Auch wenn Hallerzeugung heute fast ausschließlich im Rechner passiert – tot ist der Hardware-Hall nicht (das ist wörtlich zu verstehen). Wer höchste Ansprüche an Sound und Bedienung legt und gleichzeitig seinen Rechner entlasten will, kann noch immer seine Räume in dedizierten, hochwertigen 19-Zoll-Geräten errechnen lassen. Ein solches ist die Tegeler Raumzeitmaschine: Von ihren namhaften Kollegen aus den USA unterscheidet sie sich vor allem durch eine absolut minimalistische Parameterauswahl und – ein Paar Röhren und Übertrager im Signalweg! Ein sehr interessantes Konzept mit klanglicher Anlehnung an legendäre Hallmaschinen aus vergangenen Jahrzehnten. Den Link zur Neuzeit liefert die Tegeler Raumzeitmaschine in Form einer LAN-Verbindung mit Plugin für die Steuerung via DAW.
Die Tegeler Raumzeitmaschine ist ein Algorithmen-basierter Hardware-Hall – das Hallsignal basiert also nicht auf Sampling-Technik, sondern wird vollständig im bordeigenen DSP errechnet. Mit gerade einmal vier Parametern (zwei weitere bestimmen die Pegel) lassen sich unterschiedlichste Raumgrößen und Charakteristiken für ein Stereosignal einstellen. Ein Ethernet-Port erlaubt die Installation eines Plugins im Rechner und damit die Steuerung der Raumzeitmaschine via DAW. Die Hardware spiegelt sämtliche Einstellungen mittels Motor-Potis. Das Ausgangssignal veredelt die Raumzeitmaschine mit einem Röhrenpaar – damit dürfte das Gerät vermutlich der erste und einzige Digitalhall überhaupt sein, in dessen Schaltplan sich Röhren finden. Das großformatige Display unterstützt zwar nicht die Bedienung, erfreut aber das Auge. Der USB-Port dient dem Service und für Updates.
Wer einen gewissen Wert in ein Stereo-Hallgerät investiert, dürfte es ernst meinen. Aufgrund ihrer ausgefallenen Konzeption (eigenständiger Sound, ausschließliche Bearbeitung von Stereosignalen) wird die Tegeler Raumzeitmaschine vermutlich insbesondere ambitionierte Freunde von ungewöhnlichen Gerätekonzepten und ebensolchen Klangwelten ansprechen – was jedoch nicht bedeutet, dass das Gerät nicht auch als Allround-Hall verwendbar wäre. Man muss ihren Klang einfach mögen. Uneingeschränkt professionell ist auf jeden Fall die Einbindung in die DAW mittels AU-, AAX- und VST-Plug-in. Wesentlicher Pluspunkt – neben der intuitiven Bedienung – ist zudem die Tatsache, dass die Raumzeitmaschine systembedingt latenzfrei höchste Hallqualität liefern kann, ohne dabei den Studiorechner zu belasten.
Die Tegeler Audio Manufaktur befindet sich im gleichnamigen Bezirk im Norden Berlins und wurde dort von Entwickler Michael Krusch ins Leben gerufen. Ehemals Tontechniker, kopiert und optimiert er zunächst seine Lieblingsgeräte, bevor er schließlich analoges Outboard-Equipment vollständig neu entwickelt. Alle Geräte der Tegeler Audio Manufaktur sind sehr hochwertig gefertigt. Sie verbinden klassische Schaltungskonzepte mit modernen Technologien, um sie lückenlos in aktuelle Studioumgebungen und Workflows einbinden zu können.
Die Tegeler Raumzeitmaschine zählt zweifellos zu den angenehm ungewöhnlichen Gerätekonzepten – einen algorithmischen Hall mit Röhren im Signalweg hat die Welt tatsächlich bisher noch nicht gesehen (und gehört). Ganz in der Tradition früherer Hallklassiker bietet das Gerät keine maximal neutralen und transparenten Räume, sondern färbt ganz bewusst das bearbeitete Signal. Somit punktet die Raumzeitmaschine insbesondere dort, wo Hall als Klanggestaltungselement hörbar sein soll. Vor allem elektronische Produktionen aller Couleur können von einem solchen Tool enorm profitieren. Dank Plugin-Steuerung lässt sich die Raumzeitmaschine vollständig automatisieren und perfekt ins Sounddesign eines Tracks einbinden. Da keine Wet/Dry-Regelung vorgesehen ist, muss das Gerät an einem Stereo-Aux-Weg betrieben werden.
Algorithmus vers. Faltungshall
Digitale Hallgeräte bzw. entsprechende Software-Produkte nutzen grundsätzlich zwei sehr unterschiedliche Technologien: Während algorithmische Geräte einen Raum mithilfe komplex verschachtelter Delay- und Filteranordnungen („Algorithmus“) simulieren, verwendet Faltungshall den akustischen „Fingerabdruck“ eines realen Raumes in Form einer sog. Impulsantwort. Letzteren wird vielfach ein sehr realistischer, gleichzeitig aber auch etwas statischer und vergleichsweise unflexibler Klang nachgesagt. Ein algorithmischer Hall wirkt dagegen nicht immer maximal realistisch, kann aber aufgrund vieler zugänglicher Parameter oftmals klanglich flexibler und musikalisch ergiebiger wirken. So sind hier etwa auch physikalisch „unmögliche“ Räume machbar. Die Entscheidung zugunsten einer Technologie wird von der gewünschten Anwendung bestimmt und ist nicht zuletzt eine Geschmacksfrage.