5. Dynamikbearbeitung mit dem Kompressor und anderen Tools

Eine der sicherlich wichtigsten Aufgaben im Mastering ist die Änderung von Lautstärkeverhältnissen. Dafür gibt es natürlich den ganz normalen Fader, jedoch muss häufig auf die Dynamik Einfluss genommen werden, also den Unterschied zwischen lauten und leisen Passagen in einem Musikstück. Üblicherweise wird komprimiert, und zwar nicht zu knapp. Das dient unter anderem dazu, dass leise Stellen im Material nicht dazu führen, dass der Hörer dort lauter stellen will und bei lauten wieder herunterregeln muss. Im Idealfall bleibt der einmal eingestellte Pegel beim Hörer gleich, und zwar dann, wenn man über eine große Anlage in der Disko hört, während man ihn in der U-Bahn über Kopfhörer hört und im alten, lauten PKW über das Autoradio. Es muss also später ziemlich universell funktionieren - keine leichte Aufgabe!

Kompression ist nicht gleich Kompression. Es ist von Vorteil, aus verschiedenen Designs wählen zu können. Kompressoren mit Optokopplern reagieren tendenziell träge. Durch ihr besonderes Regelverhalten sind sie gut geeignet, wenn stark aber unauffällig komprimiert werden soll. Mit Kompressoren ohne Optokoppler können sehr kurze Regelzeiten realisiert werden. Der Audiopfad kann mit unterschiedlichen Elementen wie Transistoren, Röhren und Übertragern ausgeführt sein, wodurch sich unterschiedlichste Klangvariationen ergeben.

Abb.: Avalon VT-747SP Röhren Stereo Spectral-Opto-Kompressor
Abb.: IGS Audio Tubecore Stereo Mastering Kompressor

Parameter

  • Threshold-Pegel (Schwellwert)
    Wenn der Pegel des Signals den eingestellten Threshold-Pegel (Schwellwert) überschreitet, beginnt die Attack Zeit. Sobald diese abgelaufen ist, werden Pegeländerungen im Verhältnis der eingestellten Ration reduziert. Da durch diesen Eingriff der Ausgang des Kompressors normalerweise leiser wäre als das Eingangs­signal, gibt es am Ausgang einen Gain-Regler, mit dem der Pegelverlust ausgeglichen werden kann.
  • Auto-Gain-Funktion
    Die Auto-Gain-Funktion stellt die Verstärkung stets auf den Wert ´Betrag von Threshold minus (Threshold : Ratio)´ ein. Dadurch wird ein normalisiertes Eingangssignal bei jeder beliebigen Einstellung von Thres­hold und Ratio so verstärkt, dass das Ausgangssignal ebenfalls normalisiert ist – zumindest solange es sich um eher statische Signale handelt.
  • Attack und Release
    At­tack ist die Reaktionszeit des Kompressors auf Signale, die den Threshold überschreiten. Die volle Dämpfung des Kompressors wird erst nach Ablauf der eingestellten Attackzeit erreicht. Dadurch bleibt z. B. bei längeren Attackzeiten das Anzupfen von Gitarrenseiten deutlicher hörbar. Release bestimmt, wie schnell der Kom­pressor seine Dämpfung wieder zurückregelt, sobald der Threshold unterschritten wird. Wenn Sie einen unschön "pumpenden" Klangeindruck haben, sollten Sie die Release-Zeit verlängern.

    Eingangs- und Ausgangspegel im zeitlichen Verlauf
    Eingangs- und Ausgangspegel im zeitlichen Verlauf
  • Kompressionsverhältnis (Ratio)
    Die Ratio legt fest in welchem Verhältnis Pegeländerungen nach Überschreiten des Threshold und nach Ablaufen der Attackzeit reduziert werden. Bei einer üblichen Ratio von 4:1 bedeutet das z.B., dass ein 8dB lauter werdendes Eingangssignal ein nur 2dB lauter werdendes Ausgangssignal zur Folge hat. Wenn die Dämpfung des Kompressors genau beim Threshold mit dem Ratio-Wert einsetzt, während knapp unterhalb des Threshold noch mit Ratio 1:1 übertragen wird, spricht man von einem Kompressor mit hartem Knie. Es hat sich herausgestellt, dass es in vielen Fällen angenehmer klingt, wenn der Übergang von der Ratio 1:1 zur eingestellten Ratio in einem gewissen Bereich um den Threshold herum weich er­folgt. Die Kennlinie geht dabei also weich vom unteren linken in den oberen rechten Teil über – man spricht daher von einem weichen Knie. Mit dem Knee-Regler kann zwischen harter und weicher Charak­teristik gewählt werden. Bedenken Sie, dass ´Knee´ nur den Charakter der Kom­pression regelt, nicht deren Stärke (das geschieht mit Threshold und Ratio). Übrigens wird die Stärke der Kompression des Originalsignals mit dem Gain Reduction Meter angezeigt.

    Hard Knee vs. Soft Knee
    Hard Knee vs. Soft Knee
  • Peak-/RMS-Schalter
    Wenn der Kompressor entscheiden muss, ob der Pegel den Threshold überschritten hat, kann er entweder den Spitzenpegel (Peak) betrachten oder sich nach dem RMS-Pegel richten, einem Wert, der eher der empfun­denen Lautheit entspricht. Bei Verwendung der Autogain-Funktion und der RMS-Charakteristik kann es zu Übersteuerungen kommen! Schalten Sie ggf. Autogain aus, und regeln Sie den Gain von Hand.

    RMS/PEAK
    RMS/PEAK

Parallelkompression

Nicht nur im Mixing, auch im Mastering wird gerne "Parallelkompression" eingesetzt. Dabei wird nicht das gesamte Signal durch den Kompressor geleitet, sondern ein unbearbeiteter Teil durchgelassen. Dadurch bleiben Mixes „luftiger“ und natürlicher.

Während ein Kompressor meist mit mittlerem Threshold und eher hohen, unauffälligen Regelzeiten verwendet wird, dient ein Limiter dazu, Pegelspitzen abzuschneiden und die Aussteuerbarkeit zu erhöhen. Mit einem guten Limiter lassen sich fast unhörbar mehrere dB „herausholen“!

Wenn sich zwei Songs lediglich durch ihre Lautheit unterscheiden, wird der lautere i.d.R. als „besser“ empfunden. Das hat dazu geführt, dass in der Vergangenheit ein „Loudness War“ stattgefunden hat, um Stücke immer lauter erscheinen zu lassen. Dazu sind unter anderem starke Dynamikbegrenzungen notwendig, aber auch der tiefere Griff in die Trickkiste. Der klare Nachteil, wenn man versucht, Audiomaterial maximal laut zu bekommen, ist, dass man Gefahr läuft, das Material zu stark zu verzerren, zu stark und unnatürlich zu verdichten und das Hören geradezu zur Anstrengung werden zu lassen. Hier ist in jedem Fall Augen- bzw. Ohrenmaß notwendig!

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