuarbeiten - das ist ein wirklich wichtiges Element. One-Man-Shows gab es bei uns eigentlich nicht (höchstens im Bezug auf die Texte), da jede Idee von der gesamten Band bearbeitet und ausgebaut wird.


Was hat es mit eurer Villa in Flöha auf sich? Noch kein Album released, aber schon 'ne Villa?!? Das ist amtlich! ;-)

PAISLEY: Man sollte nicht jeden unserer Facebook-Posts ernst nehmen :-) Letztes Wochenende hatten wir die Ehre zu einem Polterabend in ebendieser Villa spielen zu dürfen.


Kunst drückt das Innerste von Menschen aus, und Kunst kann auf Missstände und Verzerrungen aufmerksam machen. Als eine Band aus Dresden, in der erwiesenermaßen die Stimme der besorgten Bürger gegen eine Islamisierung des Abendlandes ihre Hochburg hat, möchten wir natürlich wissen, wie ihr das wahrnehmt, die Hetze, diese Parolengröhlerei, was ihr davon haltet und wie ihr euch dagegen stellt, falls ihr diese fremdenfeindliche Gleichmacherei, genau wie wir, nicht ertragen könnt?

PAISLEY: Als Dresdner Band bekommen wir diesen ganzen Müll natürlich hautnah mit, da er beinahe täglich vor unserer Haustüre stattfindet. Als Band befindet man sich aber leider immer in einer Art Zwiespalt, da wir uns schon vor langer Zeit darauf geeinigt haben, unpolitisch bzw. politisch neutral zu bleiben. Daher gibt es bisher auch keinen einzigen Song der sich auf irgendein strikt politisches Thema bezieht. Allerdings fällt diese Ausländerhetze nicht nur in den politischen sondern insbesondere in den moralisch menschlichen Bereich. Wir tragen als Band, die insbesondere in der Dresdner Musikszene mittlerweile immer mehr polarisiert, natürlich eine wachsende Verantwortung. Aufgrund dessen verfassten wir neulich einen ausführlichen Facebook-Post der unsere Ansichten detailliert erklärt, mit dem klaren Apell, dass jeder, der sich angegriffen fühlt, unsere Seite gerne disliken darf. Ansonsten ist es aber schwer, etwas zu unternehmen wenn selbst der Staat und die Polizei, wie beispielsweise im Dresdner Vorort Heidenau, versagen. Wir hoffen dass sich jeder selbsterklärte Patriot mal die Zeit nimmt, sich genau zu überlegen, wie sich diese Menschen fühlen, was sie auf dem Weg hierher durchgemacht haben, nur um hier mit Hassparolen und Gewalt empfangen zu werden. Allem voran das finanzielle Argument, dass diese "Wirtschaftsflüchtlinge" uns allen nur das Geld klauen wollen und unserem Land langfristig schaden. Wir fragen uns, wie man finanzielle Sorgen über das (Über)Leben eines Menschen stellen kann. Das ist in unseren Augen einfach nur widerlich und zeigt, dass die Menschlichkeit in den Köpfen dieser Menschen immer mehr abzusterben scheint.


Bekommt eure Heimatstadt Dresden durch die Pegida langfristig gesehen einen Schaden zugefügt? Müssen sich Menschen aus Dresden nun besonders verhalten oder äußern, um nicht generell in eine fremdenfeindliche Ecke gestellt zu werden?

PAISLEY: Definitiv. Das Image Dresdens musste seit Ende letzten Jahres viel mitmachen. Leider neigen insbesondere Menschen von außerhalb dazu, zu pauschalisieren. Hier wohnen nicht nur Pegida-Befürworter und Asylkritiker, nein im Gegenteil: Die meisten hier verurteilen genau diese Menschen bzw. deren Haltung. Es ist schade, dass Dresden mittlerweile als Ausländerhass-Hochburg gilt. Eigentlich ist es eine weltoffene, interessante und kulturell starke Stadt. Diese Eigenschaften mussten aber leider für die Hassbotschaften Platz machen.


Auf welche Künstler schaut ihr momentan mit leuchtenden Augen und sagt "Wow! die haben's drauf! Die sind einfach geil!". Nennt uns ein paar!

PAISLEY: Definitiv die Libertines mit ihrem neuen Album "Anthems for a doomed youth". Allerdings stellen die für uns sowieso schon immer ein musikalisches und stilistisches Vorbild dar (unschwer zu bemerken). Ebenfalls interessant ist das Nebenprojekt von Dan Auerbach (Black Keys) namens "The Arcs" - Empfehlung! Snarky Puppy ist eine der Bands, die mit unserer Musik absolut nichts gemein haben, uns aber dennoch in ihren Bann gezogen haben - Jazz mit Electro- und Rock-Einflüssen. Ansonsten wäre da noch einer unserer All-Time Favourites aus dem Newcomer- bzw. Amateurbereich zu nennen, Mother´s Cake. Geile Band aus Österreich - was die Skills der einzelnen Musiker angeht, unerreichbar!


Welches sind die "Drei heiligen Scheiben des Rock'n'Roll", die ihr mit in euer Grab nehmen möchtet falls es im Jenseits einen Schallplatten- oder CD-Spieler geben sollte? ;-)

PAISLEY: Wir nennen mal drei pro Person:
David: "Yours, Dreamily" (The Arcs), "What’s the Story Morning Glory" (Oasis), "Let it bleed" (The Rolling Stones)
Liam: "Definitly Maybe" (Oasis), "Abbey Road" (The Beatles), "Up the bracket" (The Libertines)
Fabian: "Redemption" (Marcus Miller), "Favorite worst Nightmare" (Arctic Monkeys), "Flint" (Bill Laurence)
Luis: "Creation’s finest" (mothers cake), "Wish you were here" (Pink Floyd), "We like it here" (Snarky Puppy)


And what comes next?

PAISLEY: Generell arbeiten wir momentan auf ein Album hin. Wann es soweit ist, steht allerdings noch in den Sternen. Für dieses Jahr haben wir noch ein paar Überraschungen parat - aber das werdet ihr dann schon sehen.


LINK: c-tube Profil von PAISLEY