1) Kaufentscheidung: Ich wusste zwar, dass der Gitarrist der Band Periphery Mark Holcomb um 2015 ein limitiertes Signatureinstrument auf Basis der PRS Custom 24 mit ein paar "Eigenheiten" bekommen hat, aber mit er Kapelle selbst hatte ich mich nicht auseinandergesetzt. Dies änderte sich im Verlauf dieses Sommers, als ich mich dann doch mal mit dem Oeuvre Peripherys auseinandersetzte und mir die Alben "Juggernaut: Alpha" und "Juggernaut: Omega", sowie dann später noch "Periphery III: Select Difficulty" kaufte und sie auditiv verschlang. Dazu kamen die Studioberichte via YouTube sowie ein paar Features, in denen Holcomb selbst rumjingelte und Tipps und Kniffe zum Besten gab.
Die Produktion seiner Core-Gitarre war eingestellt, allerdings hatte dass Unternehmen PRS im engen Schulterschluss mit Mark Holcomb eine SE (Student Edition) entwickelt, die zwar unter Lizenz in Korea gefertigt wird, vom grundsätzlichen Aufbau aber dem US-Original entspricht. Dies bedeutet Mahagoni-Korpus mit Ahorndecke (und einem optisch ansprechendem Wölkchenahorn-Funier), einem mattiert lackierten Ahornhals mit 24 Bünden, einer Mensur von 25,5" (also Fendermensur), einem sehr flachen Griffbrettradius von 20", einem Ebenholzgriffbrett, einem festen Steg und String-through-Body-Saitenführung und den originalen Seymour Duncan Holcomb Signature Pickups Alpha (Hals) und Omega (Steg). Die Elektrik unterscheidet sich dahingehend, dass die SE einen Dreiwege-Klingenschalter hat und via Push-Pull-Tonepoti von Humbucker auf Singlecoil gewechselt werden kann. Das US-Original hat einen Fünfwege-Klinkenschalter, bei dem auf Position 2 bzw. 4 der Hals- bzw. Steg-Pickup von Humbucker auf Singlecoil verändert wird. Lackiert sind die Decken der Mark Holcomb SE in einem sog. Holcomb- Burst, was von einem grau-bläulichen Mittenbereich über Übergangsbereich mit violetter Aura, Aubergine und Braun ins Schwarz geht. Schwarz sind dann Zargen, Rücken und Hals.
Allein die sehr guten Pickups machten die Gitarre attraktiv. Der Kaufentschluss lag vor. Da ich meine Core-PRS privat aus den USA bezogen hatte, in Deutschland die Verfügbarkeit der PRS SE Mark Holcomb nicht gegeben war, fragte ich zuerst meinen damaligen Händler an. Auch er hatte Lieferzeiten von gut drei Monaten. Der Grundpreis war in Relation zur Deutschen UVP sehr vorteilhaft, allerdings wurde das in einen Standortnachteil verkehrt, weil im Wesentlichen die Lieferkosten inkl. Versicherung bald dreimal zu teuer waren wie vor ein paar Jahren, und auf diese Weise Einfuhrumsatzsteuer und Zollgebühren ebenfalls proportional stiegen. In Großbritannien machte der Brexit auch keine Anstalten das Pfund abzuwerten. Direkt in Deutschland zu kaufen, war also günstiger.
Mit Hilfe des Vertriebs wurden zwei Händler direkt angesprochen. Da ich aber ein paar Modifikationen von vornherein verwirklicht haben wollte, kam dies für die Auswahl noch hinzu. Letzten Endes ist es Thomann geworden, weil sie schneller waren und sofort zielführend Vorschläge/Angebote unterbreiteten. Was wollte ich geändert haben?
- Locking Tuner statt die verbauten "Vintage",
- einen PRS-USA-Sattel statt dem Seriensattel,
- Schaller-Security-Strap-Locks passend zur Black Chrome Hardware,
- schwarze Hipshot O-Ring Poti-Knöpfe wie am US Original.
Dazu bestellte ich noch einen PRS Signature Gurt, wie ich ihn schon an meiner US PRS und einer custom made Gitarre verwende.
Im ganzen Bestell- und Abstimmungsprozess wurde ich von Jonas Dorsch hervorragend betreut.
Bei den Locking Tunern empfahl mir Jonas, nicht die PRS Phase III zu bestellen, sondern auf Schaller M6 in der Farbe Ruthenium mit Ebenholzflügeln zurückzugreifen. Dafür gab es mehrere Argumente: Erstens müssen die Löcher in der Kopfplatte für die M6 im Gegensatz zu den Phase III nicht geweitet werden, zweitens werden die Phase III mittels zweier Schrauben auf der Kopfplattenrückseite befestigt, die M6 wie die PRS SE nur mittels einer (an der gleichen Stelle), der Wellenkörper der Phase III überdeckt dieses Loch dann auch nicht, drittens kann ich den Wechsel auch selbst durchführen, weil die Mechaniken gut zwei Monate Lieferzeit haben, und viertens ist der Farbton Ruthenium kongruent zum Black Chrome, während die Phase III glänzendes Chrom haben. Preislich war kein Unterschied.
2) Warten: Nachdem nun alles abgestimmt war, bezahlte ich die Rechnung, um die Beschaffung der Extras einzuleiten. Der ursprüngliche Liefertermin für Ende September 2016 konnte nicht gehalten werden. Parallel dazu brodelten Gerüchte, dass PRS die SE Reihe überarbeitet habe, es gab Bilder - auch von Holcombs -, die das gleiche Paul Reed Smith Logo hatten wie die US-Produkte und SE nur noch als Index um unteren rechten Rand der Unterschrift angebracht war. Würde ich vielleicht schon eine 2017er bekommen? Ist dieses neue Logo wahr?
Mitte Oktober 2016 stellte PRS tatsächlich die Überarbeitung der SE Reihe mit den 2017er Modellen vor. Ja, das Logo war tatsächlich wie auch den entdeckten Bildern. Nichtsdestotrotz bestand für mich die Frage, ob ich noch ein 2016er oder bereits ein 2017er Modell bekäme.
Eine Nachfrage bei Jonas, wann denn der PRS Europavertrieb die Lieferung nun ausführe, fanden spätestens am 25 Oktober 2016 ihre Antwort, als er mir ein paar Bilder einer PRS SE Mark Holcomb aus den Thomann-Hallen schickte. 2017er Modell... Noch im Serien-Auslieferungszustand mit weißem Sattel, den Black Chrome-Potiknöpfen. Thomann bekam drei Gitarren geliefert. Er hatte ein sehr schönes Exemplar ausgesucht mit wilder Wölkchenmaserung.
Da die Lieferung der Schallermechaniken nicht vor Ende November erwartet wird, sollte die Gitarre jetzt schon soweit mit dem modifiziert werden, was da ist.
Bei schönstem Wetter feierte ich am 29.10.2016 NGD (New Guitar Day).
3) Bewertung
- Verarbeitung: Ich habe oben einen Stern abgezogen. Dies ist vielleicht in der Relation übertrieben, aber soll auf der anderen Seite den Fokus auf zwei Dinge richten, die bei meiner Gitarre nicht "passten": Das Trussrodcover ist zu lang gewesen und berührte den Sattel, so dass es nicht plan auflag, nicht mal nach zärtlichem Schmirgeln wollte es plan liegen, weil es eben schon zulange gebogen war. Auf der Messe eines anderen großes Musikalienhändlers war ich kürzlich auf dem Messestand, schaute mir sowohl das dort ausgestellte 2017er wie auch das mit Blow-Out-Preisschild versehene 2016er Modell an, bei denen jeweils das TRC plan auf der Kopfplatte auflag. PRS schickt mir ein neues TRC zum Austauschen.
Der zweite Punkt betrifft die sehr weichen Pickupsrahmen, die insbesondere die Läuferseiten (die langen Seiten) nicht als Gerade ausgebildet haben. Auch hier sah das bei den ausgestellten Gitarren auf der Messe anders aus.
Der Rest ist sehr, sehr gut. Das Deckenfunier zeigt beim quilted Maple dreidimensionale Tiefe wie es meine US-PRS mit Vollholz-Ahorndecke (10-Top Selektion) auch bietet. Beim Vergleich von Bildmaterial des Modells PRS SE Mark Holcomb sieht man sehr deutlich, dass jedes Modell allein bei dem Deckenfunier mit anderen Maserungen aufwartet, die Verläufe des Holcomb-Bursts sind ebenfalls unterschiedlich, der Aufbau wie Anfangs skizziert aber gleich.
Im Gegensatz zum 2016er Modell ist die Mattierung des Halses nicht auf Höhe des 1. Bundes vorbei und geht ab dort glossy auf die Kopfplatte. In 2017 ist der gesamte Halsrücken matt, der Wechsel zum glänzenden Lack findet im Übergang Hals zur Kopfplatte V-förmig statt und wurde auf die "Zargen" der Kopfplatte gezogen, enden somit auf den dem Korpus zugewandten Seitenflächen der Kopfplatte.
- Haptik: Der Hochglanzlack klebt nicht, der mattierte Hals ist ein Handschmeichler. Subjektiv bewegt sich die Hand schneller als auf dem mir V12 (Nitro-PU-Mischung) lackierten Hals meiner Core PRS. Das Wide Thin Halsprofil in Verbindung mit dem 20" Griffbrettradius ließ mich erst skeptisch sein, weil ich schon SE mit Wide Thin in der Hand hatte, die "unangenehmes" Wizardhalsfeeling bescherten (viel zu flach). Diese Kombination hier ist sehr angenehm, man hat "was" in der Hand.
- Sound: Die Gitarre wurde mit .010 bis .052 D?Addarios ausgeliefert. Die Stimmung ist Drop C (C, G, C, F, A, D). Ich selber fahre sie auch in diesem Tuning, allenfalls stimme ich das C mal auf D, bin also dann ein Ganzton unter dem Standard-Tuning einer Gitarre.
Ich besitze eine Parker Fly Deluxe mit 24 Bünden, der gleichen Mensur. Auch diese stimmte ich auf Drop C, allerdings hat diese Gitarre einen .010 bis .046 Satz D?Addarios aufgezogen.
Im Vergleich beider Gitarren, die unterschiedlicher Preisklassen entsprechen, die Parker kostete 1995 etwa 6.500 DM und hat speziell auf die Gitarre abgestimmte Dimarzios, ist das Klangbild der Seymour Duncans wirklich besser.
Was auch bemerkenswert ist, und bei der Elektrik könnte man durch Einbau von hochwertigen Potis & Co. vielleicht auch noch eine Nuance Steigerung erreichen, die feinfühlige Ansprache der Potis und auch die Wirkung des Push-Pulls zum Wechsel zwischen Humbucker und Singlecoil. Bei einem auf High-Gain laufendem Amp kann man per Volumenpoti schön in Crunch und leicht angezerrte Gefilde regeln. Es matscht nicht, sondern wird transparent dargestellt. Im Singlecoil-Modus hat wirklich schön "Dreck". Diesen Sound erwartete ich bei den Teles, die ich mal 2014 auf der Musikmesse spielte und nicht fand. Wie ich einleitend zum US-Modell schrieb, hat diese zwar nur einen dreistufigen Pickupauswahlbereich (Treble, Treble + Bass, Bass), das ganze aber im Humbucker- oder Singlecoilbetrieb, man hat somit sechs Voicings am Start und nicht fünf. In der Mittenstellung ist tatsächlich ein Unterschied zu vernehmen. Im High-Gain liefert der Singlecoil schöne perkussive Anteile.
Tonal ist die Gitarre sehr überzeugend.
4) Ausblick: Die Tuner werden hoffentlich bald Eintreffen. Stimmstabil sind die Serientuner zwar, aber Locking Tuner beschleunigen ja zusätzlich noch das Saitenwechseln.
Die Pickuprings habe ich gegen welche aus Ebenholz getauscht, die ich über Crazyparts in Harsum bei Hildesheim (in Niedersachsen) bezogen habe. Im gleichen Beschaffungsvorgang kaufte ich noch einen Trapezoid-Knopf aus Ebenholz für den Tonabnehmerwahlschalter. Einen E-Fachdeckel aus Ebenholz konnte ich noch nicht bei Crazyparts erwerben, weil die SE-Fächer eine Nuance größer sind als bei den US-Modellen und somit die Deckel nicht kompatibel sind.
Die Holzrahmen geben den hochwertigen Pickups eine adäquate Einhausung, auch der Tonabnehmerwahlschalter gewinnt optisch dadurch und die Haptik ist auch angenehmer.
5) Zusammenfassung:
Für die, die eine sehr gute und flexible Gitarre ohne Vibratiosystem suchen, denen es dabei egal ist, ob sie in Fernost hergestellt wurde, sollten diese PRS SE Mark Holcomb in die Hand nehmen. Sattel und Mechaniken sind Bauteile, die über kurz oder lang hin zu hochwertigen Produkten getauscht werden sollten, weil damit Funktion und Klang verbessert werden. Eine Verwendung in Standardstimmung wird nach Anpassung der Halsspannung sicherlich ebenso möglich sein wie das Spiel in Drop C bei Auslieferung.
Ob man aktuell die Gunst der Stunde nutzt, eine 2016er mit Nachlass zu kaufen, hängt vom optischen Gesichtspunkt davon ab, ob es das neue Logo sein muss und wie man den Übergang vom mattierten zum glänzenden Bereich des Halses findet.
Auf der Messe griff ich mal den Hals der 2016. Ich fand es schon besser im Modelljahr 2017, den gesamten Halsrücken matt zu haben und nicht den Daumen auf glänzender und etwas adhäsiverer Oberfläche liegen zu haben, wenn ich in tiefen Lagen greife.