Das EWI USB ist der helle Wahn, Angesichts des Hammerpreises ist das Leistungsverhältnis unglaublich, überwiegen doch klar die Knallerfeatures. Das EWI beherrscht so ziemlich sämtliche Griffweisen der Blasintstrumentlandschaft: Saxophon, (Quer-)Flöte, Oboe, dreiventilige Blech-Griffweise und in Abstrichen auch Oehler- bzw. "deutsche" Klarinette (jedoch ohne "Überblasen" in Duodezime, da hier nur Oktavregister möglich sind). Die mitgelieferten Garritan-Instrumente durch das Programm Aria sind zum Großteil überzeugend (Streicher, Synths, bedingt Blechbläser und Holzbläser mit Ausnahme der Einfachrohrblattinstrumente) und das Handling kann einfacher kaum sein. Hier sollte sofort ein jeder mit zurecht kommen, Installation, Bedienung und Inbetriebnahme sind geradezu idiotensicher und hochergonomisch. Ich habe das Teil im Bandspiel über 1.4 GHZ Laptop mit Billigsoundkarte und schlappen 512 MB Ram Laufen und mit entsprechendem Entbrummer komme ich damit weitaus unkomplizierter über die Liveanlage, als mit meinen Holzblasinstrumenten (ich spiele auch Klarinette, Saxophon und Querflöte). Für LIVEeinsatz ist das Ding einfach nur der Kracher. Im Studio greife ich dann aber doch lieber auf meine authentischen Akustik-Babies zurück.
Da ich von dem Ding schlichtweg begeistert bin, möchte ich hier ausdrücklich ein stärkeres Augenmerk auf die NACHTEILE werfen, damit jeder Interessierte weiß, wo er ggf. Abstriche hinzunehmen hat:
a.) Optik - das Teil sieht schlichtweg aus, wie ein Spielzeug und hält keinerlei Vergleich mit klassischen Instrumenten statt, deren Ästhetik einfach unerreicht ist
b.) Tragegurt - der mitgelieferte Gurt ist Marke Sonderbillig. Ich verwende einen anständigen Saxgurt - kommt geiler!
c.) es klingt banal, ist aber für den Bühneneinsatz nicht unentscheidend: es gibt keinerlei Haltevorrichtungen für den EWI, falls man das Instrument mal abstellen möchte, da schlicht ein Schallbecher oder eine Öffnung am unteren Ende fehlt. Wer das Teil abstellen will, muss es schon irgendwie am Gurt irgendwo hinhängen.
d.) USB-Stecker: der USB-Stecker hat zwar eine Vorrichtung zur Vermeidung versehentlichen Ausziehens, jedoch hindert diese lediglich das Kabel am Herunterfallen. Wird am Stecker gezogen, so geht dieser auch schon bei leichterem Impuls aus der Buchse raus und in dem Moment ist Feierabend. Eine kleine Wäscheklammer leistet hier gute Abhilfe, sieht aber albern aus. Hier muss man etwas kreativ sein, wenn man auf Nummer sicher gehen will.
e.) Einer meiner Vorredner war wohl sehr unglücklich mit dem EWI, weil er scheinbar nicht bedacht hat, dass dieses Teil eben tatsächlich ein eigenständiges Instrument darstellt. Tatsächlich löste Yamaha mit seinen ehemaligen Blaswandlern das Kontaktproblem aufgrund "richtiger" Klappen besser, als Akai, jedoch kann man sich mit etwas Übung gut dran gewöhnen. Die Oktavroller funktionieren bestens, wenn man das Prinzip erst einmal raus hat. Gleiches gilt für den sehr empfindlichen Ansatz, für den man unerwarteterweise wirklich kaum Luft braucht. "Zahnvibrato" wirkt zunächst ulkig, geht aber wunderbar. Das Einzige, was echt ne Menge Übung und Sauberkeit in Punkto Fingersatz bedarf, sind die empfindlichen Kontakte. Wer hier schludert, dem verzeiht das Gerät nicht. Bestes Beispiel ist das Bb des linken Saxophon-Zeigefingers... normalerweise ist man gewöhnt, bei B-Tonarten den linken Zeigefinger gleich über beide Klappen zu legen - das geht hier schief, spätestens, wenn man das C mit dem linken Mittelfinger spielen will. Ist jener nur einen Hauch zu hoch, wird das Bb mit kontaktet und man wundert sich, warum man auf den Tod kein C zu hören bekommt. Wie bei ALLEN Instrumenten hilft hier jedoch üben! Das EWI ist nunmal kein Saxophon, sondern ein EWI. Und seien wir ehrlich: wer hierdurch seine Griffsauberkeit verbessern kann, der spielt auch letztlich flüssiger Sax. Von daher sehe ich diesen Nachteil nicht als wirklich gravierend an, sondern schlicht als umstandsbedingt.
f.) Kondenswasser - durch ein kleines Löchlein am unteren Ende läuft lustig und munter das Kondenswasser vom Anblasen - immer schön am USB-Kabel entlang. Weder sinnvoll, noch lecker. Ein kleines, leerbares Zwischenventil Marke Blechbläser würde hier viel helfen.
g.) Achtung - reines Anblashilfsmittel! Ohne externe Sounds geht hier gar nix. Auch ist man durch USB ständig an Kabel UND Computer gebunden - zwingend! Denn das USB-Kabel ist gleichzeitig Stromversorgung. Nix Akku hier, nix alternative Stromversorgung. Zumindest in der Hinsicht lässt sich sicher noch viel verbessern, vor allem zugunsten von Freaks wie mich, die gerne "wireless" spielen - das geht hier leider nicht.
h.) Garritan-Instrumente nicht allesamt überzeugend - seien wir ehrlich: wir hören hier zwar täuschend echte, aber eben keine authentischen Instrumentsamples. Spätestens bei der Einfachrohrblatt-Holzbläsergruppe (Klarinette, Saxophon) erfährt man dies schmerzlich: diese Sounds klingen einfach nur für die Tonne. Wer mehr in diese Richtung machen will, braucht Zusatzsoftware, zB das Sample Modelling von The Sax Brothers namens "Mr. Sax" (gibt's für Alt, Tenor und Bari, leider nicht Sopran). Gleiche Firma stellt auch die Samplebank "The Trumpet" her. Trompetensound vom feinsten. Da kann Garritan nicht mithalten.
i.) ASIO, ASIO und nochmals ASIO - wer EWI einfach nur an seinen Computer anschließt, kriegt unakzeptable Latenzprobleme. Abhilfe schafft hier zB Freeware wie Asio4All, noch besser ist es allerdings mit einem leistungsfähigen Rechner und einer guten Soundkarte. An meinem Beispiel sollte aber klar werden, dass man auch ohne letztere brauchbare Ergebnisse erzielen kann.
Fazit: wem klar ist, dass der EWI USB im Grunde nur ein Hilfsmittel ist, das jedoch wie ein eigenständiges Instrument erübt werden muss, der kann hier, sofern er Verwendung für so ein Teil findet, nicht viel verkehrt machen. Ich bin schlichtweg begeistert von dieser eierlegenden Wollmilchsau. Alle anderen, insbesondere Klassikfreaks, Authentikverfechter und solche, die die Flöhe husten hören sollten tunlichst die Finger hiervon lassen und sich mit gescheiter Instrumentenabnahme auseinandersetzen. Als Multiinstrumentalist profitiere ICH hier zumindest in Sachen Ergonomie enorm.