Das Pedal funktioniert wunderbar (und rauscharm!) als Gitarren(!)-Booster vor einem Fender Hot Rod Deville (nicht Deluxe!) und einem Hutches&Kettner Tubemeister20, weniger gut vor anderen Röhren-Amps und gar nicht vor Solid-State-Amps.
Und nun die Langversion:
Dieses Pedal ist eigentlich für Bässe gedacht, aber ich habe es im Gitarren-Setup ausprobiert und es hat mich begeistert! Wenn die Dokumentation stimmt, dann sind das zwei Pedale in einem, auf der einen Seite ein TubeScreamer-ähnlicher Schaltkreis, auf der anderen Seite ein Booster (reiner Signalverstärker).
Jetzt erst einmal etwas Technisches:
1.) Weil das Gerät für Bässe ist, kann es nicht wie der klassische TubeScreamer (für Gitarre) klingen, weil der einen sehr klein bemessenen Kondensator am Eingang hat, der massiv die Bässe absenkt (weshalb der klassische TubeScreamer so beliebt vor GighGain-Amps in der Tschack-Tschack-Gitarrenfraktion ist). Massive Bass-Reduktion macht bei einem Basspedal keinen Sinn, also fällt das weg.
2.) Eine reine Signalverstärkung macht in zwei Fällen Sinn:
2a.) wenn meine Gitarre ungewöhnlich schwache Tonabnehmer hat (z. Bsp. AlNiCo2-Magnete in den Tonabnehmern, um das Entmagnetisieren von alten AlNiCo5-Magneten zu simulieren) oder exotischere SingleCoil-Tonabnehmer (z. Bsp. Brain May-Gitarre)
2b) um die Vorstufenröhren stärker anzufahren, was die Klangcharakteristik des Verstärkers ändert (bei SolidState-Verstärkern führt das nur zu einem unangenehmen Zerrklang, den ich immer "Kreissäge auf Urlaub" nenne).
Okay, zuerst das Positive: für 44 EUR rauscht das Pedal (in meiner Anwendung) angenehm wenig (das ist ja meist der Schwachpunkt von Billigpedalen). Mit einer ESP Ltd EC-1000T (das T steht für "Traditionell" und meint die klassische Korpusdicke; mehr Tiefmitten als die ESP Ltd EC-1000 ohne "T") SingleCut-Gitarre und einem Fender Hot Rod Deluxe (Super-Combo-Amp mit 2*12" Lautsprechern)-Verstärker im Clean-Channel (der mehr "Fender-artig", mehr höhenbetont abgestimmt ist als sein Overdrive-Channel) führt das Pedal zu einem leicht näselnden Klang, der sehr gut trägt und fast "clean" klingt. Eine wunderbare Ergänzung zum Klang des mehr "mittig" abgestimmten Overdrive-Kanals des Verstärkers.
Die "TubeScreamer"-Seite war von mir so eingestellt, dass er bei härteren Anschlägen von Einzeltönen zu zerren beginnt, bei Beibehaltung des Lautstärkelevels. Der Bosster war komplett aufgerissen auf maximale Verstärkung.
Die "TubeScreamer"-Seite klang alleine etwas matt; alleine die Bosster-Seite machte einfach nur lauter; zusammen führten sie zu einem tragenden, gerade so "angeschmutzten" Ton, der mich wirklich begeistert und der den Verstärker um einen sehr unterschiedlichen Klang erweitert.
Wie meist (oder fast immer) bei Halbleitern, wird es bei mehr Distortion und komplexen Akkorden dann etwas unangenehm, aber das teilt das Pedal so ziemlich mit jedem anderen, unabhängig von der Preisklasse.
Auch an einem Hutches&Kettner Tubemeister20 läuft das Pedal in oben genannter Einstellung zur Form auf und liefert diese zusätzliche, leicht näselnde Klangfarbe, die sich wunderbar dafür eignet, nicht bei jedem Solo gleich zu klingen.
Das Negative (was man dem Pedal nicht ankreiden kann):
an zwei verschiedenen Marshalls klingt es eher nach dem angesagten Preis (= billig) und liefert so gar nichts von dem Klang am Fender und am H&K-Verstärker.
An zwei SolidState-Verstärkern (MusicMan 112 RD, Randall Commander II) macht der Booster hier keinen Sinn (weil die Gitarre einen Seymour Duncan SH-4 am Steg hat, den man nicht puschen muss).
Und die "TubeScreamer"-Seite alleine klingt hier eher matt und uninteressant (während der auch nicht besonders teuere tc electronic Zeus Overdrive hier genau anders herum reagiert, super an den SolidState-Amps und etwas zickig an den Röhren-Verstärkern).
Fazit: Gitarristen sollten das Pedal mal ausprobieren. In Abhängigkeit von der eigenen Gitarre und dem eigenen Verstärker kann das Klangergebnis (wie häufig bei Overdrive-Pedalen) von "Wahnsinn!" bis zu "da sind 44EUR noch zu teuer" variieren.
Für den Fender und den H&K-Verstärker zählt das Pedal jetzt zum festen Setup, weil es mir quasi jeweils einen 3 Kanal am Verstärker liefert, den man auch in einer lauten Kneipe als solchen erkennt. Und der Klang ist in dem beschriebenen Setup wirklich richtig klasse: viel Sustain, dabei nur etwas angeschmutzt, eigentlich das, wovon man als Gitarrist träumt und was man sonst nur bei sehr viel höheren Lautstärken über die akkustische Rückkopplung bekommt (übrigens der Grund, warum das ganze digitale Zeug mit IR-Loader und so nie wie ein "echter" Verstärker klingt: es fehlt de akkustische Rückkopplung zwischen Box und Gitarre!
Gitarristen knien nicht nur vor lauter Verehrung ab und zu vor ihrer Box nieder ;)! Und nein, Röhren klingen nicht "magisch" besser als digital. Ich kenne eine Person, die mit einem digitalem Floorboard live einen unglaublichen Sound hat; allerdings dann auch mit einer Endstufe verstärkt auf eine Box. Eine E-Gitarre will nicht leise sein...).
Als Gitarrist sollte man diesem Pedal echt eine Chance geben. Wenn es nicht funktioniert, hat Thomann ja zum Glück die "Geld zurück"-Option.