Der Bugera T50 ist ein Gitarrenverstärker, der mich tief spaltet. Für mich ist er in erster Linie ein "one trick pony". Einerseits besticht er durch einen eigenen, sehr brillianten Clean-Klang, der mich begeistert. Die Optik finde ich toll. Der digitale Hall ersetzt kein ausgewachsenes Hallgerät, aber ganz sicher eine Hallspirale, und flattert und klirrt nicht bei praxisgerechter Anwendung. Der Lead-Kanal liefert akzeptable Crunch- und Distortion-Sounds. Jedoch fehlt dem Lead-Kanal die Transparenz und Auflösung z. Bsp. eines Hughes&Kettners TubeMeister 20 Deluxe (der nicht umsonst eine 4.9/5 Punkte Benotung bei Thomann hat). Da sind eher Zwei- und Dreiklänge als komplexe Akkorde angesagt. Insbesondere der Übergang von Crunch zu Clean beim Ausklingen erfolgt sehr abrupt. Der mechanische Aufbau ist tadellos. Ein absolutes Muss ist der Ersatz der 4 Vorstufenröhren. Thomann sollte das gleich als Bundle anbieten: Bugera T50 + 4 ECC83-Dioden im Bundle (das "Warum" kläre ich im längeren Textteil).
Vom Preis her könnte der Bugera T50 ein Einsteigerverstärker sein. Aber genau dafür kann ich ihn nicht empfehlen. Ein Einsteiger sollte in dieser Preisklasse besser einen Boss Katana 100 wählen.
Ich habe den Bugera T50 nach zwei Wochen heftigem Ringens mit mir am Ende zurückgeschickt.
Jetzt kommt die lange Geschichte: ich hatte mir den Bugera T50 zum Ausprobieren schicken lassen. Ausgepackt, an eine Randall 1*12" Box mit Celestion-Lautsprecher angeschlossen, einen ESP Ltd. LP-Clone mit Seymour Duncan Phat Cat (P90) Abnehmern drangehängt und... ah, Wahnsinn! So muss das klingen! Haben wollen!
Dann in den Lead-Kanel gegangen und... einen Verriss geschrieben. Das war Mumpf in den Mitten plus Kratzen in den Höhen. Und zwar völlig egal, wie ich den Verstärker einstellte und welche Gitarre ich benutzte. Jedes 30 Euro-Distortion-Pedal macht das besser. Aber dieser Clean-Klang... Also im Internet in einschlägigen Foren gesucht. Und ...wtf... reden wir alle vom selben Verstärker? Die Urteile waren kunderbunt. Von "clean eine Offenbarung, aber alles Richtung Distortion nur Sch..." bis "untauglicher Clean-Kanal, aber preisgünstiger Röhrenklang im Lead-Kanal". Hä?!
Hätte der Clean-Kanal nicht so eine ganz eigene Note (und zwar unabhängig vom Preis), ich hätte den Verstärker längst zurückgeschickt. So aber kämpfte ich mit mir. Behalten und nur den Clean-Kanal benutzen? Zurückschicken und weitersuchen?
Am Ende habe ich die Haube vom Verstärker gebaut (sorry Thomann, normalerweise mache ich das nicht, aber ich wollte wirklich wissen, was Sache ist). Also: eine der Vorstufenröhren war gegenüber den anderen verfärbt. Da ich noch einige ungebrauchte ECC83 herumliegen hatte, habe ich erst einmal alle Vorstufenröhren ersetzt. Und schon klang der Lead-Kanal anders.
Der Clean-Klang liegt irgendwo zwischen der Masse der Gitarrenverstärker und der höhenlastigen Brillianz eines Fender Twin Reverbs. Man muss den Clean-Kanal aber schon im Gain etwas aufreissen, mit einer Stratocaster sogar etwas mehr, damit es richtig gut klingt. Nur Verzerren sollte es nicht. Zum Glück ist der Clean-Kanal ziemlich lange clean. Und dann geht wirklich die Sonne auf. Der Verstärker reagiert auf unterschiedliche Gitarren sogar noch mehr, als ich das von meinen anderen Verstärkern gewohnt bin.
Nach dem Wechsel der Vorstufenröhren war der Lead-Kanal akzeptabel. Also er ist keine Offenbarung, aber man blamiert sich auch nicht auf einer (kleinen) Bühne mit ihm. Ich würde den Lead-Kanal des Bugera aber nur nutzen, wenn mir mein Hughes&Kettner TunbeMeister 20 Deluxe nicht zur Verfügung stände. Der Lead-Kanal des Bugera neigt in den Mitten zum Matchen und ist in den Höhen ein wenig "fuzzy" (auch nach dem Röhrentausch), ausserdem schwächelt er im sensiblen Bereich des Wechsel von Overdrive auf Clean.
Meine Erklärung für die so unterschiedlichen Meinungen in den Foren ist die enorme Streuung der verwendeten Röhren. Deshalb würde ich den Ersatz der vier Vorstufenröhren als absolutes Muss betrachten. Wir reden also von etwa 50 Euro extra. Wer keine zwei linken Hände hat, schafft den Wechsel auch ohne Elektronikkenntnisse alleine.
Aus genau den genannten Gründen ist der Bugera T50 für mich kein Einsteiger-Verstärker. Ich sehe ihn eher als Zweit- oder Drittverstärker für den Gitarristen, der im Clean-Bereich noch eine neue Klangfarbe sucht. Der Clean-Kanal des T50 hat einen sehr speziellen Klang, den man mögen muss, der aber auch sehr eigenständig ist und mich (und nicht nur mich, wie man in den Foren sieht) begeistert. Tausch der Vorstufenröhren vor einem Test ist ein Muss!
Der Lead-Kanal ist nach dem Röhrentausch akzeptabel, aber noch Welten von der Transparenz und der Sensibilität besserer (und teurer) Röhrenverstärker entfernt.
Darum läßt mich dieser Verstärker tief gespalten und etwas unglücklich zurück. Dem sehr eigenständigen und begeisternden Clean-Kanal stehen die Problem mit den Erströhren und die dem Preis angemessene Leistung im Lead-Kanal gegenüber. Wer 320 Euro (Verstärkerpreis + 4 neue ECC83) übrig hat und noch einen geilen, neuen Clean-Klang für das Heimstudio sucht, sollte den T50 ruhig antesten!