
Kaum eine Band aus Deutschland wird derart oft als Inspirationsquelle benannt wie Kraftwerk. Kein Wunder, immerhin haben sie mit dem Album „Computerwelt“ bereits vor 40 Jahren die Utopie zur Realität erklärt. Die Elektropioniere zeichneten mit ihren Songs und Sounds das visionäre Bild einer Computerwelt, die erst Jahre und Jahrzehnte später zum tatsächlich gelebten digitalen Alltag wurde. Es war der Soundtrack des technischen Lifestyles und die Aussage war klar: Hier beginnt die Zukunft. ?
Kraftwerk: Synthetische Klangwelten, als Bits und Bytes noch in den Kinderschuhen steckten ?
Am 30. April 1981 veröffentlichte Kraftwerk das Album „Computerwelt“. Dabei handelte es sich um das achte Studioalbum der Elektropioniere, aufgenommen im heimischen Klingklang-Studio. Es war die Zeit, als Computer auf dem Vormarsch waren und den Alltag erobern wollten, dort aber noch längst nicht angekommen waren. Eingespielt wurde die Musik mit unterschiedlichsten synthetischen Instrumenten von Synthesizern und Drum-Computern bis zu Taschenrechnern und elektronischen Sprachübersetzern. Vom New Musical Express wurde „Computerwelt“ zum zweitbesten Album des Jahres gekürt. ?
Kraftwerk liefern als musikalische Visionäre die Blaupause für Elektro-Musik
Kraftwerk befand sich nicht mehr in der experimentellen Krautkunst-Originalbesetzung, stattdessen traten Ralf Hütter, Florian Schneider-Essleben, Karl Bartos und Wolfgang Flür seit Ende der 70er-Jahre an, um mit der die „Mensch-Maschine“ den Roboter-Mythos das Licht der Techno-Welt erblicken zu lassen. Und das machten die Düsseldorfer äußerst visionär. Es war nichts Geringeres als eine Vorschau darauf, wie im 21. Jahrhundert Musik gemacht und Alltag gelebt werden würde.
Vorreiter der elektronischen Musik
Sie arbeiteten mit Klangkollagen, verwoben synthetische Klänge zu komplexen Kompositionen, erzeugten kühle und zugleich futuristische Klangwelten. Im Einsatz waren heute längst legendäre Synthies wie der Mini-Moog, der ARP-Odyssey oder der 1978 von Dave Smith entworfene Prophet, der als damals erster polyphoner Synthesizer mit speicherbaren Soundeinstellungen eine echte Sensation darstellte. Inzwischen gibt es mit dem Prophet 5 die vierte Revision des Klassikers mit analoger Tonerzeugung. Weitere Soundlieferanten waren unterschiedlichste Vocoder, mit denen die Stimmen verfälscht wurden, etwa von Roland oder die 2000-, 3000- und 5000-Vocoder-Reihen von EMS. Florian Schneider hat sich mit dem Robovox sogar ein eigenes Vocoder-System patentieren lassen.
- ARP Odyssey
- Sequential Prophet 5
Kraftwerk || Computerwelt
Aufschluss über die futuristische und zugleich zutreffende Denkweise der Musiker von Kraftwerk geben die Themen, denen sie sich auf dem Album widmen. So handelt etwa der Song „Computerwelt“ vom möglichen Missbrauch von Computerdaten durch die Polizei. Hintergrund war eine Affäre beim Bundeskriminalamt in einer Zeit, als die RAF in Deutschland wieder erstarkte. Zugleich erinnerte das Bühnenszenario an die CIA oder sonstige Geheimdienste.
Kraftwerk || Taschenrechner
Leicht und verspielt ist das zweite Stück des Albums „Taschenrechner“. Legendär ist hierbei der Einsatz der Bee Gees Rhythm Machine von der Barbie-Firma Matell, einem Spielzeug-Minikeyboard, das bei Liveauftritten auch ins Publikum zum Mitspielen gereicht wurde. Der Track wurde als deutsche, englische, französische und japanische Version, für eine italienische Fernsehsendung auch als italienische Fassung aufgenommen.
Kraftwerk || Nummern
Auch der dritte Song des Albums wurde zum Klassiker. Nicht nur technomusikalisch, sondern insbesondere auch als Countdown bei den internationalen Live-Auftritten. Mit verzerrter Gesangsstimme wird von eins bis acht gezählt. Und zwar in verschiedenen Sprachen wie Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch Russisch und Japanisch. Ein echter Opener mit typischem Kraftwerk-Nimbus.
Immenser Einfluss von „Computerwelt“ auf Pop- und Jugendkultur von gestern bis morgen
Ende der 70er-Jahre war das Internet nicht bekannt, E-Mails gab es nicht, die vermeintlich sozialen Medien erst recht nicht. Video-Chats waren pure Science-Fiction. Computer & Co. bestimmten keinesfalls den Alltag. Ganz im Gegenteil: Eine Maus war ein Nagetier und ein Mac war ein Hamburger. Als der Heimcomputer seine ersten Schritte in unser Leben machte, passte das perfekt zusammen mit dem Cyborg-Ideal, das Kraftwerk schon seit Jahren in ihrer Musik gepflegt hatten. Das Album führte Kraftwerk an ein breiteres Publikum, insbesondere die zu damaliger Zeit zunehmend aufkeimende DJ-Kultur.
Die unbeantwortete Frage: Besaßen Kraftwerk eine Zeitmaschine?
Angesichts der darauffolgenden Entwicklungen, die mit den Vorhersagen und Anspielungen von Kraftwerk übereinstimmten und übereinstimmen, steht noch immer die unbeantwortete Frage im Raum, ob Kraftwerk vor vier Jahrzehnten bereits eine Zeitmaschine oder eine interstellare Glaskugel besaßen. Wie sonst hätten sie wissen sollen, wie die elektronische und mechanische Symphonie unseres Alltags klingen würde? Das nicht enden wollende Bimmeln der Handys, die Signale von eingehenden Nachrichten oder E-Mails, eben das Mikrochip-Konzert der damaligen Zukunft. ?
Seid ihr Fans von Kraftwerk? Wie gefällt euch „Computerwelt“?
Wir freuen uns auf eure Kommentare! ✍
Peter sagt:
Als Kraftwerk Fan der ersten Stunde – ich kaufte 1974 Autobahn im zarten Alter von 9 Jahren – finde ich es fantastisch, dass ich noch immer an Kraftwerk Konzerte gehen kann und der Sound noch immer nach Zukunft tönt.
Mein Lieblingsalbum ist definitiv ‚Die Mensch Maschine‘ Der Lieblingstrack bleibt aber ‚Europa Endlos‘ vom Album Trans Europa Express.
Andy Stevens sagt:
Die Frage ob Kraftwerk eine Zeitmaschine besaßen, stellt man sich immer häufiger. Es ist wirklich faszinierend, wie man damals auf diese Themen kam. Dennoch ist das Album ein Meilenstein. Auch heute benutze ich immer noch sehr häufig „Nummern“ für meine DJ-Sets. Der Kraftwerksound ist einfach zeitlos.