Vorweg: ich bin mit dem Gerät zufrieden, auch zu dem Preis. Ich wusste aber auch genau, was ich wollte und warum ich es wollte. Die eingebauten Digital-Synths sind fantastisch und am meisten mag ich die verschiedenen Sequencer, inkl. schnell programmierbarem polyphonem Step-Sequencer, der auch krumme Zeiten kann und beim Spielen in der Sequenz ohne Neustart transponierbar ist! Der OP-1 ist vollständig genug, um auf der Couch richtig Musik zu machen.
Verarbeitung: robustes Design (innen offenbar recht schwerer Metallrahmen, stabile Tasten). Mit der exakten Genauigkeit beim Zusammenbau haben sie es offenbar nicht so. Mein erstes Exemplar hatte dezentrierte Encoder und einige Tasten waren leicht verschoben bedruckt. Die Encoder machen auch komische Geräusche, scheint normal zu sein. Der Lautstärke-Poti fühlt sich riskant billig an. Das Display ist super. Also: nur weil das 1200 EUR kostet und es Industriedesign ist, kein hochindustrielles Wertprodukt erwarten. Eher Manufaktur/Boutique :) Der Lautsprecher ist ziemlich unbrauchbar, wie bei den Volcas und den Roland Boutiques auch. Der USB-Anschluss ist der alte Mini. Finde ich besser als die fummelige Variante bei den zwischenzeitlichen Geräten (Boutiques), USB-C wäre für die Neuauflage sicherlich nett gewesen, aber wie gesagt, es ist ein Klassiker.
Funktionen: Im Prinzip ist das ein 4-Spur-Bandrekorder mit eingebautem Synth und Sampler, die man nacheinander auf die Spuren aufnehmen kann. Dabei kann das Gerät einige Tricks, die ein normales Bandgerät nicht können muss (Aneinanderkopieren von Soundschnipseln), klassische Tricks (Bremsen, Beschleunigen, Rückwärts, Aufnehmen und Abspielen bei verschiedenen Geschwindigkeiten), aber auch einige Dinge leider nicht wie normales bouncen (EDIT: geht doch, steht aber in keiner Anleitung: man schaltet die Spur auf die man aufnehmen will stumm und über die Mikrophon-Taste im Loop-Modus die Resampling-Funktion an) oder punch in - punch out. Praktisch ist, dass es immer im overdub-modus ist. Man kann also erst die linke, dann die rechte Hand auf eine Spur aufnehmen oder verschiedene drum-Elemente. Arbeiten mit loops ist der Trick. Abhängig vom eingestellten Tempo kann man das auch recht genau machen. Loops müssen aber immer wieder neu von Hand eingestellt werden. Immerhin: Aufnahme starten bei Tastendruck, das kann nicht jedes Gerät. Wie schon gesagt, Synths und Sampler sind super. Keiner von beiden hat einen Filter (!?), auch nicht als Effekt (EDIT: es gibt doch Filter als FX - sind Kreativfilter mit Makros) :). Sampler gibts als Drum-Sampler, wobei wie beim Slicen je Taste verschiedene Startpunkte in einem langen Sample gesetzt werden. Polyphon. Der Drum-Sampler kann auch als Phrase-Sampler verwendet werden. Der normale Sampler samplet schnell und effizient von innen, außen oder Radio, es können auch Bandschnipsel gedropt werden. Die loops knacken dann aber manchmal. Der normale Sampler ist polyhon chromatisch spielbar (!) - das war in den 80ern/90ern normal, heute ist es eine Seltenheit. Manche Synths sind auch polyphon, die meisten monophon (EDIT: kann man einstellen, die Funktion findet man aber auch nur. Effekte werden übrigens beim Spielen mit aufs Band aufgenommen. Das Band kennt nur einen Master-Effekt, leider keinen Insert-Effekt pro Spur und auch keine Send-FX je Spur (wie das bei einem Tascam 4-Track z.B. so wäre). Das muss man dann in Ableton machen. Die Control-Funktion für Ableton ist auch brauchbar, man muss aber erstmal bei github das richtige Skript finden (für Live 9, geht auch in 10). Auf der TE-Seite ist da nichts.
Ein paar Design-Entscheidungen sind unpraktisch: z.B. ist die Track-Auswahl im Bandmodus verbunden mit der Solo-Funktion, was beim Spurwechseln immer einen kleinen Sound-Dropout auf den anderen Spuren bewirkt (vielleicht mache ich auch was falsch - EDIT: workaround: alle Spurtasten drücken (so werden alle gesolot) und die gewünschte Spur zuletzt). Im Bandmodus wird der Pegel des Synths vor und nach dem Band eingestellt. Wenn man aber auf den Synth wechselt, um live oder während der Aufnahme dran rumzuschrauben (oder auch nur die Oktave zu wechseln), springt der auf vollen Pegel... Der Pegel vom OP-1 ist übrigens nicht sehr hoch, reicht für Earpods geradeso aus, wird besser, wenn man den Compressor/Drive zuschaltet. Bei Shift-Funktionen muss die Shift-Taste gehalten werden, z.B. bei der Programmierung des Step-Sequenzers (wozu? kann man den nicht einfach scharfschalten?). Die Steps bei der Lautstärke der einzelnen Spuren sind im leisen Bereich zu grob und sehr hörbar - kein sanftes Fade-In.
Die anderen EInschränkungen sind Konzept und fördern wirklich (!) die Kreativität: nur 6 Minuten Band, nur 2x6 Minuten "Album" zum Abmischen. Da bleibt man bei einem Track/Stück/Lied und macht es auch fertig(er) :) Kein Undo fördert auch die Entscheidungen, einen Take so zu lassen und einfach weiterzumachen. Ganz so böse sind TE dann doch nicht - man kann die Tape-Spuren und die Alben zwecks Weiterverarbeitung auf den Rechner übertragen. Das Comittment fängt übrigens beim Auspacken an: um an das Gerät zu kommen, muss das schicke bedruckte Band an der paperfoam Schachtel aufgeschnitten werden - da gibts kein undo :)
Wunschliste für Neuentwicklungen: Übernahme der Sequenzer-Ideen durch alle Hersteller ;), Betrieb mit AAA-Akkus (da kriegt man die 1850 mAh auch schnell zusammen). Send-FX oder Insert FX je Kanal (passt auch zum Bandmaschinen-Konzept). Filter für Synths und Sampler. Bessere oder keinen Lautsprecher.
Wunschliste für Updates: Umschalten Oktaven auch im Bandmaschinen-Modus. Keine Pegelsprünge bei Wechsel auf Synth. Halten der gehaltenen Noten bei Oktaven-Wechsel. Drop mit Merge-Funktion (spart man sich den Umweg über den Sampler). Punch-in-Punch-out oder 1x Aufnehmen während loop, dann umschalten in Playback (Option gibts bei den meisten loopern). Das wars auch schon :)
Also: Super Gerät, fördert die eigene Kreativität an die Oberfläche. Behindert Perfektionismus. Dadurch mehr output. Macht glücklich. (Und dafür zahlen viele im Durchschnitt deutlich mehr - Urlaub, Auto, Haus, Klamotten, Starbucks, Sushi - da kann man sparen, um sich das Glücks-OP-1 zu finanzieren) :)