Rig-Rundown & Interview mit Blind Guardian

Rig-Rundown & Interview mit Blind Guardian

Für den „deutschen Metal” hat der Ruhrpott eine zentrale Rolle gespielt. Hier bildeten sich in den 1970er und 80er Jahren zahlreiche Bands, die, zunächst ihre Helden kopierend, nach und nach eigene Sounds und Stilrichtungen schufen. Kein Wunder also, dass das seit 2003 im Herzen des Reviers ausgetragene Rock Hard Festival bei seiner bereits 18. Auflage vom 13. bis 15. Mai 2016 in besonderem Maße auf heimische Bands setzt. Neben internationalen Größen wie Cannibal Corpse und Turbonegro standen so speziell der Freitag (u. a. Tankard, Destruction und Sodom) sowie der Sonntag im Zeichen des „German Metal”, und so fand das Festival mit den Fantasy-Metal-Helden von Blind Guardian einen krachenden Abschluss.

Ein paar Stunden vor dem Gig bekamen wir zudem noch die Möglichkeit, Blind-Guardian-Gitarrero Marcus Siepen ausgiebig zu seinem Live-Equipment zu befragen …

Kannst du uns einen Überblick über das Gear der aktuellen Tour geben?

Marcus mit seiner Les Paul Custom„Gitarrentechnisch bin ich eigentlich komplett mit Gibson unterwegs seit vielen, vielen Jahren. Bin Liebhaber, Sammler, Endorser, … Hauptsächlich Les Pauls, davon verschiedenste Modelle: Les Paul Custom, Standard, Premium, Plus, Classic, eine Siebensaiter, eine Traditional, alles querbeet. Ich hab jetzt gerade für diesen Run ein bisschen neu bestückt – ich hatte letztes Jahr ein paar andere dabei, aber man will ja auch mal wechseln. Unabhängig von den Les Pauls hab ich grade neu eine siebensaitige SG, an der ich großen Spaß habe. Die ist gerade neu rausgekommen, limitiert auf 300 Stück, und ich bin einer der glücklichen Besitzer. Eine Flying V, eine Explorer – wie gesagt: alles Gibson. Das meiste davon ist mit EMGs bestückt, meistens zwei Stück der 81er, Der "Gitarrenparkplatz"alternativ auch 57er oder 66er am Hals. Zwei sind auch mit Seymour-Duncan-Pickups bestückt: Die Explorer hat das Black-Winter-Set, was ich sehr mag, und die siebensaitige Les Paul hat das Nazgul-Sentient-Set. Eine hat auch von John Suhr die Doug-Aldrich-Pickups, die Signature-Pickups von ihm, die ich sehr, sehr mag. Für akustische Sachen hab ich zwei Epiphone SST Studio, das sind im Prinzip Kopien der damaligen Chet-Atkins-Solidbody-Akustik. Die hat den Vorteil, dass du live egal bei welcher Lautstärke keinerlei Feedback-Probleme hast und sie klingt hervorragend. Normalerweise würde ich eine Gibson J45 spielen, die ich im Studio nutze – aber auf der Bühne … Eine Akustikgitarre schwingt sich ab einer gewissen Lautstärke halt einfach auf und mit den SSTs haben wir überhaupt keinen Stress – es ist egal wie laut es ist, das geht immer.“

Und Amps?

„In Sachen Amps bin ich komplett mit zwei Fractal Audio AXE-FX II XL unterwegs, die sind identisch programmiert. Das heißt einer ist der Main-Amp, einer ist der Backup. Ich benutze sechs verschiedene Presets im Moment mit je fünf Scenes. Die Scenes sind alle gleich Marcus' Pedalboard mit Mission-Expression-Pedalaufgesetzt, darüber ruf ich halt Rhythmussound, Clean-, Crunch-, Lead- und Solosound ab. Und die eigentlichen Presets benutze ich für unterschiedliche Stücke beziehungsweise sind diese auf unterschiedliche Gitarren angepasst, die ja nun einmal unterschiedlich klingen. Soundtechnisch basiert das alles auf dem Mesa Triple Rectifier, den ich normalerweise, wenn ich echte Amps spiele, spiele. Oder alternativ für manche Sachen benutz ich einen Friedman BE im Fractal. Alle Effekte und alle Sounds gehen direkt ins Pult. Wir spielen mit InEar, daher brauchen wir auf der Bühne keine Boxen. Und wie es so schön heißt: Je leiser es auf der Bühne ist, desto besser klingt es, weil wenn ich meinen Rectifier auf der Bühne aufreiße, blase ich in jedes Mikro rein. Das macht den Mix nicht unbedingt optimaler. Ich rufe alle Sounds selbst über die fractaleigene Fußleiste ab, den MFC-101. Hab noch ein Mission-Expression-Pedal dran, mit dem ich das Wah im Fractal steuere, wenn ich es einmal spiele. Und ich benutze zwei Sennheiser Senderstrecken. Das heißt, wenn ich eine Gitarre wechsle, schaltet mein Roadie einfach an einem Morley Das Rack mit Sennheiser-Funk, AXE-FX und Morley SwitcherSwitcher auf den anderen Sender um und ich kann nahtlos weiterspielen. Ist ein sehr simples Setup, sehr effektiv, klingt hervorragend. Also wie gesagt: Alle EQs am Pult sind komplett flat. Was man über die PA hört oder was ich im InEar hab ist exakt das, was ich rausschicke; es wird nichts mehr nachbearbeitet. Was den Vorteil hat, dass du jeden Tag gleich klingst, weil du auch von der Raumakustik nicht abhängig bist. Und ich brauche keinen Soundcheck. Ich steck ein Kabel rein und kann anfangen. Ich weiß genau wie es klingt, jeder weiß genau wie es klingt. Und das System ist live meiner Meinung nach zurzeit nicht zu toppen. Vollkommen stressfrei, keinerlei Störanfälligkeiten bis jetzt und ich benutze es seit Jahren – hervorragend.“

Wenn du dir neue Gitarren kaufst, baust du dann sofort deine Lieblingspickups drauf?

„Ich habe meine erste Les Paul irgendwann Mitte der 90er gekauft. Weil ich einfach immer eine haben wollte, weil ich sie wunderschön fand. Und die hat mich so „angefixt“, dass ich seitdem eigentlich nichts mehr anderes gespielt habe. Meine ganzen Gitarren sind eigentlich Marcus' Flying VStock. Das einzige, das ich ändere, sind teilweise die Pickups, um verschiedene Klangfarben zu erhalten. Wobei ich genug Gitarren habe, wo die originalen Gibson-Tonabnehmer noch drin sind. Gerade die Burstbucker klingen hervorragend. Das einzige, was ich optisch wirklich mal „gepimpt“ habe, war meine Flying V. Das war die normale, klassische, schwarze Flying V mit weißem Schlagbrett. Das Weiße hab ich durch ein Spiegelschlagbrett ersetzt, weil es mir einfach besser gefallen hat. Ansonsten wüsste ich nicht, was ich an den Gitarren ändern sollte, um sie zu verbessern. Weil eine Les Paul nehme ich in die Hand – du kannst mir jetzt irgendeine Les Paul aus dem Shop geben, ich werde damit den Gig spielen können, ich werde damit im Studio problemlos arbeiten können – das ist eine Gitarre, die ist wie für mich gemacht. Also was auch immer Les Paul sich damals ausgedacht hat, er hat meinen Geschmack getroffen.“

Also so ein bisschen das Brian-May-Prinzip – quasi mit einem Werkstück zufrieden?

„Schon, wobei – ich bin jemand, der immer mit einem ganzen Haufen an Gitarren auf Tour geht. Ich bin nicht jemand, der ein Set mit einer Gitarre durchspielt. Normalerweise wechsle ich nach drei Stücken. Heute könnte es wegen der Kälte häufiger werden. Wir müssen schauen, wie die Gitarren in tune bleiben. Und ich bin nicht jemand, der auf der Bühne selbst sagt: „Moment, ich muss eben nachstimmen!“ – sondern ich wechsele dann. Ich hab jetzt zehn Gitarren dabei. Von daher ist es nicht so, dass ich wirklich nur eine spiele. Aber im Prinzip ja: Die Les Paul Classic CloseupIch brauche nicht irgendwas, das speziell auf mich zugeschnitten ist, eine Gibson passt. Ich mag die Hälse, ich war immer ein Fan von denen – manche nennen sie Baseballschläger – aber ich mag halt diesen dicken Hals. Zum einen macht es sich im Ton der Gitarre bemerkbar, weil du einfach mehr Holz hast und es klingt „fetter“. Und ich mag es auch vom Spielgefühl lieber, weil bei diesen ultradünnen, flachen Shredder-Hälsen, da habe ich immer das Gefühl, entweder nichts in der Hand zu haben oder es gleich durchzubrechen. Das ist nie mein Ding gewesen. Ich bin eh kein Shredder, von daher brauche ich den Hals nicht so. Irgendeine Les Paul funktioniert für mich, eine Explorer. Die SG hab ich erst seit drei oder vier Tagen. Die ist Neuland, aber auch die funktioniert für mich perfekt. Flying V, geht alles.“

Welche Saitenstärken spielst du?

Marcus mit seiner 7-Saiter SG„Ich spiele Daddario-Saiten. Bei den sechssaitigen spiele ich den Light-Top-Heavy-Bottom – das sind die NYXL Sätze. 10-52er – die dünnen drei Saiten sind aus einem 10er Satz, die tiefen aus einem 12er Satz. Und für die Siebensaiter kommt eine individuelle 63er-Saite als siebte Saite dazu. Das heißt, ich spiele den normalen 6er-Satz und haue die zusätzliche Saite darauf. Zu dem Zeitpunkt, als ich angefangen habe, Siebensaiter zu benutzen, gab es von Daddario keinen Siebensaitersatz in der Stärke, die ich brauchte. Das ging alles nur bis 59. Da die Gibsons eine kurze Mensur haben, die klassische Gibson-Mensur eben, und wir immer noch einen Halbton herunterstimmen, war mir das zu „schlabbrig“ alles. Ich brauchte dickere Saiten und habe dann mit Daddario gesprochen: „Könnt ihr Einzelsaiten schicken? Schickt mir mal von … bis … und ich teste durch!“ Und dann hat sich also die Kombination von meinem normalen Satz plus diese 63er für mich als wunderbar erwiesen.“

Du wirst ja vorher auch die normalen Sätze gespielt haben von Daddario, bevor es die NYXL gab, hast du da einen Unterschied feststellen können?

„Sie klingen länger frisch, muss ich tatsächlich sagen. Auf Tour wechseln wir alle drei oder vier Tage. Es sei denn, ich spiel eine Gitarre wirklich sehr lange durch, dann hauen wir auch am nächsten Tag schon einmal frische Saiten drauf – um einfach zu verhindern, dass mir während dem Gig eine Saite reißt, weil das ist immer blöd. Wobei ich mich an die letzte gerissene Saite ehrlich gesagt nicht mehr erinnern kann, das ist sehr lange her. Aber im Studio oder wenn ich zu Hause einfach mit einer Gitarre spiele, dann merke ich, dass die neuen Sätze länger frisch klingen. Es ist wirklich ein Unterschied.“

Wie wichtig ist Produktionstechnik für dich, also InEar usw. für das Konzerterlebnis?

„Sehr wichtig. Wir sind vor einer ganzen Weile schon auf InEar umgestiegen. Hansi, unser Sänger, ist im Jahr 98 auf InEar gewechselt und wir sind 2002 nachgezogen. Egal, wo du dich auf der Bühne bewegst, der Sound ändert sich nicht. Früher, wenn du normal mit Amp und Box gespielt hast: Du hast irgendwo deinen „Sweet-Spot“, wo es richtig gut klingt, aber mache einen Schritt nach rechts und es klingt nicht mehr so – und mach zwei Schritte nach rechts und der Sound ändert sich komplett. Wenn du vor dem Schlagzeug stehst, hörst du nichts anderes mehr. Wenn ich auf Andrés Seite gegangen bin, dann habe ich nur ihn gehört. Blind Guardion on stageWenn er bei mir war, dann hat er nur mich gehört. Und mit InEar kannst du halt machen, was du willst. Jeder hat seinen individuellen Sound, keiner stört den anderen mit individuellen Soundwünschen. Du kannst die Lautstärke selbst kontrollieren. Dadurch können wir direkt ins Pult mit Fractal spielen und André mit seinem Kemper. Wir sind von Boxen komplett unabhängig, dadurch wird es auf der Bühne leiser. Du hast nicht so viele Einstreuungen über Gesangs- oder Schlagzeugmikros, bei welchen du normalerweise immer Gitarrensignale auch mit dranhängen hast – weil einfach die Gitarren auf der Bühne so laut waren. Es hat nur Vorteile. Es war am Anfang eine Umstellung, weil du natürlich relativ abgeschottet bist.

Und ich kann mich an eine Show in Italien erinnern: Wir haben gespielt und beim Gig war alles cool. Wir sind dann von der Bühne runter für die Zugaben und haben halt gewartet, dass die Fans nach uns rufen, haben nichts gehört und waren irgendwann so angepisst, sodass wir gedacht haben: „Okay, wenn ihr nicht wollt, dann eben nicht, dann gehen wir.“ Gitarren abgegeben – ihr könnt abbauen! Und alle schauten nur und als die Crew abgebaut hat, kamen sie in den Nightliner: „Warum habt ihr die Zugaben nicht gespielt?“ „Wieso, da war Totenstille, es hat keiner etwas gerufen!“ „Die haben sich die Seele aus dem Hals geschrien!“ Und wir haben mit den Kopfhörern nichts gehört und seitdem haben wir Mikros, die uns das Publikum mit auf dem Mix geben. Seitdem ist das nicht mehr passiert. Wir haben später, im nächsten Jahr, in derselben Stadt kleinlaut eine sehr lange Show gespielt. Das sind so die Pannen, die man am Anfang macht, da muss man sich erst dran gewöhnen.“

Impressionen vom Rock Hard

PS: Peter, der Gewinner der Rock-Hard-VIP-Trip, hat uns ein paar Zeilen und Fotos zu seinem Wochenende auf dem Rock Hard Festival 2016 zukommen lassen. Was er zu erzählen hat, erfahrt ihr unter diesem Link.

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Franziska startete ihre Musiklaufbahn an der Violine und ist heute musikalisch zwischen Smetana und In Flames zu Hause. In ihrer Freizeit engagiert sie sich in allerlei Kulturbereichen und lebt ihre Leidenschaft - die Kunst - in all ihren Facetten.

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