Ban­d­in­ter­view: Ma­r­cus Bi­niek

30.05.2016
Musikvideo und Interview mit Macus Biniek

Interview

Das Jahr ist noch relativ frisch, und einen frischen Clip gibt es auch von dir: "Over And Out". Synthipop wie er synthipoppiger nicht sein könnte! Worum geht es in diesem Track?

MARCUS BINIEK: Um das Ende einer Beziehung. Allerdings ist dieses Ende nur von ihm gewollt. Sie hätte ihn gern zurück. Aber es ist zu spät. Over And Out!


In einem früheren Interview mit dir (2010) haben wir geschrieben, dass in deinen Tracks "...immer wieder auch ein melodisches Herz zu entdecken [ist], welches durch synthetische Robot-Stimmen begleitet wird. Das Biniek'sche Universum klingt mysteriös und spannend zugleich; es wird jedenfalls nie langweilig und zeigt eine gewisse Tiefe." Diese Beschreibung trifft heute immer noch zu, und mit "Over And Out" hast du ein regelrechtes Synthipop Blueprint kreiert, ein Song der die 'Mutter aller Synthipop-Tracks' sein könnte. Ist dieser Stil eine bewusste Entscheidung? Oder geben deine Geräte keinen anderen Sound her? Welche Bedeutung hatte (oder hat) der Synthipop für dich, der nach Punk und New Wave im England der 1980er seinen Durchbruch hatte?

MARCUS BINIEK: Eigentlich wollte ich einen Standard-Schlagerrhythmus "basteln". Man weiss ja nie wofür man so was mal braucht. Dann fiel mir auf einmal der Refrain "Over And Out" ein und der passte sehr gut auf den Schlagerrhythmus. So wurde aus dem Schlagerrhythmus am Ende eine Synthipop-Nummer. An den Möglichkeiten meiner Geräte hat es also nicht gelegen. Die können durchaus auch andere Sounds erzeugen.


Mit welchem Programm hast du den Clip realisiert, der ästhetisch aus der Frühzeit des Videospiels Ende der 1970er / Anfang der 1980er herzurühren scheint, als man noch mit zwei weißen Balken, einem Viereck und einer Mittellinie Tennis auf dem Röhrenbildschirm der Eltern spielte?

MARCUS BINIEK: Ich habe die einzelnen Sequenzen mit dem Programm "Magic" erzeugt. Ein Music-Visualizer in den man eigenen Bilder laden kann. Den Schnitt habe ich dann in Final Cut Express gemacht. Und die Text-synchronen Bewegungen der Gesichter sind mit CrazyTalk realisiert.


Du bist mit deiner Musik offiziell 2001 ans Licht der Öffentlichkeit getreten und somit ein Teil des großen Zirkus'. Welche Entwicklungen oder Vorkommnisse in der Musikbranche der letzten 15 Jahre sind für dich besonders auffällig? Was findest du gut? Was nicht?

MARCUS BINIEK: Man hört und liest immer wieder, dass Bands heutzutage nicht mehr so viel Geld mit dem Verkauf ihrer Musik verdienen wie früher, sondern hauptsächlich durch Konzerte. Das sind keine guten Neuigkeiten für Bands wie mich, die keine Konzerte geben. Die Ticket-Preise finde ich bei vielen Bands auch grenzwertig. Die letzten beiden Konzerte auf denen ich war haben mich jeweils zwischen 70,- und 80,- Euro gekostet. Dazu kamen dann noch Fahrtkosten nach Köln oder Berlin und ein Hotelzimmer. Das kann ich mir höchsten zweimal im Jahr leisten und viele gar nicht. Da wäre es schon besser die Künstler würden mehr Geld mit dem Verkauf ihrer Musik verdienen und könnten dafür die Konzerte für alle Fans erschwinglich machen. Im Gegenzug müssten die Fans die Musik natürlich auch kaufen anstatt sie irgendwo umsonst zu kopieren oder zu streamen.


In welcher Weise hat sich dabei möglicherweise dein Selbstverständnis als Künstler und Musiker gewandelt? Geht es dir heute leichter von den Lippen, zu sagen "Hallo, ich bin Marcus und mache Musik, ja, ich bin Musiker"? Oder fühlst du dich nach wie vor 'nur' als 'musizierender Künstler'?

MARCUS BINIEK: Das schöne an der Musik-Welt ist, das sie so viele Facetten hat. Da gibt es Leute, die haben eine Stimme wie eine Nachtigall und können wundervoll singen, während andere einfach ins Mikro brüllen. Manche beherrschen mehrere Instrumente in Vollendung und andere starten und stoppen nur Sample-Loops. Wie die Musik entsteht oder wie komplex sie ist, ist völlig egal und sagt nichts über die Qualität eines Liedes aus, die sich sowieso nicht messen lässt. Wichtig ist nur, dass man Musik macht und machen kann, wenn man das möchte. In diesem Sinne bin ich gerne Teil dieser bunten Welt und würde mich auch als Musiker bezeichnen.


Was bedeutet der Begriff 'Kunst' für dich überhaupt?

MARCUS BINIEK: Kunst ist für jeden das, was er dafür hält. Kunst kann tief- und schwachsinnig sein, beides gleichzeitig oder nichts davon. Eine Welt ohne Kunst wäre furchtbar.


Bedeutung ist auch das Stichwort für folgende Frage: was bedeutet dir heute überhaupt was? Im Zeitalter der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung und permanenten Verfügbarkeit von allem und jedem lässt sich eine solche Frage unserer Meinung nach immer schwerer beantworten...

MARCUS BINIEK: Es ist alles verfügbar, aber das meiste braucht man ja nicht (Achtung Binsenweisheit!). Ich denke, das Beste was einem auf dieser Welt passieren kann, ist, dass man Menschen (wahlweise auch Planzen oder Tiere ;-)) trifft mit denen man sich gut versteht und mit ihnen Zeit verbringt. Was nicht heisst, dass man immer derselben Meinung ist (ein anständiges Streitgespräch mit einer Pusteblume ist manchmal Gold wert). Wichtig finde ich auch, das man versucht sein Leben zu leben, ohne das Leben anderer zu erschweren. Dieser stumpfe Egoismus, in dem sich alle vernetzen, um sich bei Bedarf gegenseitig zu benutzen, langweilt mich zu Tode.


Wie sehen dann deine Netzaktivitäten aus? Immer noch überall mit einem Profil am Start, oder haben sich überraschende Schwerpunkte herauskristallisiert?

MARCUS BINIEK: Da hat sich nicht viel verändert; c-tube, youtube, soundcloud, jamendo, reverbnation, bandcamp etc. Auf den meisten Bandportalen ist aber, nach meinen Erfahrungen, nicht mehr viel los. Viele gibt es auch gar nicht mehr. Und oft ist es ja auch so, dass Bands andere Bands nur liken, um Werbung für ihre eigen Musik zu machen (Stichwort "vernetzen ohne Bedeutung"; siehe vorangegangene Frage).


Ende 2015 hast du mit "Menschen Nein Danke" einen Track samt Clip veröffentlicht, der mit deiner bisherigen Attitüde bricht - ein regelrechter Abgesang auf den Wert des Homo Sapiens, ein vertontes Gedicht auf die Negativ-Qualitäten des Zweibeiners. Aus welcher Perspektive ist dieser Track zu sehen? Immerhin lautet es im Text mehrmals anklagend "Ihr" also so: "Menschen, nein Danke, ihr seid primitiv...". Singt ein Marsianer nach einem Kurzbesuch sein vernichtendes Urteil über die Erdenbürger?

MARCUS BINIEK: In diesem Fall bin ich der Marsianer, nachdem ich mal wieder von einem Menschen enttäuscht wurde. Aber das passiert ja nicht nur mir. Ich möchte auch ausdrücklich betonen, dass ich mich nicht für besser halte. Naja, ein bisschen vielleicht. Ich kann aber nur jedem raten, sein eigenes Verhalten anderen Menschen gegenüber nicht auf Grund von Enttäuschungen zu ändern (es sei denn, das eigene Verhalten ist die Ursache der sich häufenden Enttäuschungen ;-)) Sonst könnte es nämlich passieren, das man einem netten Menschen begegnet und es nicht mitkriegt. Also am besten, wie es auch in vielen Liedern schon besungen wurde, so tun als wären diese Enttäuschungen nicht passiert. Erhalte Dir ein Stück Naivität und bleibe offen für alles. Es gibt viel Positives hier auf der Erde, auch wenn es einem manchmal nicht so vorkommt.


Wie sieht es überhaupt mit deinem Blick auf diese Welt aus? In einem facebook-Kommentar (März 2016), der einen Track als "Heile Welt Musik" beschrieb, hast du wortwörtlich geschrieben: "Heile Welt? Nix für mich!". Spricht da der geborene Pessimist oder der vom Leben permanent enttäuschte? Hast du wirklich keine Hoffnung und/oder das Streben nach Glück?

MARCUS BINIEK: Nein, ich bin überhaupt kein Pessimist. Auch über die negativen Dinge auf dieser Welt zu sprechen, oder Lieder darüber zu schreiben, heisst doch nicht, das man kein positiver Mensch ist. Hinter meinem facebook-Kommentar war ja auch noch ein Zwinker-Smiley.


In welch wunderbarer Welt der Schwermut lässt du uns demnächst wieder blicken bzw. was dürfen wir von Herrn Biniek demnächst erwarten?

MARCUS BINIEK: Es gibt einige unfertige Lieder, aber noch keinen Plan, welches als nächstes vollendet werden soll. Vielleicht lasse ich sie auch alle wie sie sind und fang ein neues an. Zum Beispiel darüber, dass man sich als Europäer im Moment, was das Flüchtlings-Thema angeht, nur schämen kann. Mir ist eigentlich nach einem Lied mit dem Titel "Europa, nein danke!", und das ist kein Pessimismus, sondern leider Realität. Menschen, die versuchen ihr Leben zu retten und um Hilfe bitten, die Tür vor der Nase zuzuschlagen finde ich unerträglich. Da müsste es von Musikern, Künstlern und allen anderen Menschen auch viel mehr Widerstand geben.


LINK: c-tube Profil von MARCUS BINIEK

Video des Tages